Das erste, was der Zuschauer von Til Schweiger zu sehen bekommt, ist sein nackter Hintern. Der bewegt sich rhythmisch, denn sein Besitzer, der Ermittler Nick Tschiller, vögelt gerade die Staatsanwältin. Ich weiß, man schreibt nicht vögelt, man redet von beischlafen, beglücken oder sonst was. Aber man verfällt nun mal leicht in solch einen Jargon, wenn man ihn 90 Minuten um die Ohren geknallt bekommt.

Kurz vor dem Ende sieht man wieder Schweigers nackten Hintern. Das ist so deutlich als Rahmen der Handlung gesetzt, dass man darin eine Botschaft vermuten könnte an jene, die so etwas zu kritisieren haben. Ihr geht mir am Arsch vorbei, lautet sie. Keine Frage: Nach dem großen Erfolg seines „Tatort“-Debüts im vergangenen Jahr strotzt Schweiger vor Selbstbewusstsein. Er weiß, er kann dieses Genre aufmischen, er kann wieder eine Hammerquote erreichen, er kann den Sonntagsabendkrimi rocken. Genau das tut er.

In der Zeit zwischen den Szenen mit dem blanken Hintern gibt es einen Bombenanschlag auf Tschiller, tote Clanmitglieder stapelweise und eine übel zugerichtete Staatsanwältin. Dazu ist Tschiller mal wieder ein Rabenvater, einer, der seiner Tochter versprochen hat, sich um sie zu kümmern, einer, der aber aus den verschiedensten Gründen nie dazu kommt. Man kennt das aus Schweigers anderen Filmen, es ist eines seiner Grundmotive.

Ein Kopfgeld ist auf Nick Tschiller ausgesetzt, und gleich zu Beginn entdeckt er eine Bombe unter seinem Fahrersitz. Die fotografiert er seeelenruhig und sendet das Bild seinem Kriminalkumpel Yalcin Gümer. Der analysiert in Blitzeseile den Sprengstoff, was aber nichts nützt. Tschiller muss raus aus dem Auto, weiß aber, dass die Bombe hochgehen würde, wenn er das Gurtschloss betätigte. Also zerschießt er die Gurte und kullert raus auf die Straße. Kurz danach geht die Bombe hoch, und der Film hat das zweite Rummsbums nach Schweigers Hintern vom Anfang.

Es geht um rivalisierende Clans, die Hamburg unter sich aufgeteilt haben, deren Gleichgewicht aber aus der Schwebe geraten ist, weil Tschiller zu viele Mitglieder des einen Clans in den Knast gebracht hat.

Es ging in diesem Jahr schon einmal um Clans im „Tatort“. Vor zwei Wochen wurde gezeigt, was ein Clan anrichten kann, wenn er sich aufschwingt, die Gesetze zu bestimmen. Gleich nebenan in Bremen ist das passiert. Diese thematische Dopplung erinnert daran, dass Ulrich Tukur vor Weihnachten im Zirkus schnüffeln musste und Lena Ödenthal zum Jahresbeginn gleich schon wieder. So viel zur Koordination in der ARD.

Der Autor Christoph Darnstädt und der Regisseur Christian Alvart haben hier ein feines Stück Actionfilm gezaubert. Keine Sekunde riecht das nach klassischem „Tatort“, eher nach amerikanischem Abrechnungskino der Marke „96 Hours“. Weil die von ihm beglückte Staatsanwältin übel zugerichtet wird, weil ein Maulwurf immer wieder alles verrät, weil er eine Bombe unter dem Hintern hatte und weil die Kinder dieser Welt vor den Bösen dieser Welt geschützt werden müssen, zieht Tschiller mit einer Monsterpackung Motivation in die Schlacht. Damit das auch zu sehen ist, trägt er dabei durchweg dieses Charles-Bronson-Ein-Mann-sieht-rot-Gesicht. Es signalisiert, dass dieser Mann das Gesetz nicht selbst in die Hand nimmt, er ist das Gesetz.

Nun tragen diese Selbstjustiz-Filme der „96 Hours“-Klasse grundsätzlich einen ziemlich üblen Geruch mit sich. Man hält in ihnen nichts von Rechtsstaatlichkeit. Die Rechtsstaatlichkeit hat in ihnen angeblich versagt. Gesetze sind viel zu lasch. Die Bösen kommen viel zu leicht davon. Da muss einer her, der die Dinge auf seine Art regelt. All das hat Schweiger oft genug bei Talkshowauftritten in die Runde gekotzt. All das trägt auch sein Nick Tschiller in sich. Glücklicherweise funktionieren in der ARD manchmal doch noch hier und da ein paar Kontrollmechanismen, und so kommt Fahri Yardim die Aufgabe zu, als Tschillers schlagfertiger Kompagnon Yalcin Gümer hier und da ein bisschen zivilisatorischen Löschschaum in Tschillers barbarische Brandspur zu schießen. Tschiller ist der Trieb, Gümer das Gewissen.

Man kommt kaum noch nach mit dem Zählen der Leichen, man versteht auch nicht alles, was gesagt wird. Offensichtlich erging am Set die Anweisung, Til Schweiger als Obernuschler vom Dienst nicht so alleine zu lassen, weshalb nun alle ein bisschen durch die Backen plaudern. Man kann das ja notfalls begründen mit Realitätsnähe. Niemand spricht im Alltag alles korrekt aus, schon gar nicht, wenn es bedrohlich wird.

Man muss diesen erfreulich pathologenfreien Film nicht mögen. Man kann sich vielmehr fragen, ob Türken und Kurden in diesem Film nicht eine Spur zu eindimensional wegkommen. Ja. Man kann sich fragen, ob das deutsche Fernsehen so einen Ramboverschnitt wie Tschiller dringend braucht. Nein. Man kann sich fragen, ob so etwas nicht auch die Saat wässert, die von den Sarrazins dieser Welt gelegt wurde. Ja.

Wenn man diesen Film anschaut, muss man sich darüber klar sein, dass man in einer großen Masse mitschwingt, die einfache Antworten auf schwierige Fragen sucht. Til Schweiger gibt diese einfachen Antworten. Er verpackt sie in viel Krachbumm und jede Menge Rummsbums. Das ist verführerisch für alle, die sich nach simplen Regeln sehnen. Bei allen, die ein bisschen weiter denken als nur bis zur nächsten „Bild“-Schlagzeile, kann dieser „Tatort“ durchaus Schmerzen in verschiedenen Köperregionen verursachen. Sage also niemand, er sei nicht gewarnt worden.