Frauen über 40 müssen sehr, sehr tapfer sein, wenn sie diesen Film anschauen. Sind sie nicht tapfer, dann geben sie sich hinterher wohl zwangsläufig die Kugel. Weil sie in ihrem Alter nach der hier verbreiteten Logik keine Chance mehr haben auf ein menschenwürdiges Dasein. Also keine im Sinne von gar keine. Frauen über 40 welken gnadenlos, fallen in sich zusammen und, am allerallerallerschlimmsten, verschwinden aus dem Blickfeld der Männer. Sie sind in dem Alter, in dem sie kippen, in dem sie wertlos werden. Ihnen bleibt dann neben oder vor dem Selbstmord nur noch der Weg in die Hölle der Ü-40-Partys, wo sie aber auch keinen festen Partner mehr abkriegen, weil ihnen ganz groß Not auf die Stirn geschrieben steht. In ihrer Verzweiflung schmeißen sich diese Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs dann jedem an den Hals, der ihnen beim Beinebreitmachen hilft, notfalls auch einem Sadisten. Hauptsache ihnen widerfährt noch irgendeine Form der Zuwendung.

Man möchte sich als Mann nach diesem „Tatort“ spontan waschen und dann entschuldigen bei all den Frauen, die hier in die vereinigten Klischeeanstalten eingewiesen werden. Von Frauen. Katrin Bühlig hat das Buch zu diesem Film geschrieben, Claudia Garde hat inszeniert, und sogar hinter der Kamera stand eine Frau: Birgit Gudjonsdottir. Das ist ein feiner Trick, denn hätte ein Mann sich diesen gequirlten Quark zusammengeschrieben, wäre er wohl auf ewig in der Alice-Schwarzer-Verdammnis gelandet. Frauen aber, so wirkt die hier vermittelte Botschaft, wissen, wovon sie schreiben. Frauen dürfen das.

Am Anfang sieht man ein paar lebenslustige Frauen. Sie gehen feiern. Sie sind ausgelassen. Am Morgen danach ist eine von ihnen tot. Warum fragen sich die Leipziger Kommissare Saalfeld (Simone Thomalla) und Keppler (Martin Wuttke). Warum fragt sich schnell auch der Zuschauer, denn die Verwicklungen in diesen knapp 90 Minuten sind derart an den Haaren herbeigezogen, dass nur noch der Spruch fehlt, demzufolge einsame Frauen jenseits der 40 mehr Chancen haben, Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden, als noch einen Mann zu finden.

Da teilt die Frage „Haben Sie einen Mann“ schnell die Welt in gut und verzweifelt. Also müssen sich die Frauen im Film mit dem vorhandenen Klischeepersonal abgeben. Sie begegnen einem Flirtcoach (Herrje, die gibt es ernsthaft doch wirklich nur in Medienberichten) und einem Schönheitschirurgen. Von Letzterem sprechen andere Menschen mit einer sonderbaren Art von Respekt. „Der hat die richtige Hardware. Der ist Schönheitschirurg. Da gehen die Frauen freiwillig mit.“

Natürlich ist der Chirurg Sadist, aber genau das macht ihn offenbar attraktiv. Besser man wird von ihm gequält als von der Einsamkeit. „Das Ausnutzen lebenshungriger Frauen Mitte 40 ist noch kein Straftatbestand“, sagt der Griesgram vom Dienst, also Keppler, und sichtet die Riege der Verdächtigen. Die sind en masse vorhanden, und alle haben ein Motiv, alle haben etwas zu verbergen, alle lügen wie bekloppt, obwohl eigentlich ein jeder wissen sollte, dass sein Alibi durch ein zwei Zeugenbefragungen auffliegen muss. Es entsteht so etwas wie ein Maskentheater. Jeder trägt eine Maske, hinter der er straflos sagen kann, was er möchte, was ihm als günstiger Ausweg erscheint. Die Kamera hält dabei drauf, und die Regie winkt am laufenden Band mit dem Zaunpfahl.

Theatralisches Überagieren ersetzt hier die Schauspielerei. Im Prinzip ist dieser „Tatort“ eine überlaute, überschrille Hysterieparade. Dagegen haben die Kommissare keine Chance. Dagegen wirken sie in ihrem drögen Sosein wie Trockenblumen, die beim nächsten Hauch zerfallen werden. Man weiß, dass das demnächst wohl passieren wird, dass die Zeit von Saalfeld und Keppler sich dem Ende zuneigt. Wahrscheinlich weil sie mental schon lange über 40 sind. So wirkt diese Episode wie ein willkommener Kündigungsgrund. Kein Mensch weint solchen Filmen eine Träne nach. Nicht mal Frauen über 40.