Man muss nur „Seltene Erden“ sagen. Und Tiefsee. Dann läuft man ziemlich sicher Gefahr, sich einen Schätzing einzufangen, einen Frank. Also den, der seit seinem Buch „Der Schwarm“ bekannt ist für seine erfolgreichen Geschichten vom kriminellen Raubbau unter Wasser und der zufällig, also im Sinne von ganz total zufällig, kurz vor der Aussendung dieser Kieler „Tatort“-Folge seinen allerneuesten Wälzer in die Buchhandlungen geschüttet hat. Das Problem mit diesem Schätzing ist für einen Film, der etwas erreichen will, ein gewaltiges. Sein Auftauchen geht nämlich einher mit massivem Verlust von Timing und Schauspielerei und ist ungefähr auf jenem Niveau anzusiedeln, das einst Berti Vogts mit seinem legendären Manfred-Krug-„Tatort“-Satz „Es riecht nach Gas“ erreichte.

Schätzing kann wie Vogts Sätze nur aufsagen, er kann sie nicht füllen, er bleibt immer Schätzing, der schreibende Ehrgeizling aus der Unterhosenwerbung, so eine Art Wendler des Literaturbetriebes. Aber dieser Schätzing hat, nun ja, Glück. Die Regisseurin Sabine Derflinger hat ein Einsehen mit ihm. Sie umgibt ihn mit ganz vielen seiner Art, also zum Beispiel mit der Drehbuchsatzaufsagerin Sibel Kekilli.

Am Anfang des Films wird jemand ertränkt, brutal unter Wasser gedrückt, und dann ist kurz danach ein Mann zu sehen. Er scheint voller Angst, er findet eine Patrone auf seinem Autodach, und kurz danach wird er auf einer Bootsparty über Bord geschossen und bleibt verschwunden. Der Mann arbeitete bei einer Firma, die Seltene Erden vom Meeresboden holt, und die von Karoline Eichhorn gespielte Firmenchefin soll den Eindruck machen, als kenne sie dabei keinerlei Skrupel.

Christian Jeltsch hat das Buch geschrieben und es sicherlich gut gemeint. Allein, es hat nichts genützt. Das Endprodukt ist eine derartige Anhäufung von Dilettantismus, dass es nachhaltig schmerzt. Kaum zu glauben, dass der Kieler „Tatort“ noch Ende vergangenen Jahres mit „Borowski und der Engel“ zu den Highlights des Krimijahres gehörte. Aber so schnell kann das gehen in der ARD. Gestern noch top, heute Superflop.

Axel Milberg kann noch am wenigsten für diese Katastrophe. Er spielt seinen Kommissar Borowski mit gewohnter Gleichförmigkeit, da ist nicht viel zu mäkeln. Was aber bleibt von einem wie Milberg, wenn er umzingelt ist von Minderleistern. Da versagt nicht nur Kekilli als seine ständig von Epilepsieanfällen bedrohte Assistentin auf ganzer Linie, auch Nicolette Krebitz als Gattin des Verschwundenen und Karoline Eichhorn als skrupellose Chefin sind mimische Totalausfälle.

„Seltsamer Fall, seltsame Frauen“, sagt Borowski irgendwann zwischendrin, aber da ist der Ofen eigentlich schon aus, denn kein Problem in diesem Film wird jemals spürbar. Probleme werden einfach nur behauptet, und dementsprechend egal sind sie dann auch.

Wenn dann noch ein Kommissarsatz der Marke „Irgendetwas haben wir übersehen“ fällt, deutet das auf sehr große Hilflosigkeit hin, auf den Moment, an dem eigentlich alle merken, dass das Pferd, das sie reiten, eigentlich tot ist. Aber keiner wagt abzusteigen. Es gibt dementsprechend in diesen 90 Minuten viele Bilder von vielen Menschen, die dumm gucken und dabei ausschauen, als hätten sie das nicht einmal üben müssen.

Und dann kommt auch noch Frank Schätzing. Spätestens da kippt der Film ins Bodenlose. Schätzing mag Thriller schreiben können, vor der Kamera hat er nichts verloren. Ihren Höhepunkt findet diese PR-Schmierenkomödie dann schließlich, als Borowski „kenn ich Sie?“ fragt und Schätzing im Weggehen erfolglos Lässigkeit simuliert. „Nur wenn Sie Krimis mögen“, sagt er.

Da möchte man laut schreiend dazwischen gehen und „Aus! Aus! Aus!“ schreien, aber der Film geht einfach weiter. „Borowski und das Meer“ ist er betitelt. Ich hätte da eine Alternative, die zwar nichts weiter als ein blöder Kalauer ist, aber wenn die im Fernsehen schon nichts leisten, dann muss man mich fairerweise auch mit so etwas durchkommen lassen. Außerdem wird mein Titel der wahren Leistung wesentlich gerechter: Borowski und das Weniger.