Man kann auch etwas Gutes sagen über diese „Polizeiruf 110“-Folge. Über eine Lagerfeuer-Szene, bei der die Bewohner eines alternativen Bio-Hofs in die Flammen schauen, und dazu läuft vom angloamerikanischen Zauberduo Rue Royale das Lied „Guide To An Escape“. Das ist zwar RTL-dick aufgetragen, weil es sich bei den herumsitzenden Menschen ja um Aussteiger handelt, aber das nimmt dem Song nichts von seinem Zauber. Er ist und bleibt eine betörende Hymne, die in keiner mp3-Sammlung fehlen sollte. Leider ist drum herum der ganze Rest.

Im Rest herrscht eine bedrohlich anmutende Form von Lethargie. Es geht um die Bewohner eines Öko-Hofes, die alle mal große Illusionen hatten, von wegen Freiheit und so. Nun hocken sie desillusioniert in Brandenburg herum, ziehen lange Gesichter und blasen Trübsal. Dazu haben sie reichlich Grund, denn nicht nur hat ein Gutachten ihren Äckern einen hohen Verseuchungsgrad attestiert, auch wurde ein Genossenschaftsmitglied tot in einer Jauchegrube gefunden. Ein Fall für Kommissarin Olga Lenski (Maria Simon) und ihren dicken Kollegen Horst Krause (Horst Krause, der mit dem Motorrad und dem Hund im Beiwagen). Die müssen in der Folge das Beziehungsgeflecht aufknüpfen, das die Ökos miteinander und mit der Außenwelt verbindet.

Um es kurz zu sagen: Es wird ein sehr mühsames Geschäft. Alles entwickelt sich quälend langsam. Jeder trägt hier sein Päckchen mit sich herum, und wenn das geöffnet wird, dann gute Nacht.

Maria Simons Olga hat große Augen, und die reißt sie oft noch ein wenig weiter auf, damit man sieht, dass sie staunt über das, was sie hört. Natürlich ist die Ermittlerin auch persönlich involviert, denn die Freundin des Toten war früher auch eine Freundin der Kommissarin. Wie das halt so ist im nicht so dicht besiedelten Brandenburg, wie das halt immer häufiger so ist im deutschen Sonntagabendkrimi, wo inzwischen fast jeder Kriminale einen direkten Draht zu irgendwelchen Verdächtigen hat oder entwickelt.

Nach dem Buch von Clemens Murath köchelt Regisseur Robert Thalheim einen ziemlich zähen Handlungsbrei zusammen. Streckenweise ähnelt das weniger einem Krimi als vielmehr einer 90-minütigen Gesprächstherapiesitzung, bei der mit Klischees nicht gespart wird. Natürlich sind diese Ökos vor allem naiv, ein bisschen verstockt, ein bisschen verträumt, aber auch böse in ihrem grün angestrichenen Herzen. Einst wollten sie das Beste, lautet die Botschaft. Aber schaut, was heute daraus geworden ist.

Weil die Hauptrollen mit Fritzi Haberlandt, Peter Lohmeyer und Fabian Busch prominent besetzt sind, weiß man als Zuschauer natürlich relativ schnell, wer als Verdächtiger in Frage kommt und behält irgendwann auch recht, obwohl die Handlung am Schluss noch einmal einen unerwarteten Schlenker nimmt. Das heißt, so unerwartet ist der Schlenker dann auch nicht, denn als der Fall gelöst scheint, bleibt noch viel zu viel Sendezeit übrig, so dass man gleich weiß: Da kommt noch was. Es ist der Fluch der 90-Minuten-Formatierung, die hier wieder mal jedem dramatischen Moment die Spannung absaugt.

Hat man schließlich das Ende wach erlebt und ist aufgrund der unendlichen Rederei, die fast schon einer Talkshow auf Rädern gleichkommt, nicht weggedöst, dann schaut man hinterher sehr trüb in die Welt. So trüb, dass man im Zweifel sogar die folgende Günther-Jauch-Show als Aufheller akzeptiert wird.

Wahrscheinlich ist genau das der Plan der ARD. Wir ziehen die Menschen mit einem Möchtegern-Krimi soweit runter, dass sie hinterher alles schlucken, nur um wach zu bleiben. Ich habe indes einen besseren Tipp als Günther Jauch. Einfach mal Rue Royale googeln, reinhören, wegschwärmen, gut fühlen, ARD vergessen, „Polizeiruf 110“ sowieso…