Mit dem dicken Auto durch Münchens Tunnels rasen, nach Belieben Koks schnupfen, hemmungslos in der Gegend rumballern und erleben, dass alle genau das tun, was man ihnen sagt. Das ist keine meiner üblichen Omnipotenzphantasien, das ist der Alltag von Nasir Al Yasaf, dem fünften Sohn des Emirs von Kumar. Er genießt Diplomatenstatus, und deshalb kann der junge Mann aus dem gestrengen Emirat im Gastland Bayern tun und lassen, was er will. Selbst als er mit einer Leiche auf dem Beifahrersitz durch die Stadt rast, ist er nur schwer zu stoppen. Als es der Polizei schließlich doch gelingt, ihn auszubremsen, darf sie den Prinzen nicht befragen. Da ist der Konsul vor. Der und die selbstherrliche Art des Prinzen treiben die zuständigen Kommissare schnell zur Weißglut. „Kameltreiber“ sagt Ivo Batic und muss sich prompt vom Kollegen Franz Leitmayr als Rassist einordnen lassen.

Wer hat den Mann auf dem Beifahrersitz erschossen? War es der sehr leicht in Wallung zu bringende Prinz? Und was ist mit dem Koks in der Diplomatenvilla? Und was mit den zwielichtigen Gestalten, die sich dort herumtreiben? All diese Fragen bleiben lange unbeantwortet. Nicht nur Leitmayr und Batic tappen im Dunkel, auch der Zuschauer weiß nicht, wohin mit seinen Vermutungen. Soll er sich Batics Ausfällen anschließen oder besser Leitmayrs relativer Gelassenheit folgen? Ja, der Prinz scheint ein veritables Arschloch zu sein, und sein deutscher Freund und Kokslieferant Henk auch. Und der Konsul sowieso. Aber ist man ein Mörder, nur weil man sich aufführt wie die wilde Sau?

Rainer Kaufmann hat diesen „Tatort“ nach einem Buch von Alexander Buresch und Matthias Pacht inszeniert und dabei das Kunststück geschafft, den Zuschauer mehrfach in die Irre zu führen. Er macht es leicht, sich über diese finsteren Männer zu erheben, die streckenweise wirken wie dem Handbuch für Araber-Klischees entnommen. Aber kaum hat man sein Urteil gefällt, gerät es ins Wanken, weil eben nicht alles so einfach ist, wie es übersichtlich strukturierte Gemüter gerne hätten.

Kaufmann lässt die Kommissare bei ihrer Sisyphos-Arbeit zunehmend vom gerade Dienstweg abkommen. Sie haben wieder Zeit, sich miteinander zu beschäftigen. Kurz geht es erneut um die Frage, ob die beiden auf Dauer zusammen bleiben, als der Prinz Respekt vor Batic entwickelt und diesem einen Job in Kumar anbietet - für das Zwölffache seines Jahresgehalts. Plötzlich brodelt es auch in Leitmayr.

Zunehmend gerät die Frage, wer denn nun der Mörder ist, aus dem Visier. Vielmehr geht es darum, zu zeigen, wie gefangen man sein kann, wenn man als Prinz alles darf.

Das entwickelt ein schönes Tempo und zwischendrin auch einen wunderbaren Witz, und sogar Wilson Gonzales Ochsenknecht macht als dubioser Henk eine passable Figur. Am Ende spielen noch Verwicklungen in deutsche Wirtschafts- und Politikkreise eine gewichtige Rolle. Aber da hat sich dieser Film längst gelöst von der Konvention, am Schluss einen eindeutig Schuldigen in Handschellen zu präsentieren. Gefangen genommen wird dagegen die Vorurteilsbereitschaft des Zuschauers, die Lust an der schnellen Meinung. Durchaus sehenswert.