„Unverrückbare Überzeugungen haben nur schlechte Ärzte, Heilpraktiker und Taxifahrer. Und meine Schwester Hannelore.“ Prof. Karl-Friedrich Boerne ist schon früh in sehr spruchstarker Hochform. Wer sich nicht in Windeseile in Sicherheit bringt, bekommt von ihm etwas auf die Ohren. „Nicht nur Proktologen kennen sich mit Arschlöchern aus“, sagt er, und der Satz sitzt wie ein mit Wucht geschleudertes Wurfmesser, das direkt neben dem Zuschauer einschlägt. Großartiges Timing. Da hat Regisseur Thomas Jauch seinen Darsteller Jan Josef Liefers in Hochform erwischt oder ihn just dorthin gebracht.

Boerne ist viel scharfes Wort in diesem „Tatort“, denn er fürchtet um seine Zukunft. Seine Leberwerte sind nicht in Ordnung, und deshalb muss er zur Biopsie ins Krankenhaus. Zufällig in genau jenes, in gerade ein junger Mann verstorben ist. Ein Mann, dem eigentlich nichts fehlte, der aber eine Einstichstelle am Oberschenkel hat. Eine Zehnjährige hat beobachtet, wie sich der Mann im Park gestritten hat, wie er dann von der Bank kippte, und da ist sie halt zur Mordkommission, um Ermittler Frank Thiel von der anstehenden Geburtstagsfeier des Pathologie-Faktotums Alberich abzuhalten.

Es geht um Krebs und Medikamentenfälschung. Wenn ein Schnapsgläschen einer Medizin um die 25 000 Euro kostet, liegt die Versuchung nahe, den teuren Wirkstoff gegen ein bisschen Traubenzucker auszutauschen. Irgendjemand macht da ganz offensichtlich unlautere Geschäfte. Aber wer? Die forsche Stationsärztin, die Boerne unters Messer nehmen wird? Oder die Klinikleiterin, die angeblich nur mit ihren Zahlen verheiratet ist? Oder doch jemand ganz anderes?

Dorothee Schön hat hier eine bemerkenswerte Geschichte gestrickt. Sie hat fein die Handlungsfäden verwebt, den sich todkrank wähnenden Boerne hier, den etwas stieseligen Thiel bei seinen vor die Klinikwand laufenden Ermittlungen dort, und dann scheint sich auch für Thiels Assistentin Nadeshda Krusenstern etwas anzubahnen mit dem attraktiven Vater der kleinen Zeugin.

Leider ist die kleine Zeugin der große Schwachpunkt in dieser Geschichte. Sie plappert ein bisschen zu altklug, ein bisschen zu auswendig gelernt, ein wenig zu selbstsicher. Da hätte Regisseur Jauch ruhig noch ein wenig mehr Sorgfalt beim Drehen walten lassen können, und auch die Anbändelungsversuche zwischen dem Vater und Nadeshda wirken sehr künstlich.

Der Rest aber stimmt. Naturgemäß geht es in Münster nicht in erster Linie um Bilder, es geht nicht mal in zweiter Linie um den Fall, es geht vor allem um die Komödie, um das ambivalente Verhältnis von Thiel und Boerne, um ihre kleinen und großen Händel, um ihre nur schlecht kaschierte Männerliebe zueinander.

Trotzdem gelingt es der Autorin Dorothee Schön und dem Regisseur Thomas Jauch, zwischen all den Sprüchen so etwas wie Krimispannung aufzubauen. Von Szene zu Szene zieht sich die Schlinge enger, wird deutlicher, wer hier der Böse sein könnte.

Dass daneben Klamauk sein muss, ist klar. Manchmal übertreibt es Jauch dabei ein bisschen sehr. Als etwa Thiel ein Paket von Boernes Schwester Hannelore in die Klinik bringen soll, übersieht er natürlich den „This Side Up“-Aufkleber und klemmt den Karton verkehrt herum auf seinen Gepäckständer, was zur Folge hat, dass beim Öffnen nur noch Brei zu entdecken ist.

Insgesamt aber hält dieser „Tatort“ fein die Wage zwischen messerscharfen Witzattacken und leidlicher Spannung. Und dann darf der Zuschauer auch noch Zeuge werden bei Boernes Vergötterung seiner selber. Da steht er vor dem Spiegel. „Lieber Gott, ich danke dir, dass ich anders bin als die anderen“, schmalzt er sich selbst an. Mein Gott, wenn er nur nicht so recht hätte.