Man wird manchmal noch überrascht in diesem Geschäft mit dem „Tatort“. Da hat man die Stuttgarter Ermittler Sebastian Bootz (Felix Klare) und Thorsten Lannert (Richie Müller) längst abgeschrieben als schlafmütziges Duo, das mehr mit Privatgeschichten und Unwahrscheinlichkeiten nervt, da kommen die beiden plötzlich mit einem Fall um die Ecke, der zeigt, dass es gute Autoren und ebensolche Regisseure noch hinkriegen, wenn sie es denn ihr Handwerk beherrschen.

Die Autoren Sönke Lars Neuwöhner und Sven Poser können es mindestens ebenso gut wie der Regisseur Till Endemann. Sie legen einen „Tatort“ hin, der sich gewaschen hat, der trotz kleiner Schwächen eindeutig zu den besseren dieses Jahres zählt.

Den Anfang markiert ein klassischer Showdown. Es geht sofort in die Vollen. Bootz und Lannert stehen in einem Supermarkt einem durchgedrehten Gangster gegenüber. Der hält einem Wachmann die Knarre an den Kopf. Just in dem Moment schlurft eine junge Frau herbei. Bootz wirft sich und sie zu Boden. In dem Moment fällt ein Schuss. Lannert hat den Gangster erschossen. Bootz hat nichts davon gesehen. Trotzdem behauptet er im späteren Ermittlungsverfahren, er habe das Geschehen genau verfolgt. Er lügt, weil er den Kollegen schützen will. Doch sein Lügengerüst gerät ins Wanken, als ihn der Anwalt der Tätermutter aggressiv in die Zange nimmt (sehr schön unsympathisch: Michael Rotschopf als Anwalt). Dann tritt noch jene Frau auf, die Bootz zu Boden riss. Sie ist erst sehr ruhig, reagiert dann aber plötzlich völlig aufgelöst, schwer derangiert. Sie läuft davon. Wenig später findet Bootz sie in ihrer Wohnung – erschossen.

Es ist keine leicht zu erklärende Lage, in die das Ermittlerduo da stolpert. Es wird auch mit dem Verlauf des Films nicht leichter, die Dinge zu ordnen, denn zum einen kommt das andere, und dann kommt noch etwas hinzu und dann noch etwas. Die Dinge entwickeln sich anders als geplant. Und als erwartet. Dazu macht sich bemerkbar, dass nicht nur Lannert ein Problem hat. Auch Bootz hängt schwer in den Seilen. Wie schon in den vergangenen Folgen überdeutlich angekündigt leidet er sehr unter der Trennung von Frau und Kindern. Sein letzter Freund ist der Alkohol. Dementsprechend sieht es in ihm und in seiner Wohnung aus.

Genau in diesem Seitenstrang liegt die einzig schwache Stelle dieses Krimis. Die Verlorenheit des Ermittlers Bootz wirkt seltsam aufgesetzt. Man spürt, dass er etwas sein soll, das er aber nicht ist. Wie er da sitzt und starrt mit all seinen Flaschen und den Pizzakartons, das hat etwas seltsam Gekünsteltes, das droht die ganze Geschichte aus der Bahn zu werfen.

Dass genau das nicht passiert, ist den Drehbuchautoren zu verdanken, die ihrer Geschichte sehr viele Wendungen zumuten. Es ist andererseits der Regie zu verdanken, dass das Komplizierte nicht ein einziges Mal wirklich kompliziert wirkt. Der Zuschauer ist stets gleichauf mit der Entwicklung der Geschichte. Regisseur Till Endemann führt sehr sauber und veredelt sein Werk zusätzlich mit ein paar sehr pittoresken Aufnahmen der nächtlichen Stadt. Schön komponierte Bilder sind das. Man spürt, dass sich da jemand Gedanken gemacht hat.

So merkt man erst am Schluss, dass man eine Weile das Luftholen vergessen hat. Wann ist das bei einem „Tatort“ zuletzt passiert? Dafür auf jeden Fall mal schönen Dank.