Charlotte Lindholm ist zurück. Zwei Jahre nach dem letzten Fall ist die Hannoveraner LKA-Ermittlerin wieder im Einsatz. Allein. Keiner kann ihr helfen, als sie im münsterländischen Schweinegürtel nahe Oldenburg einen Mord aufklären soll. Ein Chauffeur ist erschossen worden. Wohl weil er auf dem Platz seines Chefs saß, der gerade steuerte und selbst mal Gummi geben wollte. Der Chef ist Jan-Peter Landmann ein Schweinezüchter, einer, der das ganz große Fleischrad dreht. Es sieht so aus, als habe der Anschlag dem schwer reichen Industriellen gegolten.

Doch Lindholm stößt auf Ungereimtheiten. Warum war Landmanns martialisch auftretender Sicherheitsdienst nicht vor Ort, als geschossen wurde? Welche Rolle spielt der leicht debile Neffe Landmanns? Und kann man von der örtlichen Kriminalistin mehr erwarten als dumm zu gucken?

Dieser „Tatort“ lässt sich komisch an. Das liegt schon daran, dass man die Lindholm so lange nicht gesehen hat. Man war gewohnt, dass sie souverän durch den Fall stolziert, nebenbei ermittelt und in erster Linie schön ist. Nun aber sieht sie seltsam geliftet auf. Ihr Gesicht umspielt meist so ein Hauch von Milchigkeit. Vieles wirkt weichgezeichnet. Und sie ist ganz auf sich gestellt, kommt eher verloren daher. Zweifel zeichnen ihren Weg, und die Zweifel werden nicht weniger, wenn sie Landmann verhören muss. Der kontert ihre Fragen mit Annäherungen. Er vereinnahmt sie auf höchst charmante Weise. Man spürt bei diesem Menschen sehr genau, dass er Zurückweisung nicht gewohnt ist.

Heino Ferch spielt den Schweinebaron Landmann, und er spielt sensationell. Man muss diesen Typen einfach mögen, so wie er sich da bewegt, wie er den Wohltäter gibt. Da fällt jede Verdächtigung gleich in sich zusammen. So einem wie diesem Landmann traut man nichts Böses zu.

Es ist Ferchs Verdienst, dass die Fassade sehr, sehr lange hält. Gegen ihn kommt Maria Furtwängler mit ihrer Interpretation der neuen Lindholm nicht an. Sie wird rasch zur Randfigur. Das liegt auch daran, dass ihr der Autor und Regisseur Alexander Adolph noch eine zweite Antagonistin zugeordnet hat. Bibiana Beglau spielt Frau Bär, die doofe Dorfkriminalistin, die alles falsch macht, was man als Berufsanfängerin so falsch machen kann. Sie ist förmlich das Gegenstück zu all jenen Neulingen, die in anderen „Tatort“-Gegenden eingesetzt werden, um schluffige Ermittlerteams wieder auf Trab zu bringen. Beglau legt ihre Frau Bär bewusst tapsig an. Sie macht alles falsch, aber genau dadurch auch manches richtig. „Wenn ich nervös werde, habe ich Wortfindungsstörungen“, sagt sie einmal. Nicht nur das.

Dazu kommt Adolphs sehr besondere Art, skurrile Momente in die Geschichte einzuflechten. Er hat viel recherchiert, und das, was er erfahren hat, will er auch loswerden. Es geht um zu billiges Fleisch, um die Ausbeutung von Arbeitern, um kriminelle Security-Teams und manchmal auch einfach um Merksätze. „Der Orgasmus von einem Schwein dauert eine halbe Stunde, wussten Sie das“, muss sich Lindholm einmal auf der Flucht vor einem wildgewordenen Eber fragen lassen, dann explodiert sie sehr zu recht, als irgendwer die industrielle Tierzucht mit einem KZ vergleicht, und ein anderes Mal doziert Landmann über sein Produkt. „Fleisch ist für alle. Fleisch ist demokratisch“, doziert er.

Adolph streut surreale Sprengsel ein, lässt Menschen grunzen und die Musik schwer esoterisch gurgeln. Das enthebt diesen Film rasch dem normalen „Tatort“-Kosmos. Die mutlos staunende Lindholm auf der einen, der Schweinepriester Landmann auf der anderen und zwischendrin Frau Bär mit ihren Kulleraugen, das lässt einen Hauch von Tarantino durch die Szenen wehen.

Leider greift der Regisseur dann zu einem der abgegriffensten „Tatort“-Klischees, zum mutlosen Chef, der seine Kommissarin ausbremst, damit der Fall nicht so schnell zu Ende geht. Da macht sich dann rasch Ernüchterung breit. Und auch ein bisschen Mitleid. Da bauen alle so kunstvoll an einem wirklich tollen Türmchen, und dann reißen sie das Gebilde mit dem Hintern wieder ein.

Da bleibt nur Kopfschütteln, da helfen auch der grandiose Ferch und die begnadete Beglau nicht weiter, da ist dann irgendwann der ganze Zauber futsch. Schade drum.