Wer das Jahr beschwingt ausklingen lassen möchte, meidet diesen Münchner „Tatort“ besser. Wer nicht in Abgründe blicken will, tut an diesem letzten Sonntag lieber etwas anderes. Wer nicht emotional an großer Hoffnungslosigkeit beteiligt werden möchte, sucht sich um 20.15 Uhr einen Ort der Hoffnung. Wer trotzdem „Tatort“ schaut, muss durch ein tiefes Tal, wird jedoch belohnt durch einen großartigen Film mit noch großartigeren Nachwuchsschauspielern.

Ein Junge wurde gefunden, 14 Jahre alt. Getötet durch den Schuss aus einer aufgesetzten Gaspistole. Wer tötet einen 14-Jährigen? Einen, der keinem was Böses wollte, der kurz zuvor noch alberte mit Freunden, Handyvideos drehte, einfach Quatsch machte. Die Kommissare Batic und Leitmayr wissen es nicht. Sie ahnen es nicht einmal, bis ihr Assistent Kalli auf brisantes Material stößt. Er findet es auf dem Computer des Toten, und brisantes Material findet sich auch auf der Festplatte eines nach außen braven Familienvaters. Der hat den Netzkanal des Jungen abonniert, auf dem dieser Bilder von sich anbot, posierte, mehr andeutete.

Zu sehen ist, wie die Welt des Familienvaters bröckelt, wie sie sich auflöst, wie sein Gerüst aus Lügen einstürzt. Aber die Lösung des Falles ist das längst nicht, denn da ist noch die Frage, ob es eindeutige Täter und eindeutige Opfer überhaupt gibt, ob nicht die Grenzen verschwimmen angesichts dessen, was da gang und gäbe war. Und welche Rolle spielten die beiden Freunde des Opfers? Der gleichaltrige Flo und Hanna, das überaus hübsche und offensichtlich sehr reiche Mädchen?

Nino Böhlau spielt Flo und Anna-Lena Klenke die Hanna. Beide sind phantastisch in ihren Rollen, sie geben ihren Figuren eine große Tiefe. Genau jene Tiefe, die das Drehbuch von Holger Joos braucht, das sich nicht mit einfachen Wahrheiten zufrieden gibt, das den Zuschauer suchen lässt nach Lösungen, das sich vor allem aber mit unerbittlicher Härte der Einsicht nähert, dass nichts gut ist und auch nichts gut wird, egal wer sich am Ende als Täter herausstellt.

Es geht um Kinder, die ihre Seelen im Netz verkaufen, die aber ihre Eltern und ihre direkte Umwelt nicht in eben diese Seelen schauen lassen. Sie haben ein Eigenleben entwickelt, ein sehr einsames, ein früh gescheitertes. Sie haben sich abgekoppelt von allen, die ihnen wohl wollten, und jetzt stehen sie mutterseelenallein da.

Regisseur Andreas Senn hat das mit Unterstützung von Kameramann Holly Fink Film werden lassen. Er montiert mehrfach Bilder aus verschiedenen Zeiten parallel, und die Kommissare, die schnell zu Randfiguren in diesem bösen Spiel werden, sind oft nur im Anschnitt zu sehen. Es ist Sommer in München, ein böser Sommer. Schnell ist man als Zeuge des Geschehens froh, dass draußen trüber Winter herrscht. Nur nie Sommer, nicht, wenn er so daherkommt.

Es ist die Frage, ob man solch einen Film zum Jahresausklang braucht. Ein eindeutiges Nein wäre die Antwort, wenn dieser Film den Zuschauer nicht einfinge mit solch großer Intensität, wenn er ihn nicht führte an Orte, zu denen er nie Zugang erbat. Es ist eine traurige Reise in die Depression, aber lange schon nicht mehr hatte ein „Tatort“ die Kraft, so innig zu berühren.

„Das verkaufte Lächeln“ ist einer der Höhepunkte des „Tatort“-Jahres, einer der besten Filme, die von der ARD in diesem alten Jahr gezeigt wurden. Ob er der beste ist, muss nicht entschieden werden, das mögen Jurys übernehmen. Es reicht diesem Film, dass er so ist wie er ist. Und so wie er ist, ist er gut. Sehr gut sogar.