Am Anfang schaut Martin Wuttke den Zuschauer an. Der lagert offenbar im Kühlschrank, denn da spricht der Herr Bühnenschauspieler hinein. „Was ist der Sinn des Lebens?“ fragt er pathetisch und setzt dann bedeutungsschwanger hinzu: „Die Frage ist doch: Soll das Ganze ein Scherz sein oder doch mehr? Eine Tragödie?“ Dann zeigt ihn die Kamera, wie er mit einer Flasche Bier durch das knietief in seiner Küche stehende Wasser watet. Dem Herrn Kommissar Andreas Keppler, den Wuttke nun zum letzten Mal spielt, ist die Waschmaschine ausgelaufen. Am Sonntag. Und die surreale Kulisse bietet ihm die Bühne, die er im Leipziger „Tatort“ offenbar so lange so schmerzlich vermisst hat, eine Bühne für etwas Besonderes jenseits der Frage, wo der Verdächtige gestern war zwischen 20 und 23 Uhr.

Eigentlich ist diese ganze Folge eine ausgelaufene Waschmaschine. Jahrelang ist das Wasser brav seinen drögen Gang geflossen in Leipzig. Man sah Wuttke, man sah seine Partnerin Simone Thomalla als Kommissarin Eva Saalfeld. Man hörte, dass die beiden in ihren Rollen irgendwann mal verheiratet waren, inzwischen aber nur noch dienstlich gemeinsame Wege gehen. Das fiel mal passabel interessant aus, meist aber bildete es eher den öden Ermittleralltag ab, mit viel Gerede und zu vielen Recaps der Marke „Was haben wir bis jetzt?“

Damit bricht die Regisseurin Claudia Garde, die zum Finale ein Buch von Sascha Arango verfilmt, gleich mehrfach. Immer wieder drängt sie die zentrale Krimigeschichte zur Seite und lässt die einst Verheirateten hadern mit ihrem aktuellen Verhältnis. Sie lässt Keppler und Saalfeld sprudeln wie geplatzte Schläuche, gibt ihnen viele Bühnen, auf denen sie miteinander hadern können, und natürlich wird dabei auch großes Theater vorgetäuscht.

So liefern sich die beiden Kampfhähne einen bedeutend gemeinten Dialog in der Polizeikantine. Vor allen Kollegen. Gleich spürt man, dass es da um Vergrabenes, um Verdrängtes geht. Aus der maßlosen Liebe von einst ist inzwischen maßloser Zorn geworden. So wie in der griechischen Tragödie, auf die hier mit dem Zaunpfahl angespielt wird. Irgendwann brüllt Keppler seiner einstigen Geliebten nach. „Fuck You, Medea!“ Wie man das halt so macht unter Polzisten. Im höheren Dienst. In Leipzig.

Doch Regisseurin Garde hat noch mehr Gimmicks zum Finale parat. Immer wieder mal lässt sie ihre Akteure Tagträume leben. Da geht dann Saalfeld ihrem Vorgesetzten an den Hals, der wieder mal nicht verstehen will. Aber alles nur Traum. In Wahrheit bleibt sie einfach nur sitzen und glotzt so starr wie man das seit gefühlten 374 Folgen kennt.

Ja, da durfte mal jemand das komplette Arsenal bemühen, alles rauskramen, was die Trickkiste hergibt. Was indes für große Fontänen gedacht war, erweist sich angesichts der höchst bemühten Bildungshuberei allenfalls als lästiges Geplätscher. Es fehlt der Druck. Insofern ist das anfängliche Bild von der ausgelaufenen Waschmaschine kein gänzlich falsches.

In der zur Beihandlung degradierten Hauptgeschichte geht es derweil um einen Lehrer, der eine Achtjährige kidnappt, um seiner unfruchtbaren Frau eine Freude zu machen. Gemeinsam betüdeln sie die Kleine in einem Verließ hinter der Kellersauna. Sie spielen sehr unzulänglich und mit sehr albernen Masken Familie. Derweil sorgen sich die wahren Eltern um ihr Kind. Natürlich sind es keine normalen Eltern, sondern Angehörige einer streng gläubigen Sekte, also solch einer Sekte, die man mit skurril anmutenden Gebetsversammlungen schön spektakulär in Szene setzen kann.

Als wenn das Ganze damit nicht genug over the top wäre, muss Keppler dann auch noch als Retter der verlorenen Hoffnung des Vaters herhalten. Er holt ihn vom Dach, auf dem er sprungbereit steht. Keppler als Heiland. Spätestens in der Szene fragt man sich, ob die beim „Tatort“ noch alle Lichter anhaben.

Natürlich kann man Krimi und Bühne kreuzen. „Im Schmerz geboren“, der große Tukur-„Tatort“ hat vorgemacht wie das geht, wie man Tragödie zur großen Television veredeln kann. Da hat es geklappt.

In Leipzig klappt indes fast nichts. Alles wirkt wie Versuch. Man kann das prima anschauen, wenn man auf Fernseheintopf steht oder wenn man in der Lage ist, den Versuch, etwas anders zu machen, für die Tat nimmt.

Wenn man das nicht kann, sieht man indes nur eine ausgelaufene Waschmaschine. Und die will 90 Minuten nicht aufhören zu tropfen.