Bei diesem „Tatort“ muss man zuallererst auf die Macher verweisen. Auf Michael Proehl, der das Buch schrieb, und auf Florian Schwarz, der Regie führte. Beide gemeinsam waren für den epochalen Tukur-„Tatort“ „Im Schmerz geboren“ verantwortlich, der ja bekanntlich etliche der noch verfügbaren Fernsehpreise abgeräumt hat. Die beiden wissen also, wie großes Fernsehkino geht, und sie versuchen es wieder zur Einführung eines neuen Ermittlerduos im Frankfurter Milieu.

Da ist die Psychologin Anna Janneke (Margarita Broich), die auf den von der Sitte abkommandierten alten Hasen Paul Brix (Wolfram Koch) trifft. Sie fremdelt ein bisschen, weil dieser Brix ein ziemlicher Kauz ist, der noch starke Spuren seines bisherigen Ermittlungsgebietes in sich trägt. Er kann gut Menschen ignorieren oder mit einem messerscharfen Spruch mundtot machen. Sie kann besser gucken. Erst einmal aber haben die beiden kaum eine Chance, denn ihr Vorgesetzter Henning Riefenstahl macht sehr deutlich klar, was er von ihnen hält. Weil der Vorgesetzte von Roeland Wiesnekker gespielt wird und neben Wiesnekker kaum jemand aus dem Schatten kommt, hat es das neue Duo schwer. Es tut sich ohnehin schwer, weil es als Nachfolger des von Joachim Król und Nina Kunzendorf brillant gespielten Frankfurter Duos antreten muss. Kurzum: Die Neuen haben keine Chance.

Dafür, dass sie keine Chance haben, nutzen sie diese aber ganz ordentlich. Das heißt: Nicht sie nutzen diese Chance, sondern Autor und Regisseur. Die erlauben sich allerlei dramatische und visuelle Spielereien. Wenn etwa Verdächtige ihre Aussagen machen, stehen sie plötzlich in der Kulisse, in der einst alles passierte. Und die Kommissare stehen gleich dabei. Ist bei einer Frau die Rede vom Missbrauch, läuft ihr plötzlich Blut die nackten Beine herab. Das wirkt schnell eine Spur zu spooky. Es wirkt, als hätten die Macher genug vom braven Dixieland und versuchten sich nun am Free Jazz.

Kein Wunder, dass dabei die eigentliche Handlung aus dem Fokus gerät. Eine Familie wird tot aufgefunden. Erschossen. Vater und Mutter in der Küche, der kleine Sohn im Schrank. Verschwunden sind die Tochter und ihre Nachhilfelehrerin. Der Zuschauer weiß da schon, dass die beiden in einem dunklen Verlies darben. Die Ermittler müssen das erst noch herausfinden.

Sie spielen deshalb Puzzle, sie reihen Ermittlungsstück an Ermittlungsstück, und es dauert eine ziemliche Zeit, bis sich aus den Puzzleteilchen ein höchst komplexes Gemälde ergibt, eines, das an große Schlachtfeldszenen erinnert.

Das Ganze hat ein bisschen was von Materialschlacht. Viel hilft viel. Und irgendwie ist es dann ein bisschen zu viel. Zudem hat man sich noch bei der Besetzung vergriffen. Wenn etwa Roman Knizka einen ungehaltenen Arzt mit barschem Auftreten spielt, dann weiß man sofort, dass mit dem was nicht stimmen kann, weil Knizka eben auf solche Rollen abonniert scheint. Genau deshalb ist es wenig verwunderlich, wenn er bald schon ins Visier der Fahnder gerät.

Das ist alles sehr fein erdacht, und die gute Absicht ist permanent spürbar. Allerdings fehlt ein bisschen die klare Linie, an der die Zuschauer sich durch die Handlung hangeln können.

Am Schluss schließt irgendwer einen Leichensack. Der Fall ist gelöst, aber das scheint weniger wichtig. Bedeutender ist, dass die beiden Neuen zusammengefunden haben. Die ein bisschen zu oft zu deppert dreinblickende Psychologin und der mürrische Kollege finden zusammen, und so wie Margarita Broich und Wolfram Koch spielen, haben sie durchaus eine Chance, künftig gegen Wiesnekker und auch gegen allzu konstruierte Fälle anzukommen. Am Schluss bleibt ein Hoffnungsschimmer, und das ist immerhin etwas, das man nicht von allen „Tatort“-Folgen sagen kann.