Man müsste mal einen Film drehen über Flüchtlinge aus Afrika, die in Europa Asyl beantragen. Man müsste mal einen Film machen über deren Elend, in dem zu sehen wäre, wie sie gezwungen werden, Drogen zu verkaufen. Man müsste mal einen Film machen über die Ursachen der Flucht in Afrika, über korrupte Staaten, über geschändete Natur. Man müsste mal einen Film machen über Junkies in europäischen Städten. Und einen über Rassisten, offene und versteckte. Über hartherzige Beamte in Migrationsbehörden, die Jugendliche abschieben, sobald sie 18 werden. Über Schlepperbanden, über Polizeichefs, die immer alles besser wissen und versuchen, jede vernünftige Ermittlung zu behindern. Man müsste den Film „Schutzlos“ nennen.

Man müsste. Man müsste. Man müsste vor allem darauf achten, dass man nicht der Versuchung erläge, all diese Probleme in einem Film abzuhandeln. Genau das ist das Problem dieser letzten „Tatort“-Episode vor der Sommerpause. Dieser Film will alles und zwar sofort. Deshalb tut er alles. Alles in einem Film.

Reto Flückiger hat Probleme mit seinem Kopf. Der Kommissar, der auf dem Vierwaldstätter See lebt, hat immer wieder Visionen. Migräne sagt der Arzt, aber das will der Kriminale nicht glauben. Schließlich hat er einen Fall zu lösen. Ein Asylbewerber ist tot. Erstochen. Der Zuschauer weiß da bereits, dass der Tote vorher Zeuge eines Überfalls auf eine Drogenbande war, dass er selbst drogensüchtig war, dass er einen Schlag vor die Stirn erhielt. Mit einer Pistole.

Flückiger und seine Kollegin Liz Ritschard tauchen ein in den Luzerner Drogensumpf, in die Asylbewerberszene, wo alle traumatisiert wirken. Damit das auch dem letzten Zuschauer deutlich wird, gibt es Erklärungen. Meist im Gehen. Vorne marschiert dann jemand, der sagt, wie es ist, und hintendran dackeln die Zuhörer. Man erfährt etwas über den herzlosen Schweizer Staat, der nur darauf zu lauern scheint, dass er minderjährige Asylsuchende abschieben kann, sobald sie 18 Jahre alt sind.

Dieser Schweizer „Tatort“ hat von allem zu viel. Zu viele Problembereiche, zu viel Personal, das auseinanderzuhalten wäre. Möglicherweise entsteht solch eine verwirrende Fülle, wenn man zu viele Autoren beschäftigt und dann trotzdem die präzise Zeichnung der einzelnen Figuren vernachlässigt. Fünf Autoren haben an diesem Stück mitgeschrieben, der Regisseur Manuel Flurin Hendry inklusive. Es scheint, als habe keiner der Beteiligten von seinen Ideen Abstand nehmen wollen, als hätten es alle Geistesblitze ins Drehbuch geschafft. Und dann noch jene Sätze, die wie Anklagen klingen. „Für euch ist doch jeder Schwarze ein Krimineller“, sagt die weiße Bandenchefin, und der Mann von der Drogenfahndung hat Verständnis, dass so viele aus Afrika fliehen. „Wenn der Staat dort unten nicht so im Arsch wäre, würden doch nicht alle zu uns kommen“, sagt er.

Ja, man müsste das alles mal verfilmen, haben sich die Autoren gedacht. Und dann kam irgendwer noch auf die Idee das ganze Schlamassel mit einer Musik zu unterlegen, die in südamerikanischen Gefängnissen wahrscheinlich problemlos als Folterinstrument dienen könnte. The Notwist und Beat Solèr zeichnen dafür verantwortlich, dass dauernd etwas zu hören ist, das klingt, als streiche jemand mit feuchten Finger über Glasränder. Dauernd. Nicht nur mal.

Dieser Film ist eine einzige Qual. Wer die Wahl hat, an diesem Sonntag etwas anderes zu tun, sollte das tun. Es könnte das Leben besser machen. Aber wahrscheinlich ist das Ganze auch nur eine sehr nette Maßnahme der „Tatort“-Planer. Die haben den grottigsten „Tatort“ des bisherigen Jahres einfach auf den Termin vor der Sommerpause gesetzt, damit alle befreit sagen: Jau, das reicht jetzt aber auch erst mal mit frischem „Tatort“. Wir sehen uns im September wieder.