Das Timing ist herausragend. Gestern ist sie gestartet, die Wiesn, das Oktoberfest, das im September beginnt und allen ein Forum bietet, die auf Druckbetankung in dröhnendem Lärm und schlecht behaupteter Tradition stehen. Man muss sich das Oktoberfest in etwa vorstellen wie einen Formel-1-Stopp an einer Ballermann-Garage. Schnell muss es gehen und dröhnen muss es, damit Millionen abgestumpfte Menschen etwas empfinden, das man nur in Bayern Spaß nennen kann.

Es ist zu verstehen, dass Kommissar Leitmayr diesem Wahnsinn entfliehen möchte. Ihn drängt es nach Italien. Urlaub. Vorher aber fällt ihm noch ein Betrunkener in der U-Bahn auf. Leitmayr will helfen, entscheidet sich dann aber doch, seine Bahn nicht zweimal zu verpassen. Als er schließlich mit dem Zeichenblock in idyllischer Landschaft sitzt, klingelt sein Handy. Sein Kollege Batic ist dran. Der Betrunkene aus der U-Bahn ist tot. Aber er war gar nicht wirklich betrunken. Irgendjemand muss ihm auf der Wiesn Drogen in die Maß geschüttet haben. Zu viele Drogen.

Es entspinnt sich ein kriminalistisches Kleinklein. Verdächtige werden überprüft, befragt und wieder heim geschickt, und gleichzeitig sitzt den Kriminalen eine resolute Zeltwirtin im Nacken, die um ihr Millionengeschäft fürchtet. Sie weiß, dass es nicht gut ist, wenn immer wieder junge Männer ohnmächtig von den Bänken fallen. Eigentlich ist so etwas auf der Wiesn der Normalfall, aber es häufen sich die Fälle, in denen die Männer Liquid Ecstasy im Blut haben, meist mehr als sie vertragen können. Wer hat ihnen das nur ins Bier geschüttet?

Regisseur Marvin Kren inszeniert dieses Stück Ermittlerarbeit nach einem Buch von Stefan Holtz und Florian Iwersen, die den Fall offenbar komplizierter erscheinen lassen möchten als er letztlich ist. Darauf deutet zumindest die Fülle der Nebengeschichten hin. Da ist etwa der Vorgesetzte, der sehr offenbar Alkoholprobleme hat, da bekommt Batic Besuch von drei kroatischen Tanten, von denen sich eine irgendwann sturzbetrunken auf der Wiesn-Wache wiederfindet, und der aus dem Urlaub zurückbeorderte Leitmayr hat Probleme, ein Quartier für die Nacht zu finden, weil er seine Wohnung an zwei feierwütige Mädchen vermietet hat. Also nächtigt er bei einer Wiesn-Kellnerin, die in just jenem Zelt arbeitet, in dem den Feierbiestern die Drogen zugesetzt werden. Das führt natürlich zu einem respektablen Anschiss durch den Kollegen und macht die Sache unnötig kompliziert.

Kompliziert genug ist sie nämlich ohnehin, auch weil die Regie viel zu viele Szenen ins nächtliche Dunkel packt und den Zuschauer mehr erahnen denn miterleben lässt.

Während die Hauptgeschichte den Rausch meist nur behauptet, liefert Kameramann Moritz Schultheiss die Zutaten zur eigentlichen Party. Er komponiert tolle Bilder vom Fest. Er zeigt eine Totale, wo andere mitten im Gewirr der Menschen Nähe suggerieren würden. Er liefert eine wunderbare Draufguckperspektive, aus der das ganze Spektakel wie jene Zuckergusswelt wirkt, die es nach dem Willen der touristischen Legendenbilder sein soll. Das kontrastiert wunderbar mit den hochgradig promillierten Lederhosenträgern auf den Bierbänken, die sich in ihrem betrunkenen Seppldasein fühlen wie die Herren der Welt, obwohl sie doch, und genau das beweisen die wunderbaren Bilder, nur kleine Käfer auf einem riesigen Misthaufen sind.

So ist dieser „Die letzte Wiesn“ genannte „Tatort“ weniger ein spannender Kriminalfall, sondern vielmehr ein Sittenbild der bajuwarischen Massenabfertigung, die sich als Feierkultur tarnt. München geht ein paar Wochen über Leichen. Über Alkoholleichen halt. Die Ernüchterung kommt am Ende, wenn es dem armen Leitmayr förmlich das Herz zerreißt. Danach ist er wirklich urlaubsreif.