Bevor man diesen zweiten neuen „Tatort“ aus der Hauptstadt schaut, sollte man dringend mal in die Mediathek gehen und sich dort die Premiere des neuen Berliner Ermittlerduos anschauen. In „Das Muli“ geht es um aufgeschlitzte Drogenkuriere, aber auch um den undurchsichtigen Kommissar Karow (Mark Waschke), der seiner von Meret Becker gespielten neuen Partnerin Nina Rubin zugeteilt wird. Karow ist in jeder Hinsicht verdächtig, weil er am laufenden Band Alleingänge unternimmt und dann auch noch im Verdacht steht, seinen ehemaligen Ermittlungspartner ermordet zu haben. Am Ende sieht vieles nach einer Lösung aus, aber dann wird ein Zeuge von einem Heckenschützen niedergemäht. Man sollte das alles parat haben, wenn man „Ätzend“ sehen will. Sonst hat man den halben Film damit zu tun, die Dinge zu ordnen.

Es ist ja gut und schön, dass sich die ARD nun auch der Qualität des horizontalen Erzählens widmet. Die gute Absicht wird indes konterkariert, wenn der Anschlussfilm erst acht Monate später auf den Schirm kommt und die Zusammenfassung zu Beginn der neuen Episode eher Verwirrung stiftet als Aufklärung. Das ist sehr, sehr ärgerlich und wird auch nicht dadurch gemildert, dass beim RBB am Montag „Das Muli“ wiederholt und dann in die Mediathek eingestellt wurde.

Beschädigt wird dadurch ein Film, der durchaus sehenswert ist, wenn man sich denn erst einmal durch den Dschungel der Handlungsstränge gekämpft hat. Dann kann man schnell merken, dass die vordergründige Geschichte eigentlich zweitrangig ist, dass es vielmehr erneut darum geht, die beiden Kommissare zueinander zu bringen, zu zeigen, wie sie sich trauen, misstrauen und dann wieder trauen, bevor am Schluss irgendwie alles den Bach herunter geht. Lange ist ein „Tatort“ nicht mehr so trist geendet wie dieser.

Vordergründig geht es um zwei Leichen, die auf einer Baustelle gefunden werden. Die eine in einem Säurefass, die andere mit einem Loch im Kopf. Das Loch wurde gerissen von einer Kugel derselben Bauart, die auch einst Karows Partner den Kopf kostete. Die Leiche im Fass wird anhand eines Herzschrittmachers identifiziert. Zur Verblüffung erhalten die Kommissare allerdings die Meldung, dass der Mann, dessen Herz einst mit dem Gerät auf die Sprünge geholfen werden sollte, lebt. Er arbeitet in einem Dentallabor und muss sich die Sorgen seiner hochschwangeren Frau anhören.

Es wirkt ziemlich verworren, was sich Stephan Wagner und Mark Monheim da ausgedacht haben. Wagner ist die Konstante im Team, denn er schrieb auch schon beim ersten Film mit und führte Regie. Die hat er diesmal an Dror Zahavi abgegeben, weil der sich ja bekanntlich auskennt mit gescheiterten Existenzen in spröden Teams. Zweimal schon hat er das Dortmunder „Tatort“-Team betreut, und auch die wegen zu viel Brutalität vom Sendeplatz vertriebene Kölner Folge, in der die Assistentin Franziska stirbt, hat er auch auf dem Fleißkärtchen stehen.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang besonders Kameramann Gero Steffen, denn wie schon den ersten Teil, präsentiert er auch diesen sehr bildgewaltig. Berlin ist eine großartige Kulisse, unten in den Straßen und oben über den Dächern, ob grell-farbig oder beinahe grau-monochrom.

In diesem Erlebnisraum agieren die Ermittler. Mark Waschke schafft es in diesem Teil, seinem Kommissar Karow ein wenig mehr Profil zu geben, sein starres Äußeres ab und an mal in die Nähe einer Entgleisung zu manövrieren, ja sogar so etwas wie die Ahnung eines zweiten Gesichtsausdrucks ins Spiel zu bringen.

Die Sensation ist aber nach wie vor Meret Becker. Wie sie ihre Nina Rubin anlegt, das hat richtig Klasse. Penibel arbeitet sie deren Verlorenheit heraus, das Zerrissensein zwischen Job und Familie. In beiden Welten läuft es nicht rund, und wenig deutet darauf hin, dass es irgendwann mal besser würde.

Becker rettet diesen Film, holt ihn heraus aus seinen verworrenen Momenten und gibt ihm dadurch so etwas wie eine Perspektive, den Hauch einer Ahnung, dass demnächst aus Berlin noch mehr kommt als nur die pure Hoffnungslosigkeit.