Klaus Wowereit beschäftigte sich gerade mit dem momentanen Höhenflug der Piratenpartei als das Fernsehpublikum erst Geschrei aus dem Hintergrund hörte und dann die Blicke der Politiker in Richtung Publikum beobachten konnte. Was genau vor der Bühne, also hinter den Kameras, passierte, war zunächst nicht zu erkennen. Doch den besorgten "Vorsicht, Vorsicht"-Rufen von Grünen-Politikerin Renate Künast folgend, konnte man erahnen, dass die Securitys den Mann aus dem Studio beförderten. Für wenige Sekunden zeigte die Kamera dann auch, wie mehrere Sicherheitskräfte ihn aus dem Studio zerrten. Jauch reagierte unmittelbar, stürmte von der Bühne runter und musste sich jedoch erstmal gegen die Rufe des Störenfriedes durchsetzen. Er wandte sich an seine Mitarbeiter: "Tschuldigung, tschuldigung. Halt, halt, halt. Moment, Moment. Tschuldigung, tschuldigung. Holen Sie den Mann bitte zurück, hier wird keiner einfach aus der Sendung - wie in der Ukraine - rausgehauen." Mit der Frage "Wissen Sie, was der Mann will?" an seine Berliner Polit-Gäste kehrte Jauch dann auf die Bühne zurück. Klaus Wowereit, Berlins Regierender Bürgermeister, klärte die undeutlichen Protestschreie auf: Der Zuschauer habe sich wegen des Streits über den Neubau der Berliner Schauspielschule "Ernst Busch" empört. Es folgt eine kurze Debatte über dieses Anliegen.

Jauch jedoch war in Gedanken woanders, sorgte sich weiter um den Umgang mit dem Störenfried. Er unterbrach das Gespräch auf der Bühne: "Trotzdem möchte ich sichergestellt haben, dass der Mann hier nicht im Schwitzkasten von drei Leuten rausgeführt wird. Können sie sich bitte kümmern, dass mit dem vernünftig umgegangen wird und dass der hier wieder frei rumlaufen kann." Als der Mann in Begleitung eines Sicherheitsmitarbeiters kurz darauf wieder das Studio betrat, gab es Applaus im Publikum. Jauch unterbricht erneut die entbrannte Diskussion über das lokalpolitische Berliner Thema auf der Bühne und hielt dem Störenfried eine Standpauke: "Ich möchte trotzdem eins sagen. Es kann nicht Sinn der Sache sein, dass irgendjemand sich hier rein setzt und dann das, was er gerne in der Sendung verhandelt haben möchte, was aber nicht Gegenstand der Sendung ist, dass das im Grunde dann so mit Gewalt reingedrückt wird. Ihnen soll keine Gewalt angetan werden, aber wir können auch nicht auf diese Weise dann das Thema hier besprechen. Interessiert unter Umständen in Berchtesgaden, Flensburg oder Köln auch nicht so furchtbar viele Leute."



Mit dieser souveränen Reaktion erntete Jauch bereits unmittelbar nach der Sendung sehr viel positives Feedback. Und mancher Fernsehzuschauer fühlte sich an einen Vorfall in den 80er Jahren bei "Wetten, dass..?" mit Frank Elstner erinnert. Als damals mehrere Männer einen Protest auf der großen Showbühne vortragen wollten und darauf hin aus der Halle gedrängt wurden, ging Elstner dazwischen und argumentierte ebenso wie Jauch am Sonntagabend: Niemand werde in seiner Show rausgeworfen. An der schnellen und kompromisslosen Reaktion der Sicherheitskräfte gab es vereinzelt Kritik. Doch sie haben das getan, was von ihnen erwartet wird. Es waren neben den Securitys der Produktionsfirma übrigens auch Personenschützer von Klaus Wowereit, wie eine Sprecherin der Sendung noch am Sonntagabend mitteilte. Günther Jauch selbst sieht den Vorfall am Morgen danach recht gelassen. "Das sind eben die Risiken einer Live-Sendung", sagte er gegenüber DWDL.de. Ein weiteres Gespräch mit dem Störenfried gab es nach der Sendung nicht. Weitere Konsequenzen muss er jedoch nicht fürchten. Jauch: "Wir wurden gefragt, ob wir Anzeige erstatten. Darauf haben wir verzichtet."