Anfang der Woche rückte Dominik Wichmann, der seit eineinhalb Jahren schon als stellvertretender Chefredakteur an Bord war, beim "Stern" zum gleichberechtigten Chefredakteur neben Thomas Osterkorn und Andreas Petzold auf, im Mai wird er sie endgültig beerben. In einem großen "Zeit"-Interview, das in der kommenden Ausgabe an diesem Donnerstag erscheint, geht er nun mit dem aktuellen Zustand des "Stern" - und damit auch seinen Vorgängern - mit deutlichen Worten ins Gericht. Wichmanns Befund: "Die Marke glänzt nicht."

Die Erwartungen der "Stern"-Leser seien sehr hoch und würden dereit nicht gut genug erfüllt. "Sonst hätten wir eine höhere Auflage und ein besseres Image", so seine trockene Analyse. Um das wieder zu ändern müsse der "Stern" wieder eine klare Haltung entwickeln. Eine Zeitschrift müsse die Zeit abbilden, in der sie existiert. Nach dem Krieg habe der "Stern" seine Leser entlastet, später die Sehnsucht nach dem Ausbruch aus der formierten Gesellschaft zum Ausdruck gebracht. "Wir müssen heute fragen: Was sind die Metathemen?" In diesem Zusammenhang wird man auch einen alten Claim wieder aufgreifen. Künftig heißt es "Was uns bewegt." in Anlehnung an das einstige "Der Stern bewegt."

Der "Stern" müsse wieder leidenschaftlicher werden, müsse eine "Modernität verkörpern, die nicht als bedrohlich empfunden wird" und "das Leben lieben". "Wenn ich mir das aktuelle Heft anschaue, dann tun wir das nicht konsequent genug", so Wichmann in der "Zeit". Konkret will er "wieder mehr Wert auf das Erzählen in Bildern legen, auf Interviews und Augenzeugenberichte", weil das "die wärmeren, empathischeren, unmittelbareren Ausdrucksformen" seien. "Print darf den Leser nicht kalt lassen." Deswegen wolle er "Opulenz. Tempowechsel. Temperaturwechsel."

Auch optisch soll das Heft aufgeräumt werden. "Ich bin mit der Art-Direktion ins Archiv gestiegen, und wir haben in alten 'stern'-Ausgaben geblättert und sind in den späten achtziger Jahren fündig geworden. Dort ist die DNA der Marke besonders gut erkennbar. Dort liegt die Quelle, von der die Reform ihren Ausgangspunkt nehmen wird." Die Zeit des "anything goes", als das Desktop-Publishing und die Gestaltung am Computer aufkam, habe dem "Stern" weder inhaltlich noch optisch gut getan. Der erste runderneuerte "Stern" soll spätestens im April erscheinen.

Auch wenn sich das alles nicht nach großem Lob für seine Vorgänger anhört, hat er für Thomas Osterkorn und Andreas Petzold auch warme Worte übrig. Sie hätten die Marke durch zahlreiche Ableger enorm verbreitert und zudem nun die Größe, loszulassen und den Übergang auch noch selbst zu begleiten. "Osterkorn hat einmal gesagt: Ich sehe manche Dinge wirklich anders als du, aber ich habe dich geholt, damit du es anders siehst."