Vorfälle bei Sendungen aus den Jahren 2013/2014

Zwischen Januar 2013 und dem Beginn der internen Untersuchung im Juli 2014 wurden 110 Ranking-Sendungen vom NDR ausgestrahlt. 30 Sendungen waren dabei Erstausstrahlungen, bei denen in zwei Sendungen die Redaktion die Voting-Ergebnisse nicht 1:1 umgesetzt hat.

  • Bei „Die schönsten Mühlen Norddeutschlands“ war ein Vorschlag irrtümlich in das Online-Voting aufgenommen worden und hatte 89 Stimmen erhalten. Es handelte sich hierbei um ein Museum, in dem Mühlen nachgebaut worden waren und nicht um historische Einzelmühlen. Dies war der Redaktion erst nach Abschluss des Online-Votings aufgefallen. Der Vorschlag wurde deshalb für die Abbildung in der Sendung gestrichen.
  • Bei der Sendung „Die schönsten Gärten und Parks des Nordens“ wurde der Elftplatzierte „Planten un Blomen“ aufgrund besseren Bildmaterials bei sieben Stimmen Abstand zum Nächstplatzierten (Rhododendronpark Ammerland) auf Platz zehn vorgezogen. Der Rhododendronpark Ammerland war damit nicht mehr Teil der Sendung.

Zusätzlich wurde in den Jahren 2011, 2012 und 2013 beim Finale der Ranking-Show „Top Flops Gala“, der einzigen moderierten Ranking-Sendung des NDR, durch die Moderatoren der Eindruck erweckt, dass die Reihenfolge in der Finalshow durch die Zuschauer bestimmt worden sei. Richtig sei jedoch, so der NDR heute, dass die Zuschauer zwar in mehreren Vorauswahl-Shows die Finalteilnehmer gewählt haben. Deren Reihenfolge innerhalb der Finalshow wurde jedoch von der Redaktion bestimmt. Auch im Radio übrigens seien bei musikalischen Rankingshows Korrekturen durch die Redaktion vorgenommen, so das Ergebnis der Untersuchung der Radioprogramme des NDR. Das jedoch ist seit Jahrzehnten üblich, weil es hier immer wieder durch Fangruppen aber auch Plattenfirmen selbst zur versuchten Manipulation von außen kam.

Dennoch: Der NDR bedauert zunächst ausdrücklich, dass man die Änderungen an den Votings nicht transparent gemacht habe. Dies sei ein Fehler gewesen. "Ich halte die festgestellten Fälle für nicht hinnehmbar, vor allem auch weil sie nicht transparent gemacht wurden, selbst wenn sie im Einzelfall in ihrer Tragweite überschaubar erscheinen mögen. Wir werden zukünftig alles dafür tun, selbst geringfügige Abweichungen zu vermeiden und offen darzulegen, wenn sie im Ausnahmefall redaktionell geboten sind. Deshalb haben wir vorläufige Leitlinien zum Umgang mit Online-Votings entwickelt, die wir noch mit unseren Gremien beraten werden. Zudem sollen Online-Votings im NDR künftig restriktiver eingesetzt werden", erklärt NDR-Intendant Lutz Marmor in einer Stellungnahme am Freitag.

Auch die Fernsehdirektion des NDR betont, dass Ergebnisse von Online-Votings künftig zu respektieren seien, selbst wenn die Beteiligung gering ist und die Unterschiede zwischen den Platzierungen marginal. Wenn in seltenen Fällen wichtige Gründe für eine Korrektur sprechen, müsse dies transparent gemacht werden. Nach DWDL.de-Informationen will der NDR künftig außerdem über alternative Grundlagen für Rankingshows nachdenken und zudem auch bei der Auswahl von Themen für solche Sendungen deutlich restriktiver sein. Das erscheint angesichts manchem an Banalität nicht zu überbietenen Ranking sinnvoll. Personelle Konsequenzen gebe es nach der internen Untersuchung allerdings nicht, so der NDR am Freitag auf Nachfrage.

Doch ohnehin sind es nicht die im Einzelfall furchtbar banal erscheinenden Abweichungen, die für den NDR peinlich sind. Die interne Untersuchung zeigt viel mehr, dass diese bei mehreren öffentlich-rechtlichen Sender beliebte Form von Rankingshows dann absurd wird, wenn nur wenige hundert Stimmen abgegeben werden. Die Dramaturgie solcher Sendungen ergibt sich demnach aus völlig irrelevanten Online-Rankings. Und wie kann es eigentlich sein, dass der NDR Rankings verändert, weil kein passendes Bildmaterial aus dem eigenen Sendegebiet vorliegt? Wenn es zu viel Aufwand ist, ein Kamerateam loszuschicken, um einen Park zu filmen, sagt das viel aus über die Wertigkeit dieser Sendungen. Gleiches gilt für angeblich nicht verfügbares Bildmaterial von Loriot bzw. Vicco von Bülow. Mag ein Rechtsstreit auch die Verwendung von Ausschnitten aus seinen Werken verhindern, so gab es genügend Auftritte in NDR-eigenen Sendungen.

Am Ende mag die Manipulation von mehreren Voting-Ergebnissen zwar angesichts des ZDF-Skandals auch beim NDR hohe Wellen schlagen. Doch die interne Untersuchung der Ranking-Shows offenbart viel mehr, nämlich die Gehaltlosigkeit dieser Art öffentlich-rechtlicher Fernsehunterhaltung - angesichts minimaler Zuschauerbeteiligung und der Faulheit von Redaktionen, die lieber manipulieren als passendes Material zu besorgen. Soll man also lachen oder weinen über diese vom NDR immerhin aktiv kommunizierte Untersuchung? Vielleicht ist es am Ende einfach ein großes Kopfschütteln über den NDR, der allerdings nicht als einzige ARD-Anstalt gerne auf diese Programmfarbe setzt. Ob WDR und HR auch schon prüfen?

Eine weitere Frage aber bleibt ebenfalls noch unbeantwortet: Wie zum Teufel kommt man als öffentlich-rechtlicher Rundfunk eigentlich ernsthaft auf die Idee, norddeutsche Seen nach dem Kriterium der Spannung zu sortieren?

Update, Freitag 16.45 Uhr: Der Vorstand des NDR-Rundfunkrates habe sich in einer Telefonkonferenz am Freitag kritisch mit den Ergebnissen zu Online-Voting-Sendungen im NDR auseinandergesetzt, heißt es in einer weiteren Mitteilung. Ute Schildt, Vorsitzende des NDR Rundfunkrats: "In einigen Fällen sind wichtige Grundsätze missachtet worden, und mehrmals mangelte es an der nötigen Sorgfalt. Das ist so nicht hinnehmbar. Die vom Intendanten angekündigten Regeln zum Umgang mit Listing-Formaten im NDR sind ein richtiger Schritt zur Gewährleistung der Qualitätsstandards in diesem Bereich."

Anzuerkennen sei, so Ute Schildt weiter, dass das Resultat Ergebnis einer Untersuchung sei, die der Intendant frühzeitig in Auftrag gegeben hat. Die Vorsitzende des Rundfunkrates kündigte in Abstimmung mit ihren Vorstandskolleginnen und -kollegen an, noch im August in einer erweiterten Vorstandssitzung mit dem Intendanten und den für das Programm verantwortlichen Direktoren zu beraten, wie die Transparenz auf diesem Gebiet verbessert werden kann, um einem möglichen Vertrauensverlust entgegenzuwirken. Diese Beratung soll der Vorbereitung der Rundfunkratssitzung im September dienen, auf der notwendige Handlungsregeln beraten und beschlossen werden sollen.