Unvermeidlich waren auch beim Edinburgh TV Festival die bekannten Plattitüden, wenn Fernsehmacher über die wachsende Herausforderungen sprechen, junge Zuschauer für sich zu gewinnen. Eine pünktlich zum Festival veröffentlichte Studie über die TV-Nutzung in Großbritannien dokumentiert in den vergangenen drei Jahren einen spürbaren Absturz in der Reichweite der UK-TV-Nachrichten bei den 16- bis 34-Jährigen. Wie also reagieren die Macher der größten TV-Nachrichten? „Wir müssen dahin gehen, wo unsere Zuschauer sind“. Gemeint ist der schön klingende aber meist naive Gedanke, dass etablierte Nachrichtenmedien bloß Apps und Sendungen on demand zur Verfügung stellen müssten und schon würde man junge Zuschauer erreichen.

Theoretisch ja, praktisch jedoch gibt es da natürlich keinen Automatismus. Das Argument ist auch deshalb zu bequem, weil es nicht inhaltlich ist. Doch es gab noch mehr Beruhigungspillen. Vertreter von Sky News, ITV News und BBC nehmen an, dass sich das Fernsehverhalten einer jeden Generation ändert, wenn man sich erst einmal häuslich niedergelassen und/oder Familie gegründet hat. Ein Argument, dass allein schon durch immer vielfältigere Lebensentwürfe an Aussagekraft verliert - und wieder einmal sehr bequem wirkt. Von der albernen Annahme, dass neue Möglichkeiten des Nachrichtenkonsums mit fortschreitendem Alter zugunsten des Fernsehens wieder an Bedeutung verlieren, mal ganz abgesehen.

Ein Stachel in der Debatte war Kevin Sutcliffe, Head of News Programming EU bei Vice. Der Umgang mit dem neuen Wettbewerber wirkt immer noch beschämend ignorant. Da findet jeder die nötigen netten Worte über die ungewöhnliche, persönlichere Art der Berichterstattung von Vice - und holt im Nachsatz zur nett verpackten Fundamentalkritik aus. Diese Art der Berichterstattung, z.B. aus dem Inneren von ISIS, laufe Gefahr, durch die Beteiligung des Berichterstatters unkritisch und unausgewogen zu werden. Ein differenzierteres Bild lieferte Dorothy Byrne. Sie ist Head of News & Current Affairs beim halb öffentlich-rechtlichen Channel 4. Der Erfolg von Vice könne ein ermutigendes Signal sein.

„Es gibt die große Leidenschaft die Welt zu verstehen. Und anders als all die Jahre erzählt wurde: Junge Zuschauer mögen längere Stücke. Es gibt keinen Mangel an Aufmerksamkeit für Reportagen und Dokumentationen“, so Byrne. Und sie konkretisiert aus eigener Erfahrung die Herausforderungen mit jüngeren Zuschauern: „Sie interessieren sich überproportional für internationale Nachrichten, aber immer weniger für Inlandsnachrichten.“ Dahinter stehe vermutlich der Wunsch die Welt zu verstehen, aber nicht notwendigerweise das tägliche Politgeschäft. Es gebe bei jüngeren Zuschauern den Willen das große Ganze zu verstehen, ohne sich mit jeder Sau beschäftigten zu wollen, die durchs Dorf getrieben wird. Eine Erkenntnis mit der man arbeiten könnte - auch wenn es für gewisse Formen der Nachrichtenvermittlung unbequeme Folgen haben würde.

Doch es sind ja nicht nur Nachrichten, mit denen die Fernsehsender das junge Publikum auf dem klassischen Weg zunehmend schwieriger erreichen, es trifft auch ganz allgemein auf alle Inhalte zu. Die Diskussion zum Thema "Desperately Seeking 16-34s" - so die Definition der ganz jungen Zielgruppe in Großbritannien - brachte allerdings nicht wirklich viele neue Erkenntnisse. Ganz interessant war sie gerade auch aus deutscher Sicht aber, weil es vor allem um den Schritt der BBC ging, das Budget ihres jungen Senders BBC 3 radikal zusammenzustreichen und ihn als klassischen Sender aufzugeben und die Inhalte nur noch im Web zu verbreiten - in einer Zeit, in der ARD und ZDF gerade noch von der Einrichtung eines Jugendkanals als Teil eines trimedialen Jugendangebots träumen.

Als völlige Fehlentscheidung und Preisgabe der Zukunftsfähigkeit wurde das auch in Edinburgh von vielen wieder gegeiselt - und trotzdem kam Ben Cooper, der als Chef von Radio 1 die BBC auf dem Panel vertrat, erstaunlicherweise am Progressivsten rüber. Denn während die Konkurrenz von Channel 4 oder Sky noch darauf verwies, dass man mit der Abschaltung des linearen Kanals einen Teil der Gebührenzahler vernachlässige, konnte Cooper auf die Binsenweisheit verweisen, dass junge Zuschauer das gewünschte Programm doch ohnehin auf Handys, Tablets, Computern, Spielekonsolen etc. konsumieren. Die Idee, bei Serien eine Woche auf die Ausstrahlung der nächsten Folge zu warten und diese dann zu einer vorgegebenen Zeit zu schauen, wirke auf die junge Generation doch geradezu fremdartig.

Die Diskussion, ob die BBC junge Zuschauer noch erreiche, müsse daher doch ganzheitlich geführt werden. Mit seinem Radiosender BBC Radio 1 erreiche man die junge Generation jedenfalls noch immer sehr gut, mit dem iPlayer sei man technisch auch bestens aufgestellt. Dank Web könnten auch über Radio 1 die bewegten Bilder zur Zielgruppe gebracht werden. Es gelte einfach, hier die neuen Möglichkeiten noch intensiver zu nutzen - und letzlich könne die durch den Spardruck provozierte Einstellung von BBC 3 als klassischer TV-Sender der BBC auf Dauer sogar helfen, diese Entwicklung zu beschleunigen, die andere noch vor sich hätten. "Necessity is the mother of all invention", zitierte er eine bekannte Weisheit.

Letztlich komme es darauf an, die besten Inhalte zu produzieren, dann würden diese schon ihren Weg zu den Zuschauern finden, so die allgemein auch von den Vertretern von Channel 4 und Sky Atlantic geteilte Meinung. Viel diskussionswürdiger als die Verbannung von BBC 3 ins Web müsste daher doch tatsächlich die Zusammenstreichung des Budgets sein. Um 75 Prozent wird dieses gestutzt, ein Großteil fließt stattdessen BBC 1 zu. Das sei schließlich noch immer der Sender, der für den Durchschnitts-Briten mit der BBC gleichgesetzt wird, verteidigte BBC-Mann Ben Cooper diese Entscheidung. Und 20 Millionen Pfund stünden BBC 3 schließlich trotzdem noch zur Verfügung. Aber: Es ist eine Entscheidung für den Mainstream, die es der BBC bei allen wohlfeilen Worten über die Zukunft im Web nicht einfacher macht, junges Publikum zu erreichen.