In Zeiten verschärfter Verteilungskämpfe zwischen den Mediengattungen ist es nicht selbstverständlich, dass TV, Print und Online einträchtig an einem Tisch sitzen. Andererseits sind Medienforscher meist als rationale Menschen bekannt. Zum ersten Mal baten die vier wesentlichen Joint Industry Committees der deutschen Branche in München zum gemeinsamen Workshop.

Die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (agma) als Allmedia-Dach aller Gattungen, die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF), die Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung (AGOF) und die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) wollten zeigen, wie es aktuell um die Medialeistung in Deutschland bestellt ist und welche Veränderungen bevorstehen.

 

Die beiden Wörter, die dabei am häufigsten fielen, waren "Konsens" und "Einstimmigkeit". Alles, was die Währungen betrifft, in denen Reichweite gemessen und Werbung abgerechnet wird, hat viel mit Diplomatie zu tun. "In der agma kann seit 60 Jahren keine Gattung allein für sich irgendwelche Änderungen der Methodik beschließen", erklärte deren Prokuristin Gabriele Ritter. "Dafür ist immer der Konsens aller Marktpartner notwendig, was natürlich viel Zeit und Abstimmung erfordert." Neben den Medienhäusern reden stets auch die Vertreter von Werbekunden und Media-Agenturen ein gewichtiges Wort mit.

Um sich der real existierenden Konvergenz nicht länger zu verschließen, hatte die agma Ende Oktober 2014 neben ihren sechs Media-Analysen für einzelne Gattungen erstmals die "ma Intermedia PLuS" veröffentlicht, die Agenturen bei der strategischen Planung und Evaluation von Mediamix-Plänen unterstützen soll. "PLuS" steht für "Planung, Leistung und Strategie". Eingeflossen sind die Zahlen von zehn TV-Sendern, 132 Tageszeitungs-Belegungseinheiten, 206 Radiosendern, 215 Zeitschriften, 2.381 Online-Belegungseinheiten und 4.192 Plakat-Belegungseinheiten.

Zwar ist man bei der agma stolz darauf, dass insgesamt 327.639 Befragungsfälle repräsentativ für 70,5 Millionen Menschen in Deutschland stehen und dass die Studie ein Datenvolumen von 88 Gigabyte hat, doch die Resonanz der Agenturen fällt bislang eher verhalten aus. In den nächsten Monaten soll nun eine Umfrage unter den Media-Agenturen klären, ob sich die beträchtliche Anstrengung einer Intermedia-Studie künftig weiter lohnt. Bei den Einzelstudien, die wie die "ma Radio" oder die "ma Plakat" per Telefonbefragung erhoben werden, will die agma zunehmend auch Mobilnummern anrufen lassen, um jüngere Nutzer ohne Festnetzanschluss nicht auszuschließen. Die "ma Audio", die bislang online verbreitete Streams gesondert misst, soll im Herbst in die "ma Radio" integriert werden. 

Für die AGF steht neben der täglichen TV-Quotenmessung gegenwärtig der Ausbau der Videostreaming-Erhebung im Mittelpunkt. "Der Teilnehmerkreis wächst kontinuierlich", berichtete Karin Hollerbach-Zenz, Vorstandsvorsitzende der AGF, beim Münchner Workshop. Nachdem die meisten Angebote der AGF-Gesellschafter ARD, ZDF, RTL und ProSiebenSat.1 schon seit Herbst 2014 gemessen werden, kommen aktuell nach und nach alle Dritten der ARD mit ihren Streams hinzu. "Die ARD-Kollegen unternehmen eine gewaltige Kraftanstrengung, um ihre Videoplayer zu vereinheitlichen", so Hollerbach-Zenz. Noch im Laufe des ersten Quartals sollen die Online-Reichweiten auch nach Zielgruppen auswertbar sein. Im dritten Quartal soll dann erstmals ein integrierter Datensatz für lineares TV plus Videoplayer im Browser vorliegen, ab 2016 auch inklusive Mobile- und Smart-TV-Apps.

Ans Smart TV macht sich auch die AGOF ran. Laut Vize-Vorstandschef Björn Kaspring soll das AGOF-Studienmodell baldmöglichst auf internetfähige Fernseher und Set-Top-Boxen ausgeweitet werden, um auch dort die gängigen Werbeformen abzudecken. "Wir haben erfolgreich eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, die Messung befindet sich jetzt in der Testphase", so Kaspring. Außerdem ist die AGOF dabei, ihre bisher getrennten Reichweitenstudien "internet facts" und "mobile facts" zu den übergreifenden "digital facts" zusammenzuführen. Im Herbst 2014 hatte sie bereits einen Prototypen veröffentlicht, für Juli ist der erste reguläre Datensatz der "digital facts" mit verbesserter Technik geplant. Kasprings klare Erkenntnis: "Die künstliche Trennung zwischen stationärer und mobiler Internetnutzung ist bald obsolet."