Wer sich an diesem Donnerstag durch die "Bild"-Zeitung blättert, dürfte sich vor allem an ein Wort erinnern: "Nein!" So steht es in großen Lettern auf der zweiten Seite des Blattes. "Keine weiteren Milliarden für die gierigen Griechen!", fordert "Bild" und hebt die schon seit Jahren laufende und reichlich umstrittene Kampagne gegen die europäische Griechenland-Politik auf eine neue Stufe. Die eigenen Leser werden in diesem Zusammenhang dazu aufgefordert, von sich und dem Riesen-"Nein!" ein Selfie zu machen, um dem Protest Ausdruck zu verleihen. Per Mail soll das Foto danach an die Redaktion gesendet werden, mitsamt Namen und Handynummer - "für Rückfragen", wie es heißt.

"Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann sprach am Donnerstag via Twitter bereits von einer "Rekord-Teilnehmerzahl", ohne jedoch genaue Zahlen zu nennen. Die Kritik an der neuerlichen Kampagne, die die Springer-Zeitung im Vorfeld der Bundestagsdebatte über die Griechenland-Hilfen startete, folgte umgehend. "Ist das Journalismus oder kann das weg?", fragte etwa der stellvertretende "Zeit"-Chefredakteur Bernd Ulrich. Und Medienjournalist Stefan Niggemeier kommentierte süffisant: "Bei Bild hat man gestern erschrocken festgestellt, bisher viel zu sachlich über Griechenland berichtet zu haben."

Massive Kritik erntete "Bild" am Donnerstag auch vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV). "Die Griechenland-Politik der Bundesregierung kann man mögen oder ablehnen“, sagte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. Eine Kampagne, die direkten Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen wolle, verbiete sich aber mit der beschreibenden Aufgabe des Journalismus. "Dass Boulevard-Medien eine andere Sprache und einen anderen journalistischen Stil pflegen, ist selbstredend. Die Selfie-Aktion von Bild.de überschreitet aber die Grenze zur politischen Kampagne."

Diekmann konterte auf Twitter: "Politische Kampagne ist Grenzüberschreitung? Das hättet ihr mal Henri Nannen oder Augstein sagen sollen!" Der DJV nannte es indes "medienethisch bedenklich, dass ein ganzes Volk für die finanzpolitischen Fehlentscheidungen seiner Politiker diffamiert" werde. Konken: "Die Verunsicherung über die Auswirkungen der Griechenland-Krise auf Deutschland ist groß." In dieser Situation sei umfassende und kritische Berichterstattung Aufgabe aller Medien, nicht jedoch der Start einer politischen Kampagne.

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