Die Einschätzungen des Sicherheitsexperten Rolf Clement im Deutschlandfunk haben am Freitag für reichlich Kopfschütteln gesorgt. Clement, nach Angaben des Medienjournalisten Stefan Niggemeier "ein verfassungsschutznaher Mann", erzählte den Hörern am Vormittag, dass die Bundesanwaltschaft nicht gegen den investigativen Blog Netzpolitik.org ermittelt, sondern gegen Unbekannt. Das ist insofern erstaunlich, weil der Journalist Markus Beckedahl das Schreiben des Generalbundesanwalts am Tag zuvor auf Netzpolitik.org veröffentlichte. Daraus geht klar hervor, dass sowohl gegen Beckedahl und seinen Kollegen André Meister als auch gegen Unbekannt ermittelt wird.

Niggemeier hat das Gespräch in seinem Blog festgehalten: "Also, es ist zunächst einmal ein Strafverfahren gegen Unbekannt, nicht gegen Journalisten", sagte Clement demnach gleich zu Beginn des Gesprächs und ergänzte wenig später: "Die Zielrichtung dieses Verfahrens - angeregt, wie gesagt, durch den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz - ist nicht so sehr die Presse an sich, sondern ist derjenige, der uns informiert. Also sozusagen die Stufe vorher. Dass wir, wenn wir solche Informationen haben, diese verbreiten, ist sicherlich etwas, wo die Politiker und die Leute in der Administration sagen: 'Das ist euer Job, das müsst ihr machen'".

Wie Clement, der erst im Mai ein Symposium des Verfassungsschutzes moderierte, zu dieser Aussage kommt, ist unklar. Via Twitter versuchte der Deutschlandfunk die Aussagen des vermeintlichen Experten am Freitag zunächst noch mit einem Versprecher zu rechtfertigen, was angesichts der mehrfach falschen Aussagen nur bedingt Sinn ergibt. Am Nachmittag äußerte sich der Sender schließlich noch einmal zu den Aussagen. "Diesen Fehler bedauern der Deutschlandfunk und Herr Clement sehr", hieß es von Seiten des DLF. "Rolf Clement ist ein erfahrener und respektierter Kollege mit einer großen sicherheitspolitischen Expertise. Wir werden die Situation intern besprechen und Rückschlüsse für die redaktionelle Arbeit ziehen."

Wie Rolf Clement zu seiner Ansicht komme, dass nicht gegen Journalisten ermittelt wird, ließ der Deutschlandfunk am Freitag allerdings offen. Gleichzeitig betonte der Sender, "bis auf eine Ausnahme korrekt" über die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft berichtet zu haben. 

Generalbundesanwalt will Ermittlungen ruhen lassen

Inzwischen ist bekannt geworden, dass Generalbundesanwalt Harald Range die Ermittlungen gegen die Journalisten nach den teils heftigen Protesten ruhen lässt. Das erklärte Range gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Er sehe mit "Blick auf das hohe Gut der Presse- und Meinungsfreiheit" von "nach der Strafprozessordnung möglichen Exekutivmaßnahmen ab", so Range. In dem Ermittlungsverfahren sei zunächst die Frage zu klären gewesen, ob es sich bei den Veröffentlichungen um die Bekanntgabe eines Staatsgeheimnisses handelt. Dazu wurde ein externes Sachverständigengutachten eingeholt. Dies konnte seinen Aussagen zufolge nur in einem förmlichen Ermittlungsverfahren geschehen.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) begrüßte Ranges Ankündigung. "Der Schutz der Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Dieses Verfahren zeigt, wie schwierig die Abwägung zwischen Pressefreiheit und staatlichem Geheimschutz sein kann", sagte Maas. Gleichzeitig erklärte er, dem Generalbundesanwalt daran zu zweifeln, "ob die Journalisten mit ihrer Veröffentlichung die Absicht verfolgt haben, die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen". Maas weiter: "Ich habe ihm außerdem mitgeteilt, dass ich Zweifel daran habe, ob es sich bei den veröffentlichten Dokumenten um ein Staatsgeheimnis handelt, dessen Veröffentlichung die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt."

Mehr zum Thema