Die Ende 2012 in den Redaktionen von "Welt" und der inzwischen von Springer an Funke verkauften "Berliner Morgenpost" durchgeführten Durchsuchungen waren verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Freitag erklärt. Die Durchsuchung in Redaktionsräumen oder Wohnungen von Journalisten dürfe nicht vorrangig dem Zweck dienen, den Verdacht von Straftaten durch Informanten aufzuklären, erklärte das Gericht. Den Verfassungsbeschwerden von Axel Springer und einem Journalisten, der damals als Chefreporter die Polizeiredaktion der "Berliner Morgenpost" geleitet hat und heute im Investigativressort von WeltN24 tätig ist, wurde damit stattgegeben.

"Die Durchsuchungen bewaffneter Polizeibeamter waren nicht nur verfassungswidrig, sondern auch der vergebliche Versuch, Journalisten einzuschüchtern, Informanten namhaft zu machen und so unsere Recherchen zu stören", sagte Jan-Eric Peters, Chefredakteur bei WeltN24. "Es ist ein Sieg für die Pressefreiheit, dass die Verfassungsrichter das auch so sehen, Reporter und ihre Arbeit sind künftig besser geschützt." Zufrieden äußerte sich auch Carsten Erdmann, Chefredakteur der "Berliner Morgenpost": "Wir haben von Anfang an und immer wieder betont, dass die Vorwürfe gegen unseren Reporter haltlos und die Durchsuchung in der Redaktion grob unverhältnismäßig und rechtswidrig waren. Die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist ein großartiges Grundsatzurteil für alle Journalisten. Das lange Verfahren hat sich gelohnt."

Rechtsanwältin Simone Kämpfer, die den Journalisten vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten hat, betonte, dass Journalisten, die sich an die Regeln ihres Berufs halten, nicht zum Objekt einer Durchsuchung werden dürften. "Anderes gilt nur, wenn zureichende Anhaltspunkte für eine Straftat des Journalisten vorliegen", so Kämpfer. "Bloße Mutmaßungen genügen aber nicht. Dass der Durchsuchung der Redaktion der Welt-Gruppe/'Berliner Morgenpost' nichts als Mutmaßungen zugrunde gelegen hatte, stellt das Bundesverfassungsgericht sehr deutlich klar. Die Entscheidung markiert einen wichtigen Sieg für die Pressefreiheit."

Auch der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) begrüßte das Urteil. "Dieses Urteil stärkt die Pressefreiheit", erklärte eine Sprecherin. Damit würden Journalisten besser als bisher vor Einschüchterungsversuchen der Strafverfolgungsbehörden geschützt. "Freie Medien brauchen Informanten, die nicht in der Angst leben, bespitzelt zu werden, und Journalisten, die frei von Überwachung arbeiten können."

Die Privaträume und der Arbeitsplatz des Chefreporters waren im November 2012 von Beamten des Berliner Landeskriminalamtes im Auftrag der Staatsanwaltschaft  durchsucht worden. Dem Reporter wurde damals vorgeworfen, er habe einen Polizeibeamten bestochen. Im Oktober 2014 wurde das Verfahren eingestellt, weil sich der Tatvorwurf nicht bestätigt hat. Eine Beschwerde gegen das Vorgehen der Berliner Staatsanwaltschaft wurde im März 2013 vom Landgericht Berlin zunächst abgelehnt. Es entschied, dass die Durchsuchungen verhältnismäßig und mit der Pressefreiheit zu vereinbaren seien. Daraufhin hatten der Redakteur und Axel Springer gegen den Beschluss Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt.