Einige Mitarbeiter des ZDF sind offensichtlich nicht glücklich darüber, wie sich ihr Sender im Umgang mit dem Schmähgedicht von Jan Böhmermann verhalten hat. Am Donnerstag macht nun ein Brief des Redakteursausschusses in der Hauspost die Runde. Darin wird der Wunsch geäußert, Böhmermanns Gedicht wieder in die Mediathek zu stellen - "als Dokument der Zeitgeschichte", wie es heißt. Dem Medienmagazin DWDL.de liegt das Schreiben vor. Wir dokumentieren es nun im Wortlaut:

"Böhmermann vs. Erdogan
Besinnung statt Medienschleife

Wer unsere ZDF-Nachrichten und -Talkshows verfolgt, erfährt: Es gibt Menschen mit großen Problemen auf dieser Welt und in diesem Land. Wer sich im ZDF umhört, weiß: Es gibt Kollegen mit großen Sorgen - um ihre Zukunft, um unsere journalistische Qualität. Wer ZDF sieht und den Kollegen zuhört, merkt: Alle reden über Böhmermann ./. Erdogan.

Welch ein Erfolg! Als ZDF-Redakteure wollen wir Aufmerksamkeit. Wir wollen Themen setzen, Diskussionen anschieben, Bildung vermitteln. Das ist gelungen. Das Duell Böhmermann vs Erdogan beherrscht die Schlagzeilen. Themen wie Pressefreiheit und der verstaubte 'Schah-Paragraf' sind in aller Munde. Eine ZDF-Sendung bewegt Regierungschefs und ersetzt ein juristisches Proseminar. Programmauftrag erfüllt.

Der Preis ist, unter anderem, eine ZDF-Führung, der teilweise vorauseilender Gehorsam nachgesagt wird. ZDF-Redakteure, die abgenommene Filme aus der ZDFmediathek nehmen müssen; ein ZDF-Moderator, der mitsamt Familie unter Polizeischutz gestellt wird. Sowie ein fragwürdiger Staatspräsident, der sich als Opfer generieren kann.

War es das wirklich wert?

Als ZDF-Redakteursausschuss laden wir für kommenden Dienstag um 12 Uhr zu einer Diskussion über Pressefreiheit ein - u.a. mit Dunja Hayali. Die Kollegin wurde bedroht, nicht wegen performativer Schmähkritik, sondern weil sie ihrem Beruf als Journalistin nachging. Wie wir alle. Das macht uns ernste Sorgen. Für uns alle. Darum wollen wir uns kümmern.

Zu Böhmermann/Erdogan haben wir aber auch eine Meinung:

Bei Böhmermann, der "heute-show", der "Anstalt" und bei "toll" werden Politiker notorisch so angegangen, dass sie beleidigt sein könnten. Wir plädieren dafür, einheitliche Maßstäbe anzulegen, Personen der Zeitgeschichte müssen sich bitterböse Satire gefallen lassen. Wir würden es begrüßen, wenn die "Schmähkritik" vom Giftschrank wieder in die Mediathek gestellt wird. Als Dokument der Zeitgeschichte.

Der Redakteursausschuss freut sich über die klare Aussage von ZDF-Intendant Dr. Thomas Bellut, dass das ZDF weiterhin zu den Satire-Formaten und zu Jan Böhmermann steht. Die ZDF-Redakteure, die diese "Schmähkritik" abgenommen haben, sowie Jan Böhmermann konnten nach allen bisherigen Sende-Erfahrungen darauf vertrauen, das Richtige zu tun. Selbst wenn die Direktoren die Abnahme diesmal für einen Fehler halten sollten, gebührt den Kollegen in dieser zugespitzten Lage der volle Schutz des Hauses.

Dennoch hat der "Fall" Böhmermann zur Verunsicherung bei Programmachern geführt und Fragen aufgeworfen: Gegen welche Qualitätskriterien hat das Gedicht verstoßen? Wie weit darf Satire im ZDF gehen? Wir wünschen uns ein Forum, auf dem die Programmgestalter - und auch interessierte ZDF-Mitarbeiter - gemeinsam mit Verantwortlichen des Hauses darüber diskutieren können.

Dr. Michael Funken, Hubert Krech, Dr. Stefan Münker, Sprecher des ZDF-Redakteursausschusses"

Das ZDF bleibt derweil bei seinem Standpunkt, das Gedicht nicht wieder in die Mediathek zu stellen. "Es ist das gute Recht des Redakteursausschusses diese Meinung zu vertreten. Das ZDF bleibt aber bei seiner Entscheidung, das umstrittene 'Schmähgedicht' nicht mehr zu verbreiten, weil die Passage nicht den Qualitätsansprüchen und Regularien des ZDF entspricht", erklärte ein ZDF-Sprecher gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de.

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