Zum Abschluss der Münchner Medientage wurde es noch einmal kontrovers. "Bild"-Online-Chef Julian Reichelt war zum "Content-Gipfel" gekommen, um mit Kollegen wie Georg Mascolo über den Umgang mit der zunehmenden Zahl an Hass-Kommentaren in sozialen Netzwerken zu sprechen. Kontrovers wurde es vor allem, als Friedemann Karig, der aufmerksam durch die Panel-Diskussion führte, einen vermeintlichen Widerspruch in Reichelts Aussagen ausgemacht hatte. Auf Karigs Vorwurf, "Bild" nehme Hasskommentare in Kauf, um Klicks zu generieren und dadurch letztlich Geld zu verdienen, reagierte Reichelt gereizt. Der Vorwurf sei "intellektuell nicht besonders beeindruckend", schimpfte Reichelt und hatte daraufhin Teile des Publikums gegen sich.

"Glauben sie wirklich, dass sich eine mit Hasskommentaren aufgeladene Marke monetarisieren lässt?", fragte er den Moderator und machte daraufhin deutlich, dass das Löschen von Meinungsäußerungen ein "sehr schwieriger Prozess" sei, den er sich in den meisten Fälle selbst anschaue. Zuvor äußerte sich Reichelt aber durchaus selbstkritisch, als es um die Aussagekraft sogenannter "Shitstorms" ging. "Ein Shitstorm ist ein totales Medienphänomen, das seine Aufmerksamkeit und Gewicht erst durch uns erfährt. Wenn man die genau analysiert, landet man am Ende bei 70 bis 80 Geisteskranken, die hochprofessionell und mit guten Punchlines den Anschein einer Masse erwecken, die de facto nicht da ist."

Dass auf "traditionellen Plattformen" aus solchen vermeintlichen Shitstorms gerne zitiert wird, kritisierte Reichelt – und nahm "Bild" dabei ausdrücklich nicht aus. "Wenn ich mir anschaue, welche Shitstorms wirklich welche sind, dann sind sie im ganz niedrigen einstelligen Prozentbereich. Da werden dann acht anonyme Vollidioten zitiert, die absolut keine Relevanz besitzen." Hätte er Ähnliches früher gemacht, wäre er von seinem Chef rausgeworfen worden, räumte der Online-Chef der "Bild" ein. "Wir haben sehr viele Barrieren fallen lassen und haben uns auf Hass und Wut viel zu sehr eingelassen." In diesem Zusammenhang verglich er das Verhalten mancher Nutzer bei Twitter mit einer Autofahrt: "Da tut man im Schutz des Autos manchmal Dinge, die man sonst nie machen würde."

Content-Gipfel 2016© DWDL.de / Alexander Krei

Georg Mascolo, Chef der Investigativ-Einheit von WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung", wünscht sich inzwischen gar eine "Obergrenze für Unverschämtheiten", wie er mit Blick auf die zuvor gehörten Erfahrungen der Fußballkommentatorin Claudia Neumann sagte. Diese hatte im Sommer als erste Frau bei EM-Spielen am Mikrofon gesessen und im Netz viel Hass auf sich gezogen. "Mein Zuhause sind die sozialen Medien nicht. Die Ereignisse vom Sommer haben dazu beigetragen", erklärte sie bei den Medientagen München und sieht in diesem Zusammenhang auch die Berichterstatter in der Verantwortung. "Die Medien, die so etwas breit gefächert aufnehmen, machen es zu einem relevanten Thema. Da muss man fragen: Ist das denn notwendig?"

Caroline Mohr, die bei "Spiegel Online" als CvD Audience Development arbeitet, schloss sich unterdessen der Ansicht an, dass es keineswegs die Mehrheit sei, die den Hass verbreite. "Es ist eine Minderheit, die sehr laut ist. Sie dann die Masse dazu zu schweigen." In diesem Zusammenhang gehe es auch nicht darum, ob es sich bei dem jeweiligen Pöbler um einen "Bild"- oder "Spiegel Online"-Leser handle, "sondern ob er ein Arschloch ist". Mascolo brachte daraufhin das Problem sehr gut auf den Punkt: "Das Internet bietet die größte Meinungsfreiheit aller Zeiten, ist aber gleichzeitig auch die größte Kloake", erklärte der frühere "Spiegel"-Chefredakteur. "Im digitalen Zeitalter fehlen uns erkennbar ein paar Regeln." Hier seien Politik und Medien gleichermaßen gefordert.