Es ist ein Erfolg für Recep Tayyip Erdogan: Das Landgericht Hamburg hat am Freitag entschieden, dass weite Teile des Schmähgedichts von Jan Böhmermann verboten bleiben. Die Richter bestätigten eine bereits erlassene einstweilige Verfügung. Erdogans Anwälte hatten eigentlich ein Komplettverbot gefordert, dem folgten die Richter allerdings nicht. Vor dem Landgericht ging es nun noch um die Zivilklage Erdogans, die Strafermittlungen gegen Böhmermann wurden bereits vor einigen Monaten eingestellt (DWDL.de berichtete).

Die Richter stellten mit ihrer jetzigen Entscheidung fest, dass das Gedicht, das Böhmermann am 31. März 2016 im "Neo Magazin Royale" vorgetragen hat, in einigen Teilen schmähend und ehrverletzend sei. Die Richter blieben damit ihrer Linie treu, schon bei der einstweiligen Verfügung im Mai 2016 argumentierten sie so. Die Passage "Sackdoof, feige und verklemmt, ist Erdogan, der Präsident" ist demnach zulässig, einige andere ("Schrumpelklöten") allerdings nicht.

Bei der Entscheidung habe man zwischen Kunstfreiheit einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht anderseits entschieden, so das Gericht nun. "Unter Berücksichtigung des vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maßstabes müsse der Kläger die untersagten Passagen nicht mehr hinnehmen. Zwar erkenne der Zuschauer, dass beispielsweise die in das Absurde gewendeten Beschreibungen des Sexuallebens des Klägers keinen realen Bezug hätten, aber Beleidigungen oder Beschimpfungen müsse der Betroffene nicht bereits deswegen hinnehmen, weil sie ersichtlich nicht ernst gemeint seien", so das Urteil. Zugleich betont das Gericht, dass Erdogan als Staatsoberhaupt auch besonders heftiger Kritik aushalten müsse. An der Entscheidung ändert das aber nicht. 

Erdogans Anwalt Michael-Hubertus von Sprenger sagte nach dem Urteil gegenüber der "Süddeutschen": "Der Rechtsstaat hat gesiegt. Das Gericht hat sich gegen einen wahren Shitstorm von Menschen gestellt, die das Gedicht vermutlich nie in Gänze gehört und gesehen haben. Es tut auch dem türkischen Präsidenten Erdogan gut zu wissen, dass ein Gericht auch ungeachtet der Beliebtheit einer Person nach Recht und Gesetz urteilen kann." 

Laut dem Medienportal "Meedia" wurden Böhmermann zudem auch die Kosten des Verfahrens auferlegt, rund 2.000 Euro. Christian Schertz, Anwalt von Böhmermann, forderte, die Klage der Erdogan-Seite abzuweisen und das Gedicht nicht isoliert, sondern im Rahmen der kompletten Sendung zu sehen. In ihrem Urteil erklärten die Richter, dass man genau das gemacht habe. 

Vorbei ist der Rechtsstreit damit aber nicht, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Beide Seiten hatten zuvor angekündigt, im Falle eines für sie negativen Urteils in Berufung gehen zu wollen. Macht Böhmermann das, geht es vor das Oberlandesgericht. Sein Anwalt Schertz sagte nach der Verhandlung gegenüber der "Süddeutschen": "Ich bin gewiss, dass die Entscheidung kassiert wird - wenn nicht in der nächsten, dann in der übernächsten Instanz. Offenbar war die Kammer von ihrer eigenen Vorentscheidung gefangen und hat leider die Frage der Kunstfreiheit nicht genügend berücksichtigt."

Bei der Verhandlung im November verwies Böhmermanns Anwalt auf die bereits erfolgte Einstellung der Strafermittlungen gegen den Satiriker. Erdogans Anwalt von Sprenger erwiderte, dass eine Strafsache etwas anderes als ein zivilrechtliches Verfahren sei. Er bezeichnete Teile des Gedichts als "spät-pubertäre Beleidigungen unter der Gürtellinie".