Torsten Dewi
Lieber Harald Schmidt

... ich bewundere Sie nicht dafür, dass Sie gutes Fernsehen machen. Machen Sie nämlich in meinen Augen nicht. Wann immer ich Ihre Show im fehlgeleitet-nostalgischen Verlangen einschalte, nochmal die Speerspitze des intellektuellen Widerstands im TV zu schauen, zappe ich nach 10 Minuten wieder weg. Das schmerzt nur noch. Um unterhaltsam zu sein, muss man unterhaltsam sein wollen. Und das scheint bei Ihnen lange her zu sein. Es hilft auch, sein Publikum nicht gar so sehr zu verachten, wie man es Ihnen unterstellen könnte.

Was waren Sie mal für ein Großer: "Gala", "Schmidteinander", "Pssst!", "MAZ ab!". Klasse Kabarettprogramme, unbestreitbare Conferencier-Qualitäten.

Kann man dagegen das, was Sie bei der ARD in den letzten Jahren gemacht haben, überhaupt noch "Dienst nach Vorschrift" nennen? Oder war das schon gelebte Arbeitsverweigerung? Immer weniger Sendungen, dafür mit immer größerem Anspruch, dort in Ruhe gelassen zu werden? Pocher rein, "miese Type", Pocher raus? Auftritte beim "Traumschiff"? Ironisch, klar.

Jetzt das: Die ARD plant, nach jahrelangen Querelen endlich die Startzeit der "Tagesthemen" zu vereinheitlichen, und sucht außerdem Platz für den Neueinkauf Jauch (von dem ich zumindest eine Arbeitsdisziplin erwarte, die einen Tacken preußischer ist als Ihre). Da muss natürlich auch über Ihre unstete und quotenschwache Show geredet werden.

Und was machen Sie? Wechseln ohne Rücksprache wieder zu SAT.1. Genau. Dem Sender, den Sie (wenn ich das richtig verstehe) vor fünf Jahren noch genussvoll "Unterschichtenfernsehen" nannten. Als Sie gerade von da zur ARD desertiert waren. Übrigens auch, ohne mit dem (neuen) Chef wenigstens mal Rücksprache gehalten zu haben. Jetzt heißt es Ihrerseits plötzlich: "Ablösefrei zum Champions-League-Sender - ein Traum! Jetzt will ich auch Kapitän werden!".

Wes' Brot ich ess', des' Lied ich sing.

Nein, ich bewundere Sie nicht dafür, dass Sie gutes Fernsehen machen. Ich bewundere Sie dafür, dass Sie sich eine Teflon-Arroganz zugelegt haben. Sie begegnen (auch berechtigter) Kritik durch konsequente Verweigerung. Sie müssen all' Ihre Faxen gar nicht erklären. Wo andere öffentlich als illoyal und undankbar gekreuzigt werden, preist man bei Ihnen den nächsten "genialen Schachzug", sucht Schuld und Verantwortung mal wieder in den Senderbürokratien, die einem solchen Titan wie Ihnen gar nicht den notwendigen Nährboden bieten können. So wie das Privatfernsehen zu doof für Ihren Intellekt war, ist die ARD nun viel zu spießig und unflexibel.

Habemus papam, SAT.1. Der ist ja angeblich auch unfehlbar.

Warum SAT.1 nun doch nicht (mehr?) doof ist, werden Sie sicher noch erklären - oder von Feuilleton-Redakteuren deuten lassen. Im Zweifelsfall sagen Sie einfach, Sie würden antreten, um genau das zu ändern. Man wird es glauben, Sie für den Grimme-Preis nominieren, und die miesen Quoten dem Publikum vorwerfen, für das Sie eigentlich viel zu gut sind.

Dafür bewundere ich Sie, Harald Schmidt. Ehrlich.