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Der jüngste Rundfunkänderungsstaatsvertrag macht es nötig: Hunderttausende Beiträge und Artikel mussten die Öffentlich-Rechtlichen in den vergangenen Monaten aus ihren Online-Angeboten streichen - auf Druck der privaten Anbieter, die ihre Stellung in Gefahr sahen. Die Folge: Die meisten Meldungen müssen künftig nach einem Jahr verschwinden, manche Inhalte sogar nach nur einer Woche.

Diese sogenannte "Depublizierung" stößt auch bei so manchem Zuschauer und Leser, der all jene nun gelöschten Artikel durch Rundfunkgebühren bezahlt hat, auf Verwunderung. Auch "tagesschau.de" ist von der neuen Vorgabe betroffen und musste unzählige Meldungen vom Server nehmen - doch ein Teil davon ist nun wieder im Netz aufgetaucht. Rund 270.000 Dateilen finden sich unter "depub.org".

 

Geplant sei außerdem, künftig auch Teile der Mediatheken zu sichern, heißt es auf der Seite, deren Betreiber unbekannt sind. Man sei sich bewusst, dass die Urheber- und Nutzungsrechte für die Artikel und für die Mediatheken beim jeweiligen Autor bzw. bei "tagesschau.de" liegen. "Für uns ist die freie Verfügbarkeit gebührenfinanzierter Inhalte allerdings wichtiger", schreiben die Verantwortlichen und ernten dafür sogar Zustimmung von oberster Stelle.

So sieht die Vorsitzende des NDR-Rundfunkrates, Dagmar Gräfin Kerssenbrock, die Veröffentlichung depublizierter Inhalte von "tagesschau.de" als "Beleg für die Fragwürdigkeit des bürokratischen Monstrums Drei-Stufen-Test". "depub.org" sei ein Beispiel für die "kreative Anarchie im Internet, das zeigt, wie unsinnig kleinteilige Regulierungsversuche im Netz sind."

Bei dem Angebot "depub.org" handelt es sich nach Informationen von "tagesschau.de" um eine im kanadischen Toronto registrierte Domain mit anonymem Verfasser. Wie die Betreiber der Website an die Inhalte von tagesschau.de gekommen seien, entziehe sich der Kenntnis der Redaktion. Da es sich um bereits veröffentlichte Inhalte handelte und es technisch ohne größeren Aufwand zu bewerkstelligen ist, Webseiten zu speichern, geht man bei "tagesschau.de" davon aus, dass dies geschehen sei, als die Inhalte noch öffentlich waren.

Dass die Redaktion tatsächlich nicht involviert war, darf angesichts der Aussagen der Macher von "depub.org" aber bezweifelt werden - zumindest ein Redakteur von "tagesschau.de" trägt offenbar die Verantwortung. "Unser Anteil an der bisherigen Veröffentlichung ist eher gering. Die Daten aufzubereiten hat uns vielleicht einige Nächte gekostet", sagten die Verantwortlichen in einem Interview mit "Zeit Online". "Das Risiko ist aber der Redaktionsmitarbeiter eingegangen, der mit dem Exportieren der Daten eventuell sogar seinen Job gefährdet hat."

Doch wie geht es nun weiter? "Ursprünglich ging es uns nur darum, die durchgesickerten Daten aufzubereiten, damit sie möglichst von einer breiten Masse genutzt werden können. Mittlerweile geht es uns um mehr. Für uns gibt es keinen plausiblen Grund für die Depublizierung und deshalb kann unser Ziel auch nur lauten, dass wir nach Möglichkeit alle depublizierten Inhalte auf depub.org zu veröffentlichen", so die Macher, die nun weitermachen wollen. Man bereite derzeit Textarchive für "br-online.de", "hr-online.de", "mdr.de", "ndr.de", "rbb-online.de", "radiobremen.de", "swr.de", "wdr.de" und "heute.de" vor.

"Vorbereiten bedeutet, dass wir damit beginnen, die noch nicht depublizierten Artikel von den Seiten herunter zu laden und aufzubereiten. Läuft alles wie geplant, wird dies in Zukunft automatisiert ablaufen und uns täglich nur wenige Minuten für Korrekturen kosten", erklärten die Macher im "Zeit Online"-Interview. Den Sendern dürfte all das jedenfalls nicht ungelegen kommen.