Vorurteil der Woche: Das ZDF ist 2013 bloß wieder Marktführer wegen der Champions League.

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Das erfolgreichste Programm im deutschen Fernsehen kommt aus Mainz: So quotenstark wie 2013 war das ZDF lange nicht mehr. Um ein Zeichen gegen all die Neider zu setzen, die hinter vorgehaltener Hand darüber tuscheln, das sei bloß wegen der teuer eingekauften Fußballrechte so, lüftete Intendant Thomas Bellut im Dezember bei einer Pressekonferenz des Fernsehrats das wahre Erfolgsgeheimnis seines Senders: Es sei "die konsequente Innovationsarbeit", die sich jetzt auszahle und "zunehmend neue und jüngere Zuschauergruppen an den Sender" binde.

(Und Horst Lichter, natürlich. Aber dazu gleich.)

Horst Lichter moderiert © ZDF / Willi Weber

Tatsächlich lässt sich wöchentlich im Programm besichtigen, wie stark das ZDF an seiner Erneuerung arbeitet, vor allem in dem der Digitalableger.

Erfolgswinzling ZDFinfo (von den Lümmeln des "neo Magazin" völlig zu Unrecht als "ZDFhitler" verspottet, trotz zahlreichen hitlerfreien Tagen im zurückliegenden Jahr) ist in dieser Hinsicht Innovationstreiber und hat Anfang der Woche die Neuentwicklung "Boris, der Trödelprofi" gestartet, in der ein Grevenbroicher Profihändler bei Haushaltsauflösungen gefilmt wird. Die Sendung ist, wie's der Besitzer des Bauernhofs aus der Premierenfolge formuliert hat: "eine Achterbahn der Gefühle", weil es kaum Spannenderes gibt, Fremden dabei zuzusehen, wie sie ihre eingestaubte Modelleisenbahn und den liebgewonnenen Fleischwolf aus der Scheune verhökern. Nach dem Höhepunkt der ersten Episode, einem gemeinsamen Flohmarktbesuch, stand zwar fest, dass die vom Trödelbesitzer erhofften 7000 Euro nicht ganz zusammengekommen sind. Aber mit 1751,50 Euro war der ZDF-Trödelprofi schon nah dran, und das reichte der Familie als Grund zum Jubeln. Jedenfalls so lange die Kamera an war (Sendung in der Mediathek ansehen).

Einziges Pech fürs ZDF: WDR und RTL II haben frühzeitig Wind von den Plänen der Mainzer bekommen, und ihre – hektisch produzierten – Kopien bereits vor dem Original an den Start bringen können ("Der Trödel-King", WDR, 2007 und "Der Trödel-Trupp", RTL II, seit 2008).

Ein vergleichbares Gespür für Gegenwartsthemen bewies ZDFinfo kürzlich bereits mit der neuen Reihe "Der Firmenretter", für die mit Rechtsanwalt Michael Requardt ein im deutschen Fernsehen völlig unverbrauchtes Gesicht gewonnen werden konnte. Requardt hatte Mitte des vergangenen Jahrzehnts lediglich zwei Jahre für die WDR-Sendung "Der große Finanzcheck", die Dmax-Reihe "Moneycoach" und die tägliche RTL-II-Dokusoap "Der Requardt" vor der Kamera gestanden.

Im Hauptprogramm macht sich die von Bellut erwähnte Innovationsarbeit ebenfalls bezahlt: Noch bevor das ZDF im Dezember "Die Helene Fischer-Show" zeigte, deren Generalprobe ein Jahr zuvor aus organisatorischen Gründen im Ersten hatte laufen müssen, wurde im Sommer bereits "Deutschlands größte Grillshow" aus dem Gerry-Weber-Stadion in Halle gesendet, in der Prominente um die Wette grillten, was nur schwer mit der fast auf den Tag genau acht Jahre zuvor ausgestrahlten Sat.1-Show "Jetzt geht's um die Wurst! Das große Promi-Grillen" aus demselben Stadion vergleichbar ist.

Der mit großem Geschick agierende ZDF-Unterhaltungschef Oliver Fuchs erklärte erst im November im Interview mit der "taz", wie wichtig es für ihn ist, ständig das Neue zu suchen:

"Ein großer nationaler Sender wie das ZDF muss in Zukunft Vorreiter sein und sollte sich nicht auf abgekupferte Formate verlassen, die anderswo schon erfolgreich gelaufen sind."

Deshalb hat Fuchs den früheren RTL-Restaurantretter Christian Rach verpflichtet, der (wie berichtet) ab Februar die zweistündige Donnerstagssendung "Rach tischt auf" über die Ernährungsgewohnheiten der Deutschen moderiert, und nicht wie zuletzt bei RTL die einstündige Montagssendung "Rach deckt auf" über die Ernährungsgewohnheiten der Deutschen.

Deshalb schickt Fuchs seine verlässlichste Moderationsdrohne Andrea Kiewel im "Fernsehgarten on Tour" nun auch im Winter zur Schunkelanimation, sodass befreundete Unternehmen und Verbände künftig saisonunabhängig die Chance haben, "Produktionshilfe" zu leisten. So wie am vergangenen Wochenende der Tourismusverband Obertauern, bei dem Kiewel mit der Show zu Gast war, was den Off-Sprecher des völlig neutralen Werbefilms zur Ferienbuchungsanregung veranlasste: "Obertauern – das ist da, wo der Schnee zuhause ist! Sagen zumindest die Einheimischen. Und sie haben Recht. (...)"

Weil das ZDF Vorreiter sein muss, hilft "Die Hundeflüsterin" Maja Nowak am Sonntagmittag derzeit irrgeleiteten Beagles, nicht mehr die Spülmaschine ihres Besitzerpärchens auszulecken, während Vox sich seit Jahren nicht schämt, "Hundeprofi" Martin Rütter von ihr abzukupfern zu lassen.

Das Innovationsgespür macht auch "Bares für Rares" zu einem so großen Erfolg. Weil das TV-Festival fürs über 60-jährige Stammklientel, das die goldene Taschenuhr, die Kaffeemühlensammlung und den handgeknüpften Perserteppich endlich mal vom Profi schätzen lassen will, eben nicht so muffig daherkommt wie die gerade mal seit 28 Jahren laufende BR-Antiquitätenschätzsendung "Kunst & Krempel". Stattdessen hat die ZDF-Show "das beliebteste Gutachter-Trio Deutschlands" aufzuweisen und wird von TV-Koch Horst Lichter moderiert, der weiß, wie man sich Gästen fernsehgerecht vorstellt ("Der Herr Lichter, Horst, hallöchen!") und mit fundierter Fachkenntnis zu seltenen Stücken überzeugt ("Naja, für Männer isses nix"). (Aktuelle Sendung in der Mediathek ansehen.)

All das – und nicht der Fußball – sind die Gründe, weshalb das ZDF Marktführer ist und bleiben wird.

Weil es sich viel leichter Quote machen lässt, wenn man seinen Zuschauern Innovationen bloß vorgaukelt anstatt sie wirklich zu senden.

Das Vorurteil: stimmt nicht.

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