Vorurteil der Woche: RTL II interessiert sich nicht fürs Weltgeschehen. 

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In der Ukraine herrscht gerade Ausnahmezustand und niemand hat das früher erkannt als RTL II. Seit Wochen berichtet der Sender montagabends zur besten Sendezeit über die schlimmen Zustände im Land und wie Dennis aus Köln und Elvis aus Braunschweig dort an ihre Grenzen geraten sind. Weil sie noch keine einzige Einheimische in die Kiste gekriegt haben.

"So viele geile Weiber und keine wo's gefunkt hat!", beschwerte sich Callcenter-Mitarbeiter Elvis empört. Immobilienmakler Dennis fand nach einem missglückten Date: "Voll für'n Arsch! Die Alte hat kein' Bock auf mich." Und als die gutaussehenden Ukrainerinnen abends im Club auch noch tanzten, ohne sich den Deutschen in die Arme zu werfen, konnte Elvis nicht anders als mit seinem "Gorillatanz" Hilfestellung zu leisten: "Das ist wie wenn jemand verblutet: Da musst du ja auch was tun!"

Dennis, Walther und Elvis sind die Helden von 'Traumfrau gesucht'© RTL II

Dabei hat doch alles so vielversprechend angefangen in den neuen Folgen der RTL-II-Kuppelreality "Traumfrau gesucht – Das Geschäft mit der Liebe" (bei rtl2now.de ansehen), als "die beiden Pfundskerle" im roten Cabrio durch die ukrainischen Hafenstädte düsten. "Angeblich wohnen hier mehr Frauen als Männer, und damit hunderte von Singlefrauen, die sich einen deutschen Partner wünschen", informierte der Sender über "die demografische Sensation". Das komme bestimmt von Tschernobyl, "dass nur noch Frauen geboren werden", vermutete Elvis. Nach einer Erstbesichtigung war Dennis begeistert: "Was auf der Straße ist, ist schon mal nicht schlecht, hörma", "Alter, da müssen wir uns jetzt echt die Hose festhalten!" Und Elvis hatte bereits verinnerlicht: "Ab auf die Krim! Da gibt's gut Frauen!", "Da boxt der Papst im Kettenhemd!"

Während die Welt auf die Umwälzungen in der Ukraine und den eskalierenden Konflikt mit Russland blickt, schert sich RTL II nicht lange um den politischen Krim-Krams und schickt stattdessen zwei übergewichtige Schlichtgemüter in einem "Lovemobil 2.0" durchs Land, um sie dort auf "lecker Mädschejagd" gehen zu lassen, die Einheimischen am Obststand mit Melonen demonstrieren, auf welche Qualitäten es ihnen ankommt.

Und die Flachpfeifen im Cabrio sind nicht einmal die schlimmsten bei "Traumfrau gesucht". Starke Konkurrenz kommt vom deutlich erfahreneren Walther, der mit seinem segenspendenden Goldengel Gloria-Victoria schon den halben Ostblock bereist hat und sich on der Heiratsvermittlung derzeit diverse Rumäninnen vorstellen lässt, um Zungenküsse zu verteilen, die sich wie Schürfgrabungen anfühlen müssen, und für die sich der 54-Jährige nachher artig mit "Senkju" bedankt. Walther hat aus der Suche nach der Frau fürs Leben ("groß, blond, gut gewachsen") einen Dauerzustand gemacht und inszeniert sich als Gentleman, dem die Frauen aber doch nie gerecht werden können, nirgends auf der Welt. "Es ist ja keine leichte Geschichte, sozusagen eine Kündigung auszusprechen", sagt er, wenn er wieder einer beichten wird, dass sie sich umsonst Hoffnung gemacht hat.

Vor allem weiß Walther aber, was rumänische Frauen vielen anderen voraus haben: den richtigen Pass. "Die sind in der EG, die brauchen kein Visum wie die Ukrainerinnen und die Russinnen, und die Flüge nach Deutschland sind relativ günstig. Da können Sie schon mal für 150 Euro 'ne Frau einfliegen lassen."

Zwei weitere Sympathieträger machen den Club perfekt: Manfred aus Bayern ist Versicherungsmakler, ein hochcharmanter Aufreißer, der eine Dame nach der nächsten "erstmal wieder zur Seite legt", denn: "Ich bin der komplizierteste Mann überhaupt, den ich kenne." Wobei ihm Teilzeitmodel Stephane aus Düsseldorf diese Spitzenposition längst abgerungen hat. Stephane ist ebenfalls nach Rumänien gereist und weiß genau, was er will. Keine Frau "wie'n Yogibär, die behaarter ist als meine Opa und Oma zusammen"; keine mit zu weiter Anreise, denn: "Die muss es ja nötig haben"; keine, die heiraten will: "Das geht gar nicht"; und erst recht niemanden mit Zahnlücke: "Ich will ja keine haben, die ein Schwein quer fressen kann." Stephanes Motto ist: "Ich hab nicht direkt Zeit, die inneren Werte zu checken. Ich guck drüber, und wenn's keinen Sinn macht, lass ich sie sitzen." Im Zweifel aber erst nach dem Ruder-Date, wo er dem Busenwunder zusehen kann, "wie der Brustmuskel hin- und herschwingt".

Traumfrau gesucht - Das Geschäft mit der Liebe© RTL II

Montagabends ab viertel nach acht ist bei RTL II ganz Osteuropa ein Freiluftfrauenkatalog in 3D, bei dem sich aus Deutschland eingeflogene Widerlinge bloß das gewünschte Stück Fleisch raussuchen müssen, wie beim Metzger. Was nicht schmeckt, wird wieder ausgespuckt. Und wenn es mal eine von sich aus wagen sollte, ein Wiedersehen zu verweigern, stürmen die Helden beleidigt davon und wünschen pampig: "Gute Besserung!"

Es braucht schon eine gehörige Portion Überwindung, eine solche Sendung, gegen die "Der Bachelor" geradezu emanzipationsfördernd wirkt, überhaupt als Unterhaltung zu deklarieren und im Programm zeigen zu wollen. RTL II aber hat sich längst daran gewöhnt, auch ohne guten Ruf ganz ordentlich vor sich hinzusenden, jedenfalls solange die Quoten halbwegs stimmen. Dass derzeit vielleicht unpassend sein könnte, die ukrainische Krim als Lustparadies anzupreisen, ist dann natürlich egal.

Und die Protagonisten können sich darauf verlassen, vom Sender als Pechvogelromantiker gepampert zu werden, die auf der Suche nach dem großen Glück immer aufs Neue enttäuscht werden, obwohl jeder einzelne doch "ein ganz spezieller Mann" ist.

Wenn Dennis und Elvis in der vorläufig letzten Folge der aktuellen Staffel am Montag erfolglos heimreisen müssen, bleibt ihnen nur die Hoffnung, dass sich die Verhältnisse in der Ukraine bald wieder stabilisieren. Und das Land endlich was gegen die Unlust seiner Frauen unternimmt, sich mit deutschen Vollidioten zu paaren, die bei ihren Balzblamagen vom Fernsehen als Helden gefeiert werden. Oder wie's Elvis neulich formuliert hat: "Ich weiß nicht, wie die [Ukrainerinnen] Männer kennenlernen wollen, wenn die immer allen absagen!"

So vertrackt die Situation auf der Krim derzeit auch sein mag: Die Hoffnung auf eine friedliche Lösung besteht nach wie vor. Das hat die Ukraine immerhin dem deutschen Fernsehen in Gestalt von RTL II voraus. Dem ist jetzt schon nicht mehr zu helfen.

Das Vorurteil: stimmt.