Vorurteil der Woche: Mario Barth deckt auf.

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Gemeinden, Städte, Bürgermeister! Hört diesen Hilferuf aus Berlin! Der sympathische Fernsehmoderator Mario Barth führt seit vergangenem Jahr durch eine Show, in der er nach einleitendem Stotter-Gag-Stakkato Steuerverschwendungen aufzudecken vorgibt. (Obwohl er eigentlich bloß vom Bund der Steuerzahler zusammengetragenes Rohmaterial illustriert.) Nun verhält es sich so, dass zahlreiche fernsehgeeignete Steuerverschwendungen bereits verbraucht wurden.

Unsinnige Hauptstadt-Baustellen sind doppelt und dreifach besucht; die Geldverschwendungen beim BND-Neubau werden schon in Häppchen erzählt, um länger zu halten; und zu allem Unglück mopst Steffen Hallaschka seit Wochen im Anschluss bei "stern tv" die frischen Steuerverschwendungen weg, um den Preis für die blödeste TV-Trittbrettfahrerei einzusacken.

Steffen Hallaschka bei stern tv© RTL

Die Situation ist schwierig. Damit fehlende Skandale ausgeglichen werden können, produziert die Redaktion von "Mario Barth deckt auf" in ihrer Verzweiflung selbst welche. Für den "Großen Sanitärnotdienst-Check" verkleidete sich Schauspieler Uwe Ochsenknecht als 74-jähriger Rentner und telefonierte wochenends Handwerker herbei, damit ein Rechtsexperte, ein Sanitärexperte und ein RTL-Kamerateam per versteckter Kamera zuschauen konnten, wie die Gerufenen zu hohe Rechnungen herbeireparierten. "Alle, die hier waren, waren sehr, sehr teuer", bilanzierte der Experte am Ende dieser Neuauflage eines der ältesten Fernsehkniffe der Welt, um Zuschauerempörung zu produzieren und Sendezeit zu schinden. (Das ZDF hat schon eine ganze Reihe draus gemacht.) Und Barth riet seinen Zuschauern anschließend: "Handwerker des Vertrauens sollte man haben! Findet man mit Sicherheit irgendwo. Ansonsten auch mal bei Nachbarn fragen, das find ich auch immer 'n guter Tipp. Einfach mal fragen: War bei dir schon mal was kaputt, was kamma machen?"

Ja, was kamma machen, wenn immer noch soviel Sendezeit übrig ist, obwohl die Kreatvität schon im Weihnachsturlaub weilt?

Zum Beispiel: Apothekenberatung testen! Mit versteckter Kamera und Perücke auf dem Kopf hat sich Moderatorin Johanna Klum in Apotheken Quatsch erzählen lassen und nachher vom mitgeschleppten Arzt bestätigt bekommen: Das war alles Quatsch! Zu teuer, falsch, gefährlich. "Es gibt sicher auch Apotheken, die das richtig machen", meinte Barth nachher. Aber wer würde die schon im Fernsehen sehen wollen?

Mario Barth deckt auf© RTL/Sebastian Drüen

Im großen Check der Arbeitsrecht-Bagatellfälle waren sich Joachim Lambi und RTL-Nachbarschaftsstreitschlichter Franz Obst einig: Wenn man Privatangelegenheiten mit in den Job schleppt, sollte man vorher den Arbeitgeber fragen: "Da ist man auf der sicheren Seite!"

Am vergangenen Mittwoch fand RTL-Allzweckanwalt Christopher Posch heraus, dass unseriös wirkende Zeitungsanzeigen für einfache Jobs, mit denen sich angeblich viel Geld verdienen lässt, unseriös sind. Nachher verriet er auch, woran man eine seriöse Firma erkennt, zum Beispiel in der Agenturbranche: "Die machen mir nicht irgendwelche Versprechen, von wegen: Du bist der nächste große Superstar, wir bringen dich ganz groß raus." Ähm, ja. Für Fernsehsender scheint die Regel nicht zu gelten.

Den spektakulärsten Aufritt im Nichtaufdecken hatte allerdings Jugend-Coach Thomas Sonnenburg ("Die Ausreißer"), der eine Familie besuchte, der sprichwörtlich die Decke auf den Kopf fällt: Pfusch am Bau! "So kann man doch hier nicht leben!", erklärte Sonneburg, fragte: "Was passiert denn, wenn hier die Decke runterkommt?" und gab sich die Antwort gleich selbst: "Ich sag: Das ist Russisch Roulette!" Im Obergeschoss fiel ihm siedendheiß ein, dass er jetzt ja quasi auf der Decke steht: "Was wir hier machen ist lebensgefährlich!" Und begleitet von dramatisch farbentsättigten Decken-Dias, Schreckens-Zooms und Echo-Effekten teilte Sonneburg der Familie sein Fazit mit: "Ihr Haus – ist ein Schrotthaus! Schneller kann man kein Geld verbrennen. Und Anzeigen haben bisher überhaupt nichts genutzt!"

Dann ließ er die verdutzten Leute stehen und suchte die nächste Familie heim, die viel Geld in ihr Schrotthaus investieren musste, damit RTL die zurechtgemachte Küche in einen Glitzerrahmen packen konnte, um die bleichen Baustellenbilder aus dem Vorjahr zu "Smack My Bitch Up" dagegen zu schneiden. Balkone sind aber immer noch keine dran: "Wenn ich das Fenster aufmach, fallen die Kinder raus", erzählte die Mutter empört. "Sie sind sozusagen die Trümmerfrau, die die Ruine ausbaut!", erklärte Sonnenburg und war so empört ("Es ist eine fürchterliche Sache"), dass er sich dazu entschied, das verantwortliche Unternehmen vor der Kamera zur Rede zu stellen!

Mario Barth deckt auf© RTL

Er fuhr zur Adresse der Firma, klingelte – und keiner hat aufgemacht. "Ich hoffe, und das ganz inständig, dass es diesen Verbrechern um die Ohren fliegt – und dass es sie irgendwann mal selber erwischt!" Sprach Sonneburg (wohl in der Hoffnung, dass die Verantwortlichen sich aus Versehen ihr eigenes Schrotthaus abkaufen) – und ging. Genug aufgedeckt für heute.

Im Studio erklärt Barth noch: "Wenn man Pech hat, fällt man drauf rein." Und Sonneburg wusste, wie das Unglück abzuwenden sei: "Im Freundeskreis sagen: Wir bauen ein Haus! Dann kriegen Sie Tipps!"

Sie sehen selbst, liebe Steuerverschwender – "Mario Barth deckt auf" braucht Sie dringender als je zuvor! Bauen Sie teure Brücken, über die keiner fährt! Planen Sie Fahrradwege, die im Nichts enden! Sanieren Sie Schwimmbäder, die sowieso zumachen müssen! Schmeißen Sie Kohle raus, soviel Sie können, damit Barth zu Beginn der nächsten Staffel versprechen kann: "Wir haben wieder tolle Steuerverschwendungen!" Und wir alle davon verschont bleiben, uns stattdessen ein Verbraucherfernsehen anschauen zu müssen, das so doof ist, dass es über seine eigene Empörung stolpert.

Das Vorurteil: stimmt nicht.