Herr Lesch, auf dem bisherigen Sendeplatz von "Leschs Kosmos" moderieren Sie künftig eine Sendung mit dem Titel "Terra X Harald Lesch". Wie groß ist die Umstellung?

Wir haben die Erzählweise der Sendung bereits in Teilen verändert, seit Tobias Schultes im vergangenen Jahr die Redaktionsleitung übernommen hat. Das erkennen Sie vor allem daran, dass wir das Studio verlassen haben. Zuletzt war ich in Venedig oder auf der Zugspitze, um die Themen noch etwas konkreter zu zeigen. In dieser Hinsicht ist das, was wir nun unter dem neuem Sendetitel vorhaben, eine konsequente Weiterführung. Und unter den Schirm "Terra X" passen wir als Bildungsfernsehen im besten Sinne des Sender ja ohnehin ganz wunderbar.

Inwiefern ist es wichtig, das Studio zu verlassen?

Mit "Leschs Kosmos" haben wir lange ein dossierartiges Journal gemacht, das über ein bestimmtes Thema so klar und präzise wie möglich informieren sollte. Das funktionierte im Studio sehr gut. Wir sind damit aber der Aktualität immer ein Stück hinterhergelaufen. Nicht zuletzt während der Corona-Pandemie, als die Bevölkerung quasi zeitnah erleben konnte, wie Wissenschaft Wissen schafft, war zu erkennen, dass viele Menschen bis dahin gar nicht wussten, dass Wissenschaft keine Sache ist, die ganz dogmatisch Erkenntnisse produziert. Plötzlich wurde ersichtlich, dass Wissenschaft von vielen Diskussionen lebt, dass viel nachgemessen werden und mit Irrtümern ganz anders umgegangen werden muss als im Alltag. Es gibt einen tollen Satz von Gerhard Vollmer über die empirische Wissenschaft: "Wir irren uns empor." Diesem Prozess nachzugehen, ihn darzustellen und immer wieder die direkte Beziehung zum Publikum herzustellen, da muss man schon mal raus aus dem Studio. Deshalb muss dann auch theoretische Physiker Harald Lesch mal die Wanderschuhe anziehen und in die Welt hinausziehen.

Für wen machen Sie denn Fernsehen?

(lacht) Das frage ich mich auch immer! Ich kann das nicht so genau sagen, aber aus meinem fast täglichen Erleben stelle ich fest, dass sehr viele Menschen aus unterschiedlichen Bereichen und Schichten meine Sendungen angucken. Das sind nicht unbedingt diejenigen, die akademisch geprägt sind, sondern vor allem jene, die ein Interesse an den unterschiedlichsten Themen haben. Mir sind letztlich alle herzlich willkommen, die sich für Wissenschaft oder Verstandes- und Vernunftleistungen begeistern. Besonders stolz bin ich allerdings darauf, dass mich viele Schülerinnen und Schüler kennen – ohne dass man sie dazu gezwungen hat, die Sendungen zu schauen. Neulich kam ein junger Schüler auf mich zu und sagte: "Dir glauben wir, du bist ein Ehrenmann!" Das hat mich dann doch sehr berührt.

Spätestens seit Corona kann man den Eindruck gewinnen, dass viele Menschen der Wissenschaft kritisch gegenüberstehen. Haben Sie das Gefühl, viele davon gar nicht mehr erreichen zu können?

Die, die sich nicht mehr erreichen lassen, werde auch ich nicht mehr erreichen. Mich interessieren vor allem diejenigen, die in diesem Niemandsland dazwischen sind; die nicht so richtig wissen, was sie nun alles davon zu halten haben, die mir ihre Zweifel mailen und mich bitten, vieles noch einmal zu erklären. Da muss man auch die Erzählweise entsprechend verändern. Aber an diejenigen, die mir misstrauen, komme ich gar nicht mehr ran.

Das klingt etwas pessimistisch.

Ich weiß tatsächlich nicht, ob es eine Gesellschaft langfristig aushält, wenn so viele Menschen der Wissenschaft misstrauen. Ich kann daher nur versuchen, originell, teilweise auch mit einem guten Kalauer, einen Gegenpunkt zu setzen. Unser gesamtes Leben ist doch von Technik und Wissenschaft so durchdrungen, dass ich gar nicht nachvollziehen kann, wie die Leute mit all ihren Verschwörungserzählungen in den Spiegel schauen können. Sie alle haben einen Computer und benutzen Verkehrsmittel – das kommt doch alles nicht von irgendwo her! Wenn die wissenschaftlichen Errungenschaften, die in Technik gegossen werden, nicht stimmen würden, dann würde das alles doch gar nicht funktionieren. Stattdessen flüchten sich viele in blödsinnige Geschichten über Chemtrails, Außerirdische oder Reptiloide. Das einzige, das ich tun kann: Menschen auf ihre Widersprüche hinweisen und sie ermuntern, vielleicht doch noch einmal anders auf die Dinge zu schauen.

Was bedeutet das für Ihre Sendung?

Wir wollen in Zukunft immer mal wieder eine Runde von Expertinnen und Experten zusammenkommen lassen, um verschiedene Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven darzustellen – ohne aber exotische Meinungen zu Worte kommen zu lassen. Das ist ein Versuch, Wissenschaft im Gespräch zu halten. Eine Art "Presseclub" für wissenschaftliche Themen, wenn Sie so wollen.

Den Wunsch nach einer solchen Sendung haben Sie in der Vergangenheit schon einmal geäußert. Warum hat es so lange gedauert, bis er ihnen erfüllt wurde?

Ach, wissen Sie, die Mühlen mahlen langsam.

Wie haben Sie eigentlich gemerkt, dass Sie besser erklären können als viele andere?

Ich wusste nicht, ob ich es besser kann als andere. Aber ich habe zumindest sehr früh gemerkt, dass ich es gut kann. Ich hatte das Glück im Rheinland zu leben. Für Kölsch und einen Grappa habe ich da schon mal angefangen, die allgemeine Relativitätstheorie auf einem Bierdeckel zu erklären. So bin ich durchs halbe Studium gekommen. (lacht) 

Machen Sie heute etwas anders als zu Ihrer Anfangszeit im ZDF?

Wenn Sie etwas sehr lange machen, dann können Sie anfangen zu spielen und etwas ausprobieren. Heute kann ich mehr ausprobieren, weil ich über die Abläufe und Routinen anders informiert bin als früher. Das ist wie bei einem Musiker: Wenn Sie viel gespielt haben, dann können Sie es sich erlauben, auch mal einen falschen Ton spielen. Diese Freiheit kann man sich nehmen – und die nehme ich mir auch.

Sie wollen in Ihrer neuen Sendung, so heißt es im Begleittext, "die Relevanz von Wissenschaft und Technologie für unser allen Leben" zeigen. Wieso ist der Bezug zum eigenen Leben zu wichtig?

In jeder Form von Unterricht ist die Motivation das A und das O. Die Leute fragen daher zurecht: "Warum soll ich dir zuhören, Lesch? Warum nimmst du mir meine Zeit?" Man muss daher relativ schnell auf den Punkt kommen, welche Bedeutung bestimmte Themen für den einzelnen haben. Das ist in der Schule wichtig, in der Universität, aber auch im Fernsehen. Gerade wenn es um Sachinformationen geht. Ich mache ja keine Unterhaltungssendung, führte keinen Stepptanz auf und singe auch nicht. Im Gegenteil, wir behandeln oft ziemlich sperrige Themen. Diese trotzdem so zu erzählen, dass die Leute nicht umschalten, ist das Ziel. Dabei wollen wir uns einen positiven Blick bewahren, auch wenn es bei vielen Themen um nichts weniger als die Frage nach der um die Bewohnbarkeit unseres Planeten geht. 

Haben Sie den Eindruck, dass viele Menschen von derartigen Untergangsszenarien möglichst gar nichts mehr hören wollen?

Mich überrascht eher etwas anderes, nämlich das riesige Angebot an Weltuntergangsserien auf den Streamingdiensten. Wir Wissenschaftskommunikatoren überlegen ständig, wie man mal etwas Positives unterbringen kann – und die Leute schauen sich achtteilige Katastrophenserien über den Weltuntergang an. Wenn wir dann über den Klimawandel und seine Folgen berichten, kommt hingegen sofort die Frage: "Aber wo bleibt denn das Positive?" Das ist ein Widerspruch, den ich nicht begreife.

Wie schalten Sie persönlich ab?

Ich spiele schlecht, aber leidenschaftlich Klavier, bin gerne mit meiner Enkeltochter unterwegs und spiele Schach...

… aber Weltuntergangsfilme schauen Sie eher nicht?

Damit kann ich wirklich nichts anfangen. Eher schon mit tollen Filmen wie "Tomorrow", in denen Lösungen angeboten werden. 

Herr Lesch, vielen Dank für das Gespräch.

"Terra X Harald Lesch" am Dienstag um 22:45 Uhr im ZDF