Schon 2009 ist Thomas Gottschalk als Gesellschafter von Dolce Media von Bord gegangen. Als das in Folge einer Berichterstattung des "Focus" rauskam, legte er Wert auf die Feststellung, dass das nicht aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen ihm und seinem Bruder Christoph passiert sei. Zuvor hatten die beiden Gottschalk-Brüder oft genug Schlagzeilen gemacht mit ihrer gemeinsamen Firma, die 1999 die Vermarktungsrechte an "Wetten, dass..?" übernommen hatte. Das Merchandising wurde professionalisiert und die Show nach China exportiert. Diese Geschäfte mit einer öffentlich-rechtlichen Fernsehmarke wurden stets mit kritischem Auge verfolgt. Nicht selten arbeiteten Journalisten sich zunächst mal an der moralischen Anständigkeit dieser Geschäfte ab. Stichwort: Schleichwerbung und die ohnehin doch schon gut verdienenden Öffentlich-Rechtlichen. Die Präsenz von großen Marken bei "Wetten, dass..?" war beinahe selbstverständlich. Die manchmal penetrante Integration von Gummibären, Autos und Gewinnspielpartnern sogar Gegenstand von Satire.

 

Der "Spiegel" berichtet in seiner neuesten Ausgabe jedoch über Details der Verträge zwischen Dolce Media und Werbekunden, die die Frage aufwerfen, ob getroffene Vereinbarungen auch über das moralisch verwerfliche hinaus gingen. Von "dubiosen Deals" spricht ein erster Artikel bei "Spiegel Online", der am Samstagabend veröffentlicht wurde. Konkret beruft sich der "Spiegel" auf Verträge zwischen Dolce Media und Werbekunden wie DaimlerChrysler (aus dem Jahr 2003) oder Solarworld (aus dem Jahr 2010). Darin werden Details festgehalten, die mindestens Geschmäckle haben. So werde Mitspracherecht bei der von Thomas Gottschalk durchgeführten Anmoderation der zur Verfügung gestellten Autos für das Gewinnspiel zugesichert. Oder die Dauer der OnAir-Präsenz des Werbekunden und seines Produktes. Offenbar auch genaue Regieanweisungen, die der "Spiegel" jedoch nicht weiter ausführt.

Hatten die Werbekunden damit einen redaktionellen Einfluss auf die Sendung? Beim ZDF sieht man das nicht so. Es habe "keine unzulässige Einflussnahme" gegeben. Dolce Media sei darüber hinaus aber auch nicht dazu berechtigt gewesen, solche Zusagen zu machen. Die Werbekunden schenkten den Zusicherungen von Dolce Media Glauben und zeigen sich dem "Spiegel" gegenüber mit der erhaltenen Integration in die Samstagabendshow zufrieden. "Sehr zufrieden" sogar, sagt Frank Asbeck, Chef von Solarworld. Und bei Daimler bewertet man den damaligen Vertrag auch als "ganz normalen Vorgang". Wenn jedoch die Beistellung eines Gewinns und dessen Präsentation detailliert geregelt wird, wird aus dem zur Verfügung gestellten Gewinn Schleichwerbung. So sieht es auch der vom "Spiegel" zu Rate gezogene Münchner Medien- und Werberechtsexperte Gero Himmelsbach. Und der Zuschauer von "Wetten, dass..?" - ganz ohne juristische Bewertung - wird ihm zustimmen.

ZDF-Intendant Thomas Bellut, zur Zeit der besagten Verträge ZDF-Programmdirektor, klingt in dem vom "Spiegel" zitierten Aussagen auch nicht glücklich über die damaligen Praktiken. Oder vielleicht doch eher darüber, dass diese jetzt nochmal Schlagzeilen machen. Immerhin soll damit jetzt Schluss sein. "Dass die Markenrechte an 'Wetten, dass..?' in diesem Umfang extern vermarktet wurden, lag auch daran, dass Gottschalk für den Sender damals so wichtig war. Die Vermarktung der Markenrechte und die Akquise von Gewinnspielpreisen aus einer Hand gibt es nach Gottschalk nicht mehr. Es schadet dem Sender, wenn auch nur der Anschein entsteht, dass da nicht sauber agiert würde." Da hat Bellut zweifelsohne Recht. Und in Tagen in denen, ob in diesem Maße berechtigt oder nicht, ohnehin viel über die Öffentlich-Rechtlichen diskutiert wird, erst recht nicht.

Und natürlich steht auch die Frage im Raum, wie Thomas Gottschalk selbst das Thema sieht. Stärker noch als sein Bruder Christoph ist er eigentlich Mittelpunkt der Sache. Er war es, der gleichzeitig die Deals seines Bruders zu erfüllen hatte und doch eigentlich auch/nur Moderator im Auftrag des ZDF war. Ein, noch sehr höflich formuliert, schwieriger Spagat. Bei all der Aufregung, die der "Spiegel" darum macht und es sogar zum Titelthema erhebt - neu sind die Vorwürfen eben nicht. Schon 2010 widmete sich Peer Schader für die DJV-Zeitschrift "Journalist" intensiv dem Thema.