Im Februar kehrte Magnus Kastner, der 18 Jahre zuvor schon einmal bei MTV gearbeitet hatte, auf seinen neuen Posten mit dem griffigen Titel "Executive Vice President und Managing Director Viacom International Media Networks Northern Europe" zu Viacom zurück. Und was er vorgefunden hat, hat ihm augenscheinlich nicht wirklich gefallen. Nicht mal fünf Monate nach seinem Antritt verkündet er in einem Gespräch mit Jochen Kalka und Petra Schwegler von "Werben & Verkaufen" nun jedenfalls einen gewaltigen Umbau - auch wenn er betont: "Wir sind ein kerngesundes Unternehmen".

Ein Unternehmen, das in den vergangenen Jahren immer mehr auf eine länderübergreifende Struktur gebaut hatte und dabei ein wenig vernachlässigt hat, dass Skandinavien womöglich doch etwas anders tickt als Deutschland, Polen anders als die Benelux-Länder. Zwar wird es auch weiterhin die "Brand Heads" geben, die länderübergreifend für die Sendermarken - künftig aufgeteilt in die Bereiche "Youth & Entertainment" (u.a. VIVA, MTV, Comedy Central) und "Kids & Family" (Nickelodeon) - verantwortlich sind, auf Augenhöhe damit werden aber nun wieder General Manager für die Regionen Skandinavien, Benelux, Polen und Deutschland/Österreich/Schweiz installiert. Der Posten für Deutschland ist noch nicht besetzt, ihn übernimmt Kastner interimsweise selbst. "Die neuen Führungsköpfe sollen in ihren Märkten freier handeln, sollen noch schneller auf regionale Herausforderungen und Chancen reagieren können. Das gilt insbesodnere für die Digitalisierung der Märkte", umreißt Kastner in "w&v" die Idee.

Kastner baut also zum Einen die Unternehmensstruktur ganz entscheidend um. Doch nach Außen hin wird man hierzulande vor allem andere Veränderungen wahrnehmen. Kastner ordnet nämlich das Senderportfolio neu. Und der große Verlierer dieser Maßnahmen ist Viva. Als MTV 2011 ins Pay-TV wechselte, sollte Viva noch zum Aushängeschild werden, die Zuschauer, die nicht mit ins Pay-TV wechseln, auffangen und erhielt so eine zentrale Stellung. Rund zweieinhalb Jahre später verkündet Kastner im "w&v"-Interview nun, dass Viva ab Oktober gerade mal noch elf Stunden täglich zwischen 6 und 17 Uhr senden wird.

Viva wird damit gewissermaßen zum Programmfenster von Comedy Central degradiert. Der Sender, der sich bislang eine Frequenz mit Nickelodeon geteilt hat und nur zwischen 20:15 Uhr und 6 Uhr morgens auf Sendung war, teilt sich die Frequenz dann mit Viva und startet bereits um 17 Uhr. Damit trägt man der guten Quotenentwicklung und der Werbenachfrage Rechnung: "Wir glauben, dass wir strategisch mit Comedy Central zu diesen Zeiten besser aufgestellt sind - auch was die Buchungssituation betrifft."

Der Kindersender Nickelodeon, der sich seit Ende 2008 den Platz mit Comedy Central geteilt hat, wird künftig hingegen wieder rund um die Uhr senden. Im vergangenen Jahr witzelte Mark Specht vom Viacom-Vermarkter angesprochen auf solche Pläne im DWDL.de-Interview noch: "Ich glaube, dass es mindestens einen, wenn nicht ab Januar sogar zwei Sender geben wird, die uns darum beneiden, ein schlüssiges Konzept für die Primetime zu haben." Nun steht Nickelodeon also doch vor dieser Aufgabe, ein solches schlüssiges Primetime-Konzept für einen Kindersender zu entwickeln.

Und so soll es laut Kastner aussehen: "In den Abend gehen wir künftig anders als der Wettbewerb nicht mit Familienprogramm. Wir sprechen auch am Abend die Kids an. Dabei werden wir mit der Programmierung den Bettgehzeiten der Kinder und Jugendlichen folgen. Mit jeder Stunde werden wir also immer älter und sprechen immer mehr Teenager oder sogar Twens an." Das Problem, dass sich Jugendliche jenseits der 14 nicht mehr von einem Kindersender angesprochen fühlen könnten, räumt dabei auch Kastner ein: "Daher überlegen wir, ob wir diese abendliche Zeitschiene nicht auch neu benennen. (...) Wir wollen der Kernmarke Nickelodeon treu bleiben, denken aber gezielt über eine Submarke nach." Neu sind solche Überlegungen nicht. Als Nickeloden schon einmal ein 24-Stunden-Kanal war, da hieß die abendliche Zeitschiene beispielsweise "Nick Comedy", in Amerika sendet man abends als "Nick@Nite". Die neue Konkurrenz durch den Disney Channel sieht Kastner gelassen. Die Sorgenfalten seien jedenfalls "nicht tief". "Deshalb bauen wir Nickeloden ja aus! Mit unserem klaren Fokus auf Kids und der erweiterten jungen Zielgruppe am Abend werden wir einen entscheidenden Teil vom wachsenden Kuchen abbekommen. Unsere Strategie heißt konsequent: weniger Familie, mehr Kids und Millennials."

Stellt sich schließlich noch die Frage nach dem Verbleib von MTV, das Kastner als "nach wie vor unser Markenflaggschiff" bezeichnet, das in Deutschland durch den Wechsel ins Pay-TV zuletzt gleichwohl eher ein Schattendasein fristete. Das räumt auch Kastner erstaunlich unumwunden ein. Auf die "w&v"-Feststellung "Zuletzt war MTV ja fast verbannt" sagt er "In Deutschland waren wir in der Tat auf dem besten Wege, doch in anderen Märkten in Europa und weltweit hat MTV einen ganz anderen Stand." Gegensteuern will Kastner, indem MTV ab Herbst als MTV HD, also als HD-only-Marke positioniert wird. Kastner will zwar nicht bestätigen, dass der Sender dann via HD+ zu empfangen sein wird, vieles deutet aber darauf hin. Damit wäre der Sender zwar immernoch nicht kostenfrei empfangbar, wäre aber zurück aus dem klassischen Pay-TV und im Senderangebot wieder bei den großen Sendern zu finden.

Eine wieder höhere Reichweite ist für Kastner jedenfalls das erklärte Ziel. Auf die HD-Plus-Spekulation und die damit noch immer begrenzte Reichweite angesprochen antwortet er: "Klar würden wir dann noch nicht von einer 20-Millionen-Zuschauer-Reichweite sprechen. Aber die Etablierung von MTV als HD-only-Brand in Deutschland wäre für uns der konsequente nächste Schritt in eine digitale Zukunft von MTV." Überhaupt gehe es darum, auf "die heutige Realität des Bewegtbildkonsums junger Zielgruppen" zu reagieren. "Wenn eine Marke die digitale Zukunft mitgestalten muss, dann ist es MTV!" Ansätze gibt es schon etwa bei der Zusammenarbeit mit Netflix, dazu kommen VoD-Angebote wie in der "MTV Under the Thumb"-App oder das Music-Streaming-Angebot "MTV Music powered by Rhapsody". "Das zukünftige Potenzial von MTV liegt klar in einer weiteren Diversifizierung und im nachhaltigen Wachstumsbereich HD", so Kastner.