"Ransom" – zu deutsch "Lösegeld" – hat eine faszinierende Vorlage im wahren Leben. Der französische Kriminologe Laurent Combalbert baute für RAID, die berüchtigte Spezialeinheit der französischen Nationalpolizei, eine professionelle Verhandlungsführung in Krisensituationen wie etwa Geiselnahmen auf, verhandelte selbst in mehr als 200 Einsätzen und führt seit seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst eine Agentur, die weltweit Hilfe in geschäftlichen, politischen oder diplomatischen Krisen anbietet. Konzerne wie Bayer, Henkel oder Sony stehen ebenso auf der Kundenliste wie Verteidigungsministerien und Zentralbanken.

In seinen Büchern und Vorträgen hat Combalbert Spannendes zu sagen. Wie er bei einem missglückten Gefängnisausbruch die Geiselnehmer 19 Stunden am Stück in die Ermüdung verhandelte. Oder – noch heikler – wie einstmals staatliche Aufgaben von höchster Sicherheitsrelevanz mehr und mehr auf hoch spezialisierte, private Dienstleister ausgelagert werden. Von alldem erzählt "Ransom" – so gut wie nichts. Showrunner Frank Spotnitz ("Crossing Lines", "The Man in the High Castle") nennt zwar stolz Combalbert als Berater seiner Serie, kommt dann aber doch mit einem 08/15-Krimi daher, den er wohl auch allein hingekriegt hätte.

 

Bei Spotnitz heißt die Hauptfigur Eric Beaumont, wird von Luke Roberts ("Black Sails", "Wolf Hall") gespielt und ist stets ein bisschen zu sehr aus dem Ei gepellter Schönling, um dem Original nahe zu kommen. Beaumont gilt als einer der besten Verhandler der Welt und wird mit seinem Team zu Kriminalfällen gerufen, in denen die Polizei nicht mehr weiter weiß. In der ersten Folge geht es um ein Elternpaar aus Denver, das acht Jahre nach dem Verschwinden seines kleinen Sohns plötzlich eine Lösegeldforderung erhält. Weitere Fälle sind ein an Leukämie erkrankter Baseballspieler, dem ein Erpresser die passende Knochenmarkspende vorenthält; ein Banküberfall, bei dem es den Tätern nicht um Geld, sondern unterdrückte Beweismittel geht; eine inhaftierte Extremistin, die verheerende Terroranschläge in New York ankündigt; oder ein reiches Charity-Paar in Frankreich, dessen hochschwangere Leihmutter entführt wird.

Wie es sich für ein klassisches Crime Procedural gehört, ist der Fall der Woche am Ende der jeweiligen Episode gelöst. Darüber hinaus erzählt "Ransom" eine kleine, nicht allzu spannende horizontale Linie, die mit Beaumonts Vergangenheit zu tun hat und mit der jungen Verhandlerin Maxine Carlson (Sarah Greene), die unbedingt Mitglied seines Teams werden will, obwohl (oder weil?) ihre Mutter vor Jahren bei einem von Beaumonts Einsätzen ums Leben kam. Weitere Spezialisten in Beaumonts Firma "Crisis Resolution" sind die Ex-Polizistin Zara Hallam (Nazneen Contractor) und der Profiler Oliver Yates (Brandon Jay McLaren). Solche am Reißbrett entwickelten Multikulti-Ermittlerteams hat man schon unzählige Male in US-Crime-Serien von "Navy CIS" bis "Criminal Minds" gesehen, nur dort waren etliche Episodenbücher psychologisch wie dramaturgisch raffinierter geschrieben.

Dank genügend Action, gewohnt schneller Taktung und hohem Production Value lassen sich ein bis zwei Folgen "Ransom" zur angenehmen Zerstreuung weggucken. Doch streng genommen, löst die Serie ihr Versprechen nur halbherzig ein, weil die "Verhandler" oft genug eben doch nur verkappte Ermittler sind. Und wenn dann doch mal ein paar Minuten am Stück verhandelt wird, klingt es für geübte Krimigucker recht schnell abgedroschen. Wortwitz und Originalität von "Rizzoli & Isles", bei Vox direkt vor "Ransom" im Einsatz, werden nicht annähernd erreicht.

Wesentlich origineller als die Serie selbst ist freilich deren Finanzierung. Das US-Network CBS, Heimat der weltweit erfolgreichsten Crime Procedurals, hat es zu einer gewissen Meisterschaft darin gebracht, sich Primetime-Serien für quoten- und werbeschwächere Programmzonen – in diesem Fall den Samstagabend – überwiegend von ausländischen Geldgebern finanzieren zu lassen, so dass die US-Ausstrahlung quasi ab dem ersten verkauften Werbespot Gewinne abwirft. In "Ransom" stecken Gelder aus gleich zwei kanadischen Steueranreizsystemen, dem "Ontario Film & Television Tax Credit" und dem "Canadian Film or Video Production Tax Credit"; außerdem Fördergelder und steuerliche Vergünstigungen der staatlichen französischen Filmförderung CNC sowie des Canada Media Fund. Offiziell ist die Serie eine kanadisch-französische Koproduktion. Das erklärt auch, warum rund ein Drittel der Episoden an der Côte d'Azur und anderen südeuropäischen Orten spielt.

Und dann ist da noch die Mediengruppe RTL Deutschland, die kurz vor Drehbeginn im Sommer 2016 als eine Art Junior-Koproduktionspartner mit eingestiegen ist und die fertige Serie knapp drei Monate nach der US-Premiere nun auf ihrem Sender Vox zeigt. Deutsche Privatsender versuchen sich vermehrt als Koproduzenten typischer US-Crime-Procedurals, seit es nicht mehr so viel Nachschub davon auf dem herkömmlichen Weg per Lizenzeinkauf gibt. Das Problem dabei: Risiko und Kosten steigen, das kreative Mitspracherecht nur bedingt – und ein bestenfalls durchschnittliches Resultat wie "Ransom" lässt nicht gerade hoffen, dass deutsches Sendergeld hier optimal angelegt ist.

Vox zeigt "Ransom" mittwochs um 21:15 Uhr. Heute und am 5. April laufen jeweils Doppelfolgen, danach dann einzelne Episoden.

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