Gerne werden die Television Academy und ihre Emmys als Vorbild für Fernsehpreise angeführt. Die Abstimmung durch die Mitglieder statt einer Fachjury macht den Unterschied, schwärmen Befürworter. Doch die Masse der Abstimmenden macht Emmy-Entscheidungen oft träge, so das Urteil der Kritiker in den vergangenen Jahren. Unumstritten sind also auch die Emmys nicht, aber eins würde niemand in der Branche bestreiten: Kein Fernsehpreis der Welt hat eine solche Strahlkraft wie die Primetime Emmys, die am 17. September zum 69. Mal verliehen werden.

Und was hat man nun von einem Emmy? Kann man sich davon etwas kaufen? Im Grunde ja, denn kein anderer Fernsehpreis hat ein größeres Prestige und damit größere Auswirkungen auf Wahrnehmung, auf internationale Verkäufe oder auf Entscheidungen über Verlängerung oder Einstellung. Wer einen Emmy gewinnt und welches Network wie viele - das ist damit mehr als nur Selbstbeweihräucherung. Die Emmys sind - manchmal versteckt unter all dem Glamour von rotem Teppich und Aftershow-Parties - ein Wirtschaftsfaktor. Aber wie wurden die Emmys, was sie heute sind? Reisen wir zurück in die 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

Als die Television Academy - die Jahre lang unter dem oft noch verwendeten Titel Academy of Television Arts & Sciences firmierte - Mitte der 1940er Jahre entstand, wollte ihr Initiator Syd Cassyd eigentlich gar keine Preise vergeben. Ihm ging es darum, dem neuen Medium Fernsehen und allen, die in dieser experimentellen Branche arbeiteten, eine Plattform zum Austausch zu bieten. Erst zehn Jahre später, die ersten Emmys waren vergeben, entwickelte sich die Television Academy in erster Linie zum Ausrichter eines Fernsehpreises, den anfangs kaum jemand interessierte.

Die ersten Emmys wurden bereits 1949 vergeben. Damals jedoch nur an TV-Produktionen aus dem Großraum Los Angeles, wo die Academy gegründet wurde. Nur sechs Preise wurden damals vergeben bevor in den folgenden Jahren TV-Produktionen aus allen Teilen der USA berücksichtigt wurden. Dazu muss man wissen: Es gab in diesen frühen Jahren des Mediums Fernsehen in den USA noch kaum landesweit bekannte Fernsehprogramme, dafür weit mehr lokale Fernsehsender und besonders -formate als heute. Die Emmys waren gerade dabei sich zu etablieren, da kam Kritik auf bei TV-Produzenten an der Ostküste der USA. Ihnen war die Fixierung der Academy auf Los Angeles nicht ganz geheuer.

Kurzerhand wurde in New York 1955 eine zweite Academy gegründet. Nach zwei Jahren der Eitelkeiten und Befindlichkeiten fusionierten beide 1957 zur Academy of Television Arts & Sciences. Der neue Name der Organisation spiegelt sich auch in der Trophäe, die den Emmy-Gewinnern überreicht wird, wieder: Flügel auf dem Rücken stehen für die Kunst, ein in die Luft gestrecktes Atom für die Wissenschaft des Fernsehens. Die Emmy-Statue stehe damit für die Balance zwischen Kreativität und Handwerk der Branche.

Erst in den 60er Jahren wurde die Emmy-Verleihung professionalisiert. Eine PR-Idee erwies sich als sehr wirksam und wird noch bis heute praktiziert: Die Bekanntgabe der Nominierten wurde, ähnlich wie bei der Oscar-Verleihung, ebenfalls schon als eigener Event inszeniert. Vordergründig ging es voran, der Preis war inzwischen für die Fernsehbranche das Maß der Dinge. Doch hinter den Kulissen brodelte der Kampf zwischen West- und Ostküste trotz Vereinigung weiter. Noch heute sind sich die beiden Küsten-Standorte bekanntlich gegenseitig suspekt.

Die wilden 70er: Drei Veranstalter, ein Markenname

1969 wurde die International Academy of Television Arts & Sciences gegründet, um künftig auch ausländische, internationale TV-Programme mit dem International Emmy Award zu ehren. 1974 wurden zum ersten Mal die Daytime Emmy Awards gesondert in einer eigenen Preisverleihung vergeben. Die Emmys erlebten ihre Blütezeit - wäre da nur nicht der Streit zwischen den Mitgliedern der West- und Ostküste gewesen. 1977, nach Jahren der offenen Feindschaft, entschied man sich wieder zur Trennung - mit interessanten Folgen: Fortan gab es in Los Angeles die Academy of Television Arts & Sciences (ATAS) und in New York die National Academy of Television Arts & Sciences (NATAS).

Beide Organisationen behielten gleiche Rechte an der Marke Emmy. Die ATAS übernahm die Ausrichtung der Primetime Emmys, die NATAS die Verleihung der Daytime Emmy Awards und dann gab es ja noch die internationale Schwester. Und daran hat sich bis heute nichts geändert: Drei unabhängige Veranstalter mit fast identischem Namen verleihen Preise, die so klingen als gehörten sie zusammen - und tun es doch nur indirekt.

Ein Dilemma: Zu viel Preise für nur einen Abend

Doch gehen wir doch noch einmal zurück zu den Primetime Emmy Awards der späten 70er Jahre: Längst waren so viele neue Kategorien hinzugekommen, dass man sich 1978 unter Protest von Kreativen gezwungen sah, von 83 Kategorien auf 57 zu kürzen. Ein kleiner Trost für den Deutschen Fernsehpreis: Auch die berühmten Emmys hatten schwierige Jahre innerhalb der US-Branche, doch man fand eine Lösung: Es wurden einfach zwei Verleihungen abgehalten. Die Mehrzahl der Preise wurde fortan in einer gesonderten Veranstaltung verliehen, die heute als Creative Arts Emmy Awards firmiert und inzwischen jeweils am Wochenende vor der Live-Verleihung der Hauptkategorien stattfindet. Inzwischen mussten aufgrund der Vielzahl der Kategorien selbst die Creative Emmy Arts Emmys noch auf zwei Abende expandieren.

Wie schon erwähnt: Trends zu erkennen und zu adaptieren - in der Geschichte der Emmys ist das immer wieder eine Schwäche der Academy, weil Entscheidungen in den meisten Fällen von der Masse der Mitglieder getragen werden müssen und die Masse bewegt sich träge. Erst 1988 wurde den in den 80er Jahren entstandenen Kabelsendern die Teilnahme an den Primetime Emmy Awards gestattet. Zuvor und noch einige Weile parallel gab es deshalb die Cable Ace Awards, die inzwischen aber längst TV-Geschichte sind. Doch nicht nur die Kabelsender waren plötzlich neu auf dem TV-Markt: Zu den etablierten US-Networks ABC, CBS und NBC stieß der neue Wettbewerber FOX hinzu.

Lukrative Exklusiv-Deals schadeten den Emmys

Und der wollte so gar nicht kuscheln mit den anderen drei Sendern. Im Gegenteil: Bislang hatten die drei großen Sender die Primetime Emmys stets im Wechsel übertragen. Doch das Spiel wollte FOX nicht mitspielen. 1987 sicherte sich der neue Sender für 3 Millionen Dollar pro Jahr gleich über mehrere Jahre die exklusiven Übertragungsrechte an der Verleihung - und das nur wenige Monate nach dem Start des Senders. Einmal mehr war das Image der Emmys und der Academy beschädigt. Diese rechtfertigte sich: Im Vergleich zu dem, was die Motion Picture Academy mit den Oscars verdiente, wären die Einnahmen durch Vermarktung der Emmys minimal - nicht einmal ein Zehntel. Das lukrative Angebot von FOX sei da genau zur richtigen Zeit gekommen.

Bis 1992 waren die Primetime Emmy Awards also exklusiv bei FOX. Für die Verleihung bedeutete das massive Einbrüche bei den Zuschauerzahlen. FOX spielte in seinen ersten Jahren eben noch längst nicht in der gleichen Liga wie die drei anderen US-Networks. Der Sender war noch nicht einmal in allen Regionen der USA via Kabel empfangbar. 1993 schlug dann ABC zu. Erneut erhoffte sich die Academy durch einen Exklusiv-Deal mit nur einem Sender höhere Einnahmen. Immerhin 2,5 Millionen Dollar pro Jahr war ABC bereit zu zahlen. Doch einmal mehr verärgerte die Academy damit die anderen Fernsehsender - und diesmal hatten sie den Bogen überspannt. CBS, NBC und selbst FOX protestierten und boykottierten 1993 zahlreiche Emmy-Veranstaltungen, so dass die Academy of Television Arts & Sciences sich 1994 gezwungen sah, den Exklusivdeal mit ABC vorzeitig aufzulösen.

Erst Mitte der 90er Jahre fanden die Emmys zu heutiger Form

Man einigte sich in Folge dieser Ereignisse darauf, die Preisverleihung künftig turnusmäßig von einem der vier großen Networks übertragen zu lassen, was die Preisverleihung in den folgenden Jahren in ruhigere Gewässer brachte. 2001 wurde die Verleihung der Primetime Emmy Awards zweimal kurzfristig verschoben. Sie hätte am 16. September stattfinden sollen, nur fünf Tage nach den Terroranschlägen. Doch auch der Ersatztermin, 7. Oktober, wurde wieder gestrichen als die USA den Taliban den Krieg erklärt haben. Erst im November gab es dann eine Preisverleihung.

2002 brachte der PayTV-Sender HBO die Emmy-Veranstalter noch einmal in Versuchung: Man bot 10 Millionen Dollar pro Jahr für die Übertragungsrechte. Doch die Academy hatte aus dem Desaster mit den Exklusivdeals gelernt und widerstand der Versuchung. Immerhin: Die vier großen Networks waren angesichts des HBO-Angebots bereit deutlich mehr zu zahlen als bisher. Für vier Jahre zunächst 5,5 Millionen Dollar, danach für weitere vier Jahre sogar 7,5 Millionen Dollar jährlich. Und erstmals wurden die Übertragungsrechte auch ins Ausland verkauft, u.a. nach Großbritannien und Deutschland. In den Jahren 2002 bis 2008 änderte sich für die Zuschauer spürbar wenig.

Auffällig war erst 2008 wieder der Umzug der Verleihung der Primetime Emmy Awards. Von Hollywood zog es die Verleihung in das neue Nokia Theatre in Downtown Los Angeles, was seit diesem Jahr als Microsoft Theatre firmiert. Bis in die 70er Jahre hinein wechselte die Location übrigens jährlich - durch diverse Hotels und Studios in LA. Von 1977 bis 1997 - stolze 20 Jahre lang - war das Pasadena Civic Centre Austragungsort. Am 17. September gehen die Blicke der Fernsehwelt jetzt aber nach Downtown Los Angeles, wenn die 69. Primetime Emmys bei CBS bzw. in Deutschland TNT Serie übertragen werden. Die Red Carpet Show liefert wie gewohnt E! Entertainment - und das sowohl in den USA als auch Deutschland.