"Who wants to be a millionaire", "Survivor", "Big Brother", "Pop Idol" - all diese Formate waren "Game-Changer", also Formate, die weltweit den TV-Markt in unterschiedlicher Hinsicht deutlich verändert haben. Doch blickt man genauer auf diese Formate, dann fällt auf: Alle sind schon über zehn Jahre alt. Fremantle Media-Chef Gary Carter konstatierte daher auf dem Internationalen Filmkongress in Köln am Dienstag auch, dass es eine ganze Dekade ohne solche "Game-Changer" gab. Und er habe momentan noch nicht mal eine Ahnung, wie genau der nächste "Game-Changer" aussehen können.

Carter stellte die Theorie auf, dass wir vielleicht sogar bereits in einem "Post-Megaformat-Age" leben. Auf der nachfolgenden Diskussionsrunde ging Georg Hirschberg, Chef der Produktionsfirma Prime Productions, sogar noch weiter: Aus seiner Sicht würde es der Markt ein neues "Mega-Format" gar nicht mehr verkraften. Das Publikum sei inzwischen so stark ausdifferenziert und habe so unterschiedliche Interessen, dass ein "Mega-Format" für große Zuschauergruppen kaum noch zu realisieren sei. Stattdessen seien kleinere, spezialisierte Formate gefragt. Wenn man heute an den Bahnhofskiosk gehe, finde man schließlich ein Vielfaches der Auswahl früherer Jahre.

Ist die Suche nach dem "Next Big Thing" also schlicht aussichtslos? Eyeworks Deutschland-Chef Oliver Fuchs gab sich da schon optimistischer. Bei Eyeworks glaube man sehr wohl daran, dass es weitere "Megaformate" geben werde - und habe daher über zwei bis drei Jahre bewusst Geld gespart und dann einen siebenstelligen Betrag in die Hand genommen und in Holland einen "Writer's Room" eingerichtet. In dieser Ideenschmiede soll das nächste große Entertainment-Format entstehen.

Eines wird durch die Eyeworks-Aktion in jedem Fall deutlich: Um einen solchen neuen Erfolg finden zu können, muss Geld in die Hand genommen und verstärkt entwickelt werden - und da landet man schnell bei der altbekannten Mut-Diskussion. Der Großteil der Fernsehsender fahre - nicht nur in Deutschland, sondern weltweit - eine "Risikovermeidungsstrategie", so Fremantle Media-Chef Carter bereits in seiner Keynote. Man halte inzwischen lieber an bewährten Formaten fest und entwickle diese weiter, statt das Risiko einer Neuentwicklung einzugehen.

Es sind vor allem die kleineren Sender, die hier manchmal noch andere Wege gehen - nur das dann eben mit entsprechend geringen Budgets. Filmpool-Chef Stefan Oelze hob in diesem Zusammenhang RTL II hervor. Dort habe man sich bei beispielsweise bei "Berlin - Tag & Nacht" getraut, andere Wege zu beschreiten und werde dafür nun belohnt. Auch ZDFneo wurde als positives Beispiel genannt. Doch gleichzeitig stellt sich auch die Frage: Wo sind die Plätze für Experimente und neue Ideen bei den großen Sendern - gerade auch bei den öffentlich-rechtlichen, die vergleichsweise frei von Quotensorgen sein könnten?

Geradezu bemerkenswert war da das Experiment mit Thomas Gottschalk im ARD-Vorabend - das allerdings bekanntlich grandios scheiterte. Ute Biernat, die mit ihrer Produktionsfirma Grundy Light Entertainment für "Gottschalk Live" verantwortlich zeichnete, zeigte sich aber immerhin überzeugt, dass die ARD trotz dieser Erfahrungen nun nicht noch stärker den Mut verlieren werde. Und auch bei Grundy Light Entertainment werde man den Kopf nicht in den Sand stecken. Im Gegenteil: Es gebe nun eine "Jetzt erst recht"-Haltung. "Davon lasse ich mich doch nicht verunsichern", so Biernat. "Es war ein Experiment und wir hatten eine 50:50-Chance."

Dass es daneben gehen könne, sei allen Beteiligten klar gewesen. Niemand kenne das Geheimrezept für 100-prozentigen Erfolg. Doch man müsse weiterhin offensiv entwickeln. "Eine Fehlervermeidungsstrategie führt im kreativen Prozess ins Nirvana. Dann findet gar nichts mehr statt", so Biernat unter dem Beifall des Publikums. Durchaus selbstkritisch sagte sie mit Blick auf die deutsche Branche aber auch, dass die Entwickler von TV-Formaten häufig noch zu sehr im "Elfenbeinturm" sitzen und wieder näher an die Menschen heran müssten. "Auch ich fahre zu wenig Bus und höre, worüber dort geredet wird", so Biernat. Stattdessen werde zu häufig ins Ausland und zur Konkurrenz geschaut, was dort bereits erfolgreich läuft.

Und noch einen Hemmschuh für Format-Innovationen hat die Runde der Produzenten ausgemacht: Die bislang zu schlechte internationale Vermarktung deutscher Formate. Das sei auch darauf zurückzuführen, dass derzeit die Sender häufig alle Rechte für sich beanspruchen. Eyeworks-Chef Oliver Fuchs wusste von einem Format zu berichten, das Eyeworks komplett selbst entwickelt habe, bei dem ProSiebenSat.1 aber nun alle Vertriebs- und Formatrechte haben will. "Da stelle ich doch die Frage: Wer hat's erfunden?", so Fuchs. Man denke daher derzeit darüber nach, das Projekt unter diesen Bedingungen abzusagen. Auch Georg Hirschberg von Prime Productions sprach sich gegen diese Rechte-Konzentration bei den Sendern aus. Auch die führe dazu, dass deutsche Formate auf dem internationalen Markt nur wenig beachtet würden - dabei liegen dort weitere Einnahme-Quellen, die sich manchmal sogar unverhofft auftun. So sei es aufgrund erfolgreicher YouTube-Clips nicht nur gelungen, das längst abgesetzte "Kesslers Knigge" nach Frankreich zu verkaufen, inzwischen laufe sogar "Knallerfrauen" untertitelt in China - und kommt dort auf Hunderte Millionen Abrufe. Reich wird Prime Productions damit aber nicht. Die Einnahmen aus China bewegen sich eher auf dem Niveau einer Frühlingsrolle, so Hirschberg.