Mr. Fuller, neben "American Gods" haben Sie mit "Star Trek: Discovery" noch eine zweite Serie, in der Sie momentan involviert sind. Sollte sich im Idealfall nicht auf ein Projekt konzentriert werden?

Das ist richtig, deswegen habe ich mich während der Dreharbeiten zur ersten Staffel von "American Gods" auch vollkommen auf diese konzentriert. Für "Star Trek: Discovery" habe ich nämlich lediglich die ersten zwei Episoden geschrieben und die fortlaufende Geschichte definiert. Ich werde auf diversen Plattformen zwar als Schöpfer genannt, habe mit der Produktion an sich aber nichts am Hut und hatte dafür umso mehr Energie, die ich in Neil Gaimans Geschichte packen konnte. 

Welcher Aspekt hat Sie davon überzeugt, aus dem Roman von 2001 eine Serie zu machen?

Neil Gaiman hat mit seinen Worten eine einzigartige Welt geschaffen, die zusätzlich die Macht hat, tolle Diskussionen auszulösen. Damit meine ich Gespräche über Integration, Religionen, woran Menschen im Leben glauben, wem sie im Alltag vertrauen und auch Gespräche darüber, wie verschiedene Herkünfte und Ansichten unser Dasein prägen. Der Gedanke, ein Projekt ins Leben zu rufen, dass diese Gespräche zeitgleich auf der ganzen Welt auslösen könnte, hat mir eine Gänsehaut verpasst, die mich nicht mehr losgelassen hat. Um noch einen Aspekt zu nennen, der wohl alle Nerds, wie ich einer bin, fasziniert: Superhelden. Die Götter in "American Gods" sind streng genommen welche, und der Fakt, dass sie so viele Kulturen einbringen, die aus der ganzen Welt stammen, hat sich wunderbar mit der Kernaussage verbinden lassen.  

Für diejenigen, die noch nicht in "American Gods" reingeschaut haben: Würden Sie sagen, dass die Serie durchweg ernst bleibt, um dem Thema gerecht zu bleiben?

In meinen Augen haben wir es geschafft, sehr witzige Momente einzubauen, die wegen der strengen Grundatmosphäre selten erwartet werden können. Da kann man natürlich Gefahr laufen, sich herbe zu blamieren. Dank Neils Vorlage wussten wir aber stets, wann was angebracht ist und wie weit wir wo gehen können. Religion ist in meinen Augen sowieso ein Thema, über das man auch Witze machen können muss. Viel zu viele Menschen sehen ihren Glauben viel zu verbissen. Im Allgemeinen würde ich sagen, dass die Zuschauer genau den Humor erwarten können, den es bereits im Buch gab. Für diejenigen, denen "American Gods" noch völlig fremd ist: Es ist eine etwas dunklere Geschichte mit gelegentlich noch schwärzerem Humor.  

Wie Sie bereits erwähnten geht es auch um Immigration. Die politische Lage auf der Welt war in den vergangenen Monaten sehr aufwühlend, hat man so etwas während der Dreharbeiten im Hinterkopf?

Wir haben die Dreharbeiten zu "American Gods" im vergangenen Oktober beendet. Damit haben wir die letzten politischen Höhepunkte wie Donald Trumps Wahlsieg knapp verpasst. Ich bin zwar alles andere als froh über diese Ereignisse, freue mich jedoch, dass wir genau jetzt zur Stelle sind und mit unserer Serie einen Teil zur großen Diskussion beitragen können.

Makaber gesehen könnte man sagen, dass "American Gods" dank Trump und Co. etwas mehr aufmerksam ergattern kann. 

Das ist wohl wahr. Man darf aber nicht vergessen, dass wir im Grunde auch eine unterhaltsame Geschichte erzählen wollen. Hier geht es um Shadow Moon, der aus dem Gefängnis frei kommt und plötzlich in einer Welt klar kommen muss, in der alte und neue Götter aufeinandertreffen. Inmitten der absurdesten Geschehnisse geht er auf Selbstfindungsreise durch Amerika und schlägt damit den Bogen zu eben angesprochenen Themen. Obendrauf kommen noch allerhand andere Themen, die erläutert werden. Sinn wird dieses Konstrukt aber erst dann machen, wenn man sich auch wirklich auf die Charaktere einlassen kann und sich für ihre Geschichten interessiert. Das ist das Gleiche im echten Leben: Interessiert man sich nicht für seine Mitmenschen, hat man auch kein Ohr für ihre Geschichten.

American Gods© Amazon

Mit Starz hatten Sie zum ersten Mal einen Pay-TV-Sender als Arbeitgeber - das bedeutet, dass Ihnen mal nicht gesagt wurde, was Sie in der Serie, die hierzulande bei Amazon läuft, zeigen dürfen und was nicht. Wie sehr nutzt man das aus?

Wer das Buch kennt weiß, wie sehr ich mir die Hände gerieben habe. Bereits in der ersten Folge zeigen wir wie die Göttin Bilquis einen Mann mit ihrer Vagina isst. Ich habe wirklich keine Ahnung, wie wir diese Situation auf einem öffentlichen Sender umgesetzt hätten. Lustigerweise hat Starz explizit diese Szene genommen und uns gefragt, wie wir das umsetzen wollen. "Genau so, wie es von Neil geschrieben wurde", antwortete ich und bekam ein verständliches "Natürlich!" zurück (lacht). Wer den Sender kennt weiß, dass Starz offen mit Ideen aller Art umgeht. 

Das klingt ganz so, als könnte "American Gods" ein neuer Lichtblick ihrer Karriere werden. Haben Sie etwas aus ihren früh gecancelleten Serien "Dead Like Me", "Wonderwalls", "Pushing Daisies" und "Hannibal" gelernt?

Ich bin mir nicht sicher, ob ich irgendetwas gelernt habe (lacht). Das ist aber auch nicht schlimm, da ich von Anfang an wusste, wie ich meine Geschichten erzählen möchte. Das hat sich mit der Zeit und den Rückschlägen nicht geändert. Als Künstler solltest du dir bewusst sein, was du machen möchtest und dein Vorhaben nicht sofort dann ändern, wenn dir ein Arbeitgeber sagt, dass es nicht genug Menschen mögen. Würde ich jetzt anfangen, Projekte zu beginnen, bei denen ich weiß, dass sie dem Mainstream gefallen, hinter denen ich aber persönlich nicht stehen kann, würde ich mich verkaufen. Das ist der erste Schritt Richtung Wahnsinn, den ich vermeiden möchte. Natürlich wäre es aber schön, wenn "American Gods" länger überlebt, als "Hannibal" (lacht). 

Und was werden Sie in Hinsicht auf mögliche Kritik dieses Mal auf keinen Fall tun? 

You-Tube-Kommentare lesen. (lacht)

Mr. Fuller, vielen Dank für das Gespräch.