Ich seh blau. Immer wieder blau. Ich seh blau, wenn ich Krimis schau. Also nicht solche Krimis, die mit einem gewissen Anspruch daherkommen, sondern vor allem die Gebrauchsware für den täglichen Konsum. Da seh ich immer wieder blau. Oder besser gesagt: Ich sehe Blaulicht. Immer wieder Blaulicht.

Es ist eigentlich stets der gleiche Ablauf. Erst kommt der Vorspann der Krimireihe, dann die Exposition mit einer Einstellung aus oder auf den Himmel, dann mehr oder weniger lang der Tatablauf, und dann Schnitt. Auftritt: das Blaulicht.

Deutsche Krimiregisseure lieben Blaulicht. Blaulicht zaubert so wunderbar wechselnde Muster in die Gesichter der Ermittler, die mit Blaulicht angerauscht kommen, und im Fernsehen auch mitten am Tag, wenn jeglicher Zwang zur Eile verflogen ist, ihr Blaulicht nicht abstellen. Es sieht halt so schön aus, wenn da drei Polizeiwagen mit rotierendem Blaulicht stehen und vor sich hinblinken. Das wertet auch die banalste Szenerie auf, bringt eine gewisse Dramatik ins Geschehen.

Bemerkt habe ich das schon öfter, aber richtig aufgefallen ist es mir Anfang des Monats beim Bremer „Tatort“. Da wurden die Kommissare zu einem alten Mann gerufen, der seine Frau umgebracht hatte und dann sich selbst meucheln wollte. Als die Kommissare anrauschten, natürlich mit Blaulicht am helllichten Tag, wurde der alte Mann gerade in den Krankenwagen geschoben. Es gab also keinerlei ersichtlichen Grund, warum an mehreren Polizeifahrzeugen das Blaulicht weiter laufen muss, außer, dass es so schön aussieht.

Das ist traurig, aber kein Einzelfall. Ein kurzer Streifzug durch die Mediatheken und die Vorabvorführräume der Sender belegt, dass die vom Bremer „Tatort“ nicht allein sind. Schalten wir mal in zwei Episoden von „Der Alte“. In der vom 16. März funkelt das Blaulicht in Minute neun, in der vom 23. März in Minute zwei.

Bei „Bella Block“ gestern kam das Blaulicht in Minute fünf zum Zuge. Auch der „Polizeiruf 110“ startet heute Abend mit Blaulicht. Gleich in der ersten Szene, was ausnahmsweise mal sinnvoll wirkt, weil es nicht die Kommissare sind, die illuminiert werden, sondern ein unbekannter Mann, der einen Feuerwehreinsatz beobachtet. Ganz offensichtlich brennt gerade sein Haus ab.

Gegen solche Szenen ist nichts einzuwenden. Viel allerdings gegen den Manierismus, Blaulicht immer so anzuwenden, dass es lediglich dazu da ist, banale Szenen optisch aufzuwerten. Als schlechtes Beispiel kann da etwa die „Soko Hamburg“ dienen. In der Folge, die am Dienstag läuft, kommt das Blaulicht in Minute neun zum Einsatz, wieder mal am helllichten Tag. Es ist nicht direkt zu sehen, nur sein Widerschein, der das Gesicht eines Zeugen beflackert, der gerade im Polizeibus vernommen wird. Ganz billige Dramatik. Auch in der Folge vom dritten April ist wieder Blaulichtalarm in Hamburg. Da dauert es bis zur sechsten Minute. In der rauschen die Ermittler blaulichtig an und lassen ihr Licht auch nach dem Aussteigen rotieren. Schwer albern. Und billig dazu.

Ich mache mir in solchen Fällen richtig Sorgen um die Kommissare, die ständig im Schein solcher Flashlight-Attacken arbeiten müssen. Oder mögen die ihre Tätigkeit unter Stroboskop-Einfluss, weil es alles, was sie gerade tun, so wichtig erscheinen lässt?

Als Psychologe vom Dienst denke ich, dass der letztgenannte Grund der entscheidende ist. Man kann das leicht herausfinden, wenn man etwa einem Kind ein Geschenk ankündigt und es dann wählen lässt zwischen einem Auto mit und einem ohne Blaulicht. Welches wird es wohl wählen?

Richtig. Nur finde ich, dass sich das Fernsehen so langsam aus dieser Kinderimponierschleife befreien könnte. Kann nicht jemand mal einen Leitfaden aufstellen für sinnvollen Blaulichteinsatz in Fernsehkrimis? Da müsste drin stehen, dass Blaulicht nur sinnvoll ist, wenn es eilig ist oder der Warnung von heranrauschenden Verkehrsteilnehmern dient. Es ist nicht sinnvoll am Tag, wenn es keinen wirklichen Grund zur Eile gibt.

Aber wahrscheinlich plädiere ich hier vergebens, weil die Zuschauer das alles so wollen. Hat mir zumindest ein Produzent verraten. Ich weiß inzwischen auch warum. Oder um es anders zu sagen: Mir ist ein Blaulicht aufgegangen. Es gab früher einfach zu wenig Spielzeugautos mit Blaulicht. Das wird jetzt nachgeholt.