Gut, dass es „Brisant“ gibt, das Boulevardmagazin der ARD, das täglich kurz nach fünf zum Seniorentee bittet mit News von Promis, Royals und den schönsten Bildern aus dem Blaulicht-Milieu. Wenn es irgendwo geil kracht in Deutschland, dann sind die Reporter von „Brisant“ vor Ort und halten drauf.

Schön zu bewundern war das am Montag, als „Brisant“ tolle Bilder hatte von einem Frontalcrash auf einer Landstraße bei Bad Kissingen. Geile Shots gab es da von ausgebrannten Autowracks. Dazu eine dräuende Stimme, die sagte, nach dem Crash „war es hier zunächst to-ten-still.“ Schön gedehnt: To-ten-still.

Natürlich sendet das öffentlich-rechtliche Informationsangebot solche Bilder nicht, um sich daran aufzugeilen. Nein, die Bilder sind für „Brisant“ nur Kulisse, um eine Heldengeschichte zu erzählen. Eine von einem jungen Mann, der geholfen hat, die Opfer aus den Wracks zu bergen und sie vor dem Feuertod zu bewahren. Chapeau.

Ein Beispiel soll das sein für all jene, die demnächst mal an einen Unfallort kommen und dann wissen, was zu tun ist. Und um die Erinnerung an die Hilfsaufgabe so richtig ins Hirn der Zuschauer zu brennen, hält die Kamera nochmal ins ausgebrannte Wrack, um kurz danach erneut die Trümmer zu filmen. Könnte ja jemand übersehen haben.

Ja, sie machen das toll bei „Brisant“. Und sie halten sich auch die unseriöse Konkurrenz vom Hals, also diese ekligen Filmer aus dem Internet. Gleich zweimal innerhalb von fünf Tagen haben sie etwas gegen Autobahn-Gaffer getan. So waren am Samstag vor einer Woche Sichtschutzbanner der Polizei ein Thema, die Opfer vor unliebsamen Filmern auf der Gegenfahrbahn schützen sollen. Diese Gaffer seien verabscheuungswürdig, befand „Brisant“. „Sie fotografieren selbst grausigste Szenen, um die danach ins Internet zu stellen“, raunte die Kommentatorenstimme. Ja, ne, klar, echt schlimm, diese Gaffer. Und die schlimmen Bilder. Vielleicht ja sogar von ausgebrannten Autowracks.

Dann am Mittwoch wieder ein „Brisant“-Bericht über böse Gaffer, die im Stau filmen und diese Bilder dann hochladen. Diesmal aber haben sie die Rechnung ohne „Brisant“ und die Polizei gemacht, denn Letztere hat zurückgefilmt. Nun droht den Voyeuren eine Klage. Die Verurteilung von „Brisant“ haben sie sich ohnehin schon eingefangen. „Die Gier, das Drama zu filmen, scheint unersättlich“, heißt es da in empörungsschwangerem Tonfall. Also, die Gier der Gaffer scheint unersättlich. Nicht die von „Brisant“. „Brisant“ berichtet über Unfälle ja nur, damit die Menschen etwas lernen und vorsichtiger sind auf den Straßen. Was früher „Der 7. Sinn“ war, ist heute „Brisant“. Dort kennt man keinen Spaß, wenn es darum geht, was Menschen so alles ins Internet stellen. Das wird gnadenlos gezeigt, natürlich, um vor so etwas zu warnen und klar zu sagen: Man filmt nicht auf der Autobahn.

So wie das zum Beispiel das „Utah Dept. Of Public Safety“ getan hat. Dessen Taten kann man bei n-tv anschauen und die Behörde als Urheber eines aufregenden Dashcam-Videos ausmachen. In dem wird auf verschneiter Straße ein Polizist von einem Auto erfasst und wie eine Puppe durch die Luft geschleudert. Er überlebt wundersamer Weise und gibt bald danach vor der Kamera eine Pressekonferenz. Und weil es so schön war, folgt am Schluss des in der Kategorie „Kaum zu glauben!“ abgelegten Clips noch einmal die Szene, wo der Polizist erfasst wird und puppengleich durch die Luft segelt. Man weiß nicht, was eine öffentliche Sicherheitsbehörde bewegt, solchen Unsinn ins Netz zu stellen. Wer soll daraus was lernen? Und was? Lassen Sie sich nie von einem Auto durch die Luft schleudern?

Auch „Brisant“ hat die geilen Bilder vom fliegenden Polizisten. Bei „Brisant“ fehlt nur die Einblendung des Urhebers, also der Sicherheitsbehörde, aber lustigerweise wird es auch hier mit „Kaum zu glauben!“ anmoderiert. Nur wirkt es in der ARD ohne die Quellenkennung wie ein aus dem Internet geklaubtes Video, wie eines, das irgendein Gaffer da hineingestellt hat. Sieht aber auch zu geil aus, wie der Mann da auf der Autobahn durch die Luft geschleudert wird. Das kann man sich gerne zweimal anschauen. Oder wie hieß es im „Brisant“-Beitrag noch: „Sie fotografieren selbst grausigste Szenen, um die danach ins Internet zu stellen.“

Wovor das Video jetzt genau warnen soll und wie es sich von einem Gaffer-Clip unterscheidet, wird nicht ganz klar. Aber bei „Brisant“ werden sie das schon wissen. Die sind ja öffentlich-rechtlich und gehen daher verantwortungsbewusst mit heiklem Material um. Immer. Also fast immer. Also manchmal…