Ich habe keinen Podcast. Ich werde auch keinen mehr bekommen. Weil ich keinen will.

Wenn jetzt jemand kommt und sagt, dass jetzt aber alle Podcasts machen, dann antworte ich lapidar: Ja, eben. Ich will nicht, was alle machen. Ich verunreinige die Welt schon genügend mit der Herstellung von putzig aneinandergereihten Buchstaben, da muss ich Menschen nicht auch noch mit meinem Sprech belästigen. Zudem fehlt mir gänzlich das Extrovertierte, das man braucht, um sein Befinden als Erzählung in ein Mikrofon zu schütten. Singen geht, das mache ich gerne. Blues, Rock, Soul, alles. Aber Podcast? Nein danke.

Ein Podcast mit mir scheiterte schon allein am Fehlen eines passenden Partners, eines Menschen, der mir im Wesen maximal unähnlich sein müsste, vielleicht ein bisschen crazy daherkommt oder wenigstens so wirkt, als müsse man in regelmäßigen Abständen mal an der ihn haltenden Leine ziehen. Nach meiner Erfahrung funktionieren erfolgreiche Podcasts so. Einer ist der alte Weise, einer der wilde Junge, wie etwa bei „Lucky & Fred“. Oder einer ist der Gemäßigte, der Vernünftige, und der andere spritzt mit schöner Regelmäßigkeit einen derartigen Humbug ins Mikrofon, dass man jeden Moment in den Lautsprecher springen und dem wirren Treiben ein Ende bereiten möchte. Aber dann kommt vorher der Vernünftige und wechselt elegant das Thema oder fängt den Partner wieder ein.

Sind solche Rollenkonstellationen einmal eingeübt und das akustische Profil der Gesprächspartner ins kollektive Bewusstsein der Hörerschaft übergegangen, dann sind auch Variationen möglich, dann darf auch der Vernünftige mal ausrasten und der durchgeknallte Partner bittet um Mäßigung oder wechselt das Thema. So funktioniert „Fest und flauschig“ mit Böhmermann und Ssssschulzzzssss, so ist auch „Das kleine Fernsehballett“ von Niggemeier und Kuttner mit Gewinn hörbar.

Es muss halt etwas passieren, das über das hinausgeht, was man ohne weiteres auch gedruckt präsentieren könnte. Die Podcast-Partner müssen im besten Fall raufen, pöbeln, beleidigen und sich dann wieder vertragen und weitermachen. Drama, Baby. Vor allem aber müssen sie ihren Job mit Überzeugung erledigen. Sie müssen der festen Überzeugung sein, dass die Welt ihre Worte braucht, und dass der Stopp ihres Tuns mindestens eine Regierungskrise heraufbeschwören würde.

Kürzlich hatte es ein Freund mal fast geschafft, mich in solch ein Podcast-Ding hineinzuquatschen. Machen doch alle, warum du nicht? Über Medien, Mann! Er hatte mich fast soweit. Ich hätte fast zugestimmt. Aber dann lud ich mir für eine längere Autofahrt den von einem anderen Bekannten vielgelobten „Zeit“-Podcast „Alles gesagt?“ herunter. Dort quasseln Christoph Amend und Jochen Wegner mit einem Gast so lange, bis alles gesagt ist. Das kann schnell gehen, das kann auch mal dauern. Notfalls auch mal vier Stunden und sechs Minuten. Ich wiederhole: Vier Stunden und sechs Minuten.

So wie bei Sophie Passmann. Die als Komikerin und Autorin vorgestellte Frau kannte ich bis dahin nur von ein paar Tweets und Auftritten im „Neo Magazin Royale“. Ehrlich gesagt hatte ich keine besondere Meinung zum Thema Sophie Passmann, weder eine schlechte, noch eine gute. Nach vier Stunden und sechs Minuten aber vergötterte ich sie. So jung, so klug, so eloquent, so charmant, so keck, so duldsam, so höflich, so blitzgescheit. Mit 24 Jahren. Ich fand, diese Frau müsste sofort die Polit-Talkshow bekommen, die sie sich wünscht. Oder Bundeskanzlerin werden. Ich würde sie wählen.

Ich kam, wie immer wenn ich übereuphorisch reagiere, rasch ins Nachdenken und stellte nach längerem Grübeln fest, dass es gar nicht so sehr Sophie Passmann betörende Klugheit allein war, die mich derart faszinierte, es war vor allem ihre bewundernswert duldsame Art, mit den Podcast-Gastgebern umzugehen, also mit Christoph Amend und Jochen Wegner. Der eine ist Chefredakteur beim „Zeit“-Magazin, der andere leitet die Online-Abteilung des Lehrerblatts.

Dem Vernehmen nach sollen sie ihren eigentlichen Job sehr gut machen und hervorragende Journalisten sein. Das mag stimmen, ich maße mir nicht an, das zu beurteilen. Ich weiß aber, dass sie eines besser nicht machen sollten: einen Podcast.

Wahrscheinlich aber hat ihnen irgendwer eingeredet, dass man das als alertes Medium jetzt halt macht, so einen Podcast. Aber anstatt diese Aufgabe talentierten Youngstern zu übertragen, die ein Gefühl fürs Genre haben, hielten sich die Chefs in der ihrer Position zwangsläufigen Hybris selbst für berufen. Wie so oft, wenn Hierarchen meinen, alles besser zu können, kennt das am Ende entstehende Produkt nur eine Richtung: in die Hose.

Das beginnt schon damit, dass man als Hörer die beiden gesetzten Herren stimmlich kaum auseinanderhalten kann. Man weiß lange nicht, wer gerade redet. Sie geben ihren Vokalausdünstungen keine Farbe, die sie unterscheidbar macht. Aber das scheint ihnen egal. Ganz offensichtlich nehmen sie an, dass es reicht, sich einfach vors Mikrofon zu setzen und dann so drauflos zu reden, wie sie das sonst in Redaktionssitzungen tun.

Zudem schaffen sie es nicht, das Grundgesetz eines guten Podcasts zu beachten: Man redet nicht, wenn der andere redet, und wenn der Gast redet, redet der Gastgeber schon gar nicht. Der Hörer draußen kann nämlich nicht sehen, was da gerade passiert und versteht deshalb dank akustischer Dopplung nur Bahnhof.

Zusätzlich zu den handwerklichen Mängeln sind beide hemmungslos eitel, was für Durchschnittsjournalisten natürlich nichts Besonderes ist. Sie halten sich dementsprechend aber ganz offensichtlich für alles berufen. Rasch wird deutlich, dass sie das Medium Podcast nicht wirklich so mögen wie ihre in den vier Stunden penetrant dauerbeworbene „Zeit“, dass sie es aber nutzen, weil sie meinen, damit ein bisschen jünger, ein bisschen hipper zu wirken. Mehrfach sagen sie, dass man ihnen gesagt habe, sie sollten mehr von sich preisgeben, und wenn sie dann so tun, als würden sie was von sich preisgeben, sagen sie, dass sie sich gerade zum Affen machen. Aber sie brechen diese Behauptung sogleich durch mitschwingende Ironie und machen sich erst dadurch richtig zum Affen. Das ist uuuuunerträäääääglich.

Ganz schön schwiemelig

Und dann der Umgang mit Sophie Passmann. Schon nach einer halben Stunde fiel mir dazu der Ausdruck schwiemelig ein und wollte nicht mehr weggehen. Ich wusste gleich, dass schwiemelig es nicht traf, weil die Angelegenheit nicht eindeutig benebelt, dösig oder rammdösig war. Trotzdem schwirrte der Begriff um meinen Kopf, und je länger die vier Stunden und sechs Minuten fortschritten, desto weniger wollte er verschwinden. Schwiemelig.

Das hatte natürlich zu tun mit der inneren Herablassung, die ich zu vernehmen meinte, diese perfide Art, Sophie Passmann zu loben, sie in Wahrheit aber nur zu mögen, weil alte Männer halt immer besser aussehen, wenn sie junge intellektuelle Frauen loben. Außerdem hilft es halt, wenn man ein eher an ältere Herrschaften gerichtetes Blatt fertigt, so zu tun, als hätte man den ganz direkten Draht zur Jugend. Dann denken die Leser möglicherweise, man sei so etwas wie die Aufbissschiene am Zahn der Zeit.

Beide Herren waren übervorbereitet, hatten damit vorab aber offenbar all ihre Spontaneität totrecherchiert und bekamen mit zunehmender Sendungsdauer öfter mal etwas Kerner-haftes, was immer dann entsteht, wenn jemand meint, sich ständig von seinem Tun distanzieren zu müssen, weil es eigentlich unter seiner Würde ist. Durchweg wirkten die beiden wie Menschen, die viel zu selten aus der Welt ihrer Redaktionssitzungen herauskommen. Sie versuchten, witzig zu sein, was aber grandios schief ging. Wenn Sophie Passmann „fuck“ sagte, übersetzten sie es mit „verflixt“ und meinten wohl, sie hätten damit ganz altes Fernsehen parodiert. Als Sophie Passmann einmal „Pimmelparty“ sagte, wurden sie ganz kirre und baten um Übersetzung, obwohl doch jeder Mensch mit einem IQ über Kartoffelsalat wusste, was gemeint war.

Um einem falschen Eindruck vorzubeugen. Die beiden Herren haben Sophie Passmann nicht angegraben, sie sind für ihre Verhältnisse sehr respektvoll mit ihr umgegangen, konnten aber den Eindruck nicht vermeiden, dass sie in all ihrer Onkelhaftigkeit eigentlich nur danach trachteten, den Gast in Gönnerhaft zu nehmen. Man konnte das sehr genau vernehmen, und es wurde von Minute zu Minute schlimmer. Das ist halt das Phänomen einer Podcast-Veranstaltung. Da besteht das Klangbild aus mehr als nur dem, was das Ohr direkt trifft. Unterton und so.

Kurzum: Cristoph Amend und Jochen Wegner sollten sich das mit dem Podcast nochmal sehr genau überlegen. Vielleicht können sie es einfach mal lassen und talentierte junge Frauen aus ihrer Redaktion ranlassen. Ich wette, jede „Zeit“-Praktikantin mit etwas Pep macht das besser. Sollte der Hierarchenstolz aber den Switch zum Talent nicht zulassen, sollten sie sich wenigstens einen Partner suchen, der dem Yin auch ein Yang entgegenzusetzen weiß.

Aber vielleicht irre ich mich auch komplett und es war die erklärte Absicht der guten Onkels von der „Zeit“, via Konträrfaszination den Gast blendend dastehen zu lassen, was sie kurz mal halbgar anmurmelten, was aber bedeuten würde, dass sie sich nur deshalb als alte scheiße Männer inszeniert haben, weil sie Sophie Passmann im Gegenzug vor der Kulisse ihrer Dauerbetulichkeit einen Heiligenschein verpassen wollten.

Wenn das so war, dann entschuldige ich mich für alles bisher Gesagte und erkläre diesen „Zeit“-Podcast für total gelungen und fordere: Mehr alte Männer an die Mikrofone. Vielleicht denke ich dann selbst auch noch mal über das Thema nach.