Ich weiß nicht, was ich falsch mache. Ich war am Dienstag und Mittwoch auf der Straße, und niemand hat mich angesprochen. Also niemand mit einem Mikrofon in der Hand. Kein Medienmensch wollte von mir wissen, was ich zur Beförderung von Hans-Georg Maaßen sage und ob ich eventuell auch empört bin über das Verhalten von Angela Merkel, Horst Seehofer und Andrea Nahles. Niemand hat mich gefragt. Es hat schlichtweg keine Sau interessiert, was ich denke.

Das wäre normalerweise nicht weiter schlimm gewesen, aber der Umstand, dass an diesen Tagen so gut wie jeder Passant von einem Filmteam belästigt wurde und ich eben nicht, das nagt schon an mir. Überall waren sie draußen, die medialen Meinungsforscher. Ich habe das früh gespürt, dass sie ausströmen würden, die üblichen Volksbefrager. Ich habe mich deshalb an beiden Tagen extra auffällig am Düsseldorfer Landtag postiert, wo gleich nebenan das Landesstudio des WDR steht. Ich hoffte, dass meine maaßengebliche Meinung Berücksichtigung finden würde, aber was machen diese Trottel vom WDR? Sie befragen für die „Aktuelle Stunde“ Menschen an einer Duisburger Wurstbude. „Hier werden Dinge offen angesprochen, unverblümt, direkt und ehrlich“, raunt es aus dem Off, und dann geht es um „Die da oben“, und die Duisburger sagen, dass sie das nicht verstehen mit der Beförderung.

Ich verstehe das auch nicht, und ich hätte es denen bei Nachfrage mal ganz explizit in die Kamera gegeigt, dass ich es nicht verstehe. Ich kann auch ohne Wurstbudenkulisse Dinge offen ansprechen, unverblümt, direkt und ehrlich. Ich würde auch ziemlich rasch die Formulierung „Die da oben“ einflechten, damit direkt deutlich wird, dass ich die Sprache des Volkes spreche.

So wie jene Passanten, die „SWR aktuell“ in Mainz auf der Straße abpasst. Die sagen erwartbar auch, dass sie das alles nicht verstehen und dass sie ganz besonders die SPD nicht verstehen. Ja, könnten von mir sein, diese Aussagen. Ich verstehe die SPD auch nicht. Aber mich fragt ja keiner.

Das Nordmagazin des NDR hat die Menschen in Grevesmühlen befragt. „Kann man mit normalem Menschenverstand nicht mehr verstehen“, sagt dort eine Frau, und ein typisches SPD-Mitglied mit silbrigem Klobrillenbart und festgezurrtem Fahrradhelm überlegt, ob er nicht aus der Partei austreten soll. Natürlich sagt auch hier jemand „Die da oben“ und nimmt mir damit meinen stärksten Claim aus dem Mund.

„Viele Hessen empört über ‚Fall Maaßen‘“ steht über einem Beitrag der Hessenschau. Dort kommen Menschen in Frankfurt zu Wort. „Typisch Politik“ sagt jemand, der das alles nicht versteht. Ja, „typisch Politik“ würde auch ich sagen. Ist ja quasi eine Variante von „Die da oben“.

Besonders wenig Mühe gibt man sich bei „Brisant“. Dort wird zum Fall Maaßen natürlich auch Vox Populi eingeholt, aber die Reporter haben sich dafür gerade mal 500 Meter von ihrer Homebase weggewagt. Sie sind einfach mit Kamera und Mikrofon beim Berliner Hauptstadtstudio vor die Tür getreten und haben in Sichtweite ihres normalen Arbeitsplatzes Menschen befragt, die sagen, dass sie das alles nicht verstehen.

Als Sahnehäubchen haben sie dann aber noch den Rote-Teppich-Bonvivant und Gala-Gremlin Jo Groebel befragt, den man zu ziemlich allem befragen kann, solange man ihm verspricht, ihn Medienpsychologe zu nennen und sein auffälliges Einstecktuch zu zeigen.

Mal kurz zusammengefasst: Es wurde am Dienstag und Mittwoch nicht nur jeder zweite, es wurde schlichtweg jeder befragt. Nur ich nicht. Myriaden von Reportern sind auf Kosten der Beitragszahler ausgeschwärmt, um Volkes Meinung zu erkunden, doch die meisten haben nur das Naheliegende gefunden. Obwohl in fast jedem Landesstudio ein Team abkommandiert wurde, um die Stimmung zu erfassen, erklangen nur Stimmen, die sich verdächtig ähnelten. Ohne Probleme hätte man die Statements aus Mecklenburg-Vorpommern gegen die aus Mainz austauschen können. Und die aus Frankfurt waren genauso aussagekräftig und erwartbar wie die von der Duisburger Wurstbude. Alles eine Meinungssoße.

Allein Jo Groebels Einstecktuch, das hatte „Brisant“ exklusiv. Und ich weiß jetzt, was mich bei der nächsten Nachfragewelle ganz nach vorne bringt. Ich brauche ein Einstecktuch.