Ab und an lohnt es sich, mal bei ProSieben reinzuschauen oder bei Sat.1, wobei ich, wenn nicht gerade „The Big Bang Theory“ oder „Genial daneben“ läuft, selten weiß, wo ich gerade bin. Aber vielleicht ist das ja Absicht, Senderprofile so verschwimmen zu lassen, dass am Ende nur noch die Gesamtmarke in Erinnerung bleibt. 

Das aber soll heute nicht wichtig sein, denn es geht um Goldstücke, die dort, also irgendwo in diesem ProSiebenSat.1-Kosmos zu entdecken sind und die, zu meiner großen Freude als TV-Archäologe, aus der gefühlten Fernsehsteinzeit stammen. Diese Goldstücke sind selten, aber es lohnt, die Augen aufzuhalten und sich dann sofort drauf zu stürzen, denn ihre Platzierung im Programm folgt keiner Regelmäßigkeit. Sie sind mal da, und dann sind sie wieder weg. Nimm also alles, wenn es da ist, es könnte morgen schon wieder weg sein. 


Neulich hatte ich mal wieder solch schier unverschämtes Glück. Da stieß ich beim Entspannungszappen auf alte Folgen von „Heroes Of The Internet“, einer Sendung, in der ProSieben einst YouTube-Schnipsel aufbereitete und damit Programmfläche füllte. Das haben viele gemacht, weil es halt billiges Programm generierte, weil man sich nicht viele Gedanken über Rechte machen musste. Man klaubte einfach zusammen, was sich im Netz finden ließ. Quelle Internet. Fertig. So einfach.

Allerdings liegt der Fall bei „Heroes Of The Internet“ anders, denn diese Clip-Show ist etwas sehr Besonderes. Das liegt vor allem an den Kommentaren, die den gemeinen Schnipseleintopf im verbalen Dampfgarverfahren auf eine höhere Ebene heben, die ihn erst so richtig würzig machen. Die Kommentare werden gesprochen von Peter Rütten, und sie sind in ihrer Mehrzahl saulustig, weil sie sich einen Dreck scheren um die ursprünglichen Zusammenhänge des Gezeigten, weil sie manchmal so herrlich sinnlos sind und alle Dämme einreißen, die sonst vor galoppierender Albernheit aus einer höheren Dimension schützen,.

Es ist im Prinzip völlig wurscht, was gezeigt wird, denn Rütten erzählt zu den Aufnahmen eine komplett eigene Geschichte. Aber gerade aus dieser offensichtlichen Diskrepanz zwischen Text und Bild erblüht der Spaß. Wie Rütten das kommentiert, das ist große Off-Sprecher-Kunst, das ist bislang zu Recht bei allen sich bildungsbräsig gebenden Fernsehpreisen vernachlässigt worden. Hier treffen sich kindgerechter Vorschul-Humor und anarchistischer Intellektuellenwitz zur gepflegten Kopulation unter der Sonne von Ironesien.

Mal für Ungebildete. Peter Rütten ist der Mann, der bei Tele 5 gemeinsam mit Oliver Kalkofe die schlechtesten Filme aller Zeit präsentiert, der Mann, der früher mal für das Kreative bei Harald Schmidt und artverwandten Großnasen verantwortlich zeichnete, der vor allem aber einen tollen Sinn fürs Absurde hat, der weiß, wie man aus stinkiger Clip-Jauche televisionäre Edelsteine formt.

Sehr schön konnte man das auch belegen, als kürzlich, also etwas länger her als neulich, bei ProSieben als Daytime-Füllmaterial Wiederholungen von „Crash Games“ liefen, also jener Show, in der Kandidaten sich bei komplett albernen Spielen auf einem Hindernis-Parcours in Hürth-Kalscheuren zum Horst machen und auf glitschigem Grund schön matschig scheitern sollten, was sie formidabel erledigten. 

Natürlich waren die Spielchen bei „Crash Games“ nicht das Attraktive, es war die Kommentierung von Peter Rütten, der sich irre Geschichten zu den Bildern ausdachte, die so weit hergeholt waren, dass sich wohl selbst die durch die Schlotze gezogenen Kandidaten im Nachhinein darüber freuen dürften, dass sie sich ihre 15 Minuten Fame abholen konnten, obwohl Rütten sich bei der Beurteilung ihres Intelligenzquotienten selten gnädig zeigte. 

Um es mal außergewöhnlich schnell für diese Kolumne auf den Punkt zu bringen: Es gibt viel zu wenig Peter Rütten im deutschen Fernsehen. Viel zu wenig von dieser wunderbaren Farbe Quatsch. Gebt mir mehr von „Crash Games“, gebt mir mehr von „Heroes Of The Internet“! Oder gebt mir halt neue Sendungen, in denen Rütten seine goldene Text-Bild-Schere einsetzen kann. Gebt mir Rütten! Gebt mir mehr vom Peter mit der Scherenstimme. Versprecht mir irgendetwas mit dem Mann, auf das ich auch im nächsten Jahr wieder was zum Lachen bekomme.

Oder, um mal die Weisheit der großen Philosophin Mariah Carey zu missbrauchen: „All I want for Christmas is you, Peter Rütten.“ Also, liebes ProSieben, liebe Sat.1-Verantwortliche. Engagiert diesen Mann häufiger, dann habt nicht nur ihr was zum Lachen, sondern ich gleich mit. Im Gegenzug verspreche ich, dass ich zuschauen und in dieser Kolumne dafür werben werde. Bitte, bitte, liebe Weihnachtsmänner.