Eine Latexpuppe macht den Unterschied. Die Macher der südafrikanischen Puppen-Satireshow "Puppet Nation ZA" waren schon im vergangenen Jahr für den International Emmy nominiert. Damals brachten sie ihre Donald-Trump-Puppe mit nach New York. "Das hat weder uns noch euch Glück gebracht", sagt Thierry Cassuto, Executive Producer der Produktionsfirma Both Worlds, beim diesjährigen World Television Festival. Deshalb hat er diesmal eine friedlichere Gummifigur im Schlepptau: Erzbischof und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu.

Es lässt sich nicht übersehen: Die Zeiten sind – nicht nur am Festivalort New York – stark politisiert. Das schlägt sich weltweit im Qualitätsfernsehen nieder, auch und gerade in Fiction oder Comedy. Die rund 600 Fernsehmacher aus 60 Ländern, die sich am Wochenende trafen, um die Nominierten zu feiern, konnten mehr als einmal feststellen, dass ihre Gemeinsamkeiten bei weitem die Unterschiede überwiegen.

 

Politdrama und Suspense-Thriller sind die Genre-Zutaten, von denen in jeweils verschiedenen Mischverhältnissen alle vier Nominierten in der Kategorie der Drama-Serie leben. Der international erfolgreiche Serien-Export "Deutschland 83" konkurriert hier mit Werken aus Argentinien, Kanada und den Vereinigten Arabischen Emiraten. In "La Casa del Mar" ist es das mysteriöse Verschwinden der 18-jährigen Laura, Enkelin eines argentinischen Senators, das nicht nur komplizierte Polizeiermittlungen, sondern auch politische Verwicklungen nach sich zieht. "Waiting for Jasmin" aus den Emiraten widmet sich den Schicksalen von Menschen im syrischen Bürgerkrieg, "19-2" aus Kanada erzählt im Rahmen einer Polizeiserie von Korruption und sozialen Missständen.

Jörg Winger, Creator und Produzent von "Deutschland 83", ist direkt aus dem Writers' Room für die Fortsetzung "Deutschland 86" nach New York gekommen. "Mehr noch als in der ersten Staffel nutzen wir die Geschichte des Kalten Krieges als Metapher für die Gegenwart", so Winger, "nicht zuletzt aus einer großen Besorgnis darüber, was passiert, falls die USA sich tatsächlich aus den gewachsenen Bündnissen mit Europa zurückziehen sollten." Den Respekt der versammelten TV-Community erntet neben dem UFA-Fiction-Mann auch Produzent Adnan Hamza von Arabic Broadcast Content aus Dubai. Seine Crew hat für "Waiting for Jasmin" mit einer Mischung aus Profi-Schauspielern und Amateuren – darunter zahlreiche Bürgerkriegsflüchtlinge – 30 Folgen in 100 Tagen gedreht, immer wieder überschattet vom realen Geschehen in Syrien.

Puppet Nation ZA @ iEmmys© DWDL
Auch in der Comedy-Kategorie spielt das Weltgeschehen keine unwesentliche Rolle. "Wenn es um Korruption und politische Skandale geht, liefert uns Brasilien jeden Tag genug neues Material", sagt Marcius Melhem, Chefautor der Globo-TV-Sketch-Comedy "Zorra" ("The Mess"). "Puppet Nation"-Produzent Cassuto aus Kapstadt hat in sechs Jahren und 300 Folgen seiner Satireshow kaum eine nationale oder internationale Politgröße ausgelassen. Weil dem öffentlich-rechtlichen TV in Südafrika das Format zu heiß war, lief "Puppet Nation" zunächst als Webserie, mittlerweile auf der Digital-TV-Plattform StarSat. Mit inzwischen 150 Latexpuppen produziert Both Worlds 44 Folgen pro Jahr plus acht Best-ofs. Ein Remake für Großbritannien ist in Entwicklung.

Selbst die Stimmung der schwedischen Reality-Show "Allt för Sverige" ("The Great Swedish Adventure"), immerhin schon seit 2011 auf Sendung und dieses Jahr in der Kategorie Non-Scripted Entertainment nominiert, fühlt sich wie ein ganz aktuelles Statement an. Elf Amerikaner mit schwedischen Wurzeln reisen in dem Format zum ersten Mal in ihrem Leben in das Land ihrer Vorfahren, um dort verschiedene Wettbewerbe rund um schwedische Bräuche und Traditionen zu bestehen. Dem Sieger winkt eine große Feier mit der dortigen Verwandtschaft.

Das Ganze basiert auf dem ursprünglich norwegischen Format "The Great Norway Adventure". "Weil wir versuchen, lehrrreich und weltoffen zu sein, produzieren wir nicht mehr nur eine TV-Show, sondern einen Kult", so Showrunner Christer Åkerlund von Meter Television. Einige der Kandidaten sind zum Emmy-Festival mitgekommen. Eine von ihnen berichtet, sie habe sich nach der Show entschieden, endlich die Mormonen zu verlassen. "Meine Familiengeschichte wird über die nächsten Generationen hinweg anders verlaufen, weil ich an einer schwedischen Reality-Show teilgenommen habe".

Dass die International Emmys angesichts von so viel Austausch über politische und gesellschaftliche Zukunftsfragen ab 2017 mit dem "JCS International Young Creatives Award" eine neue Initiative starten, scheint nur folgerichtig. Die Förderung junger Talente und das globale Gespräch über Frieden sollen damit vereint werden. Film- und Fernsehmacher zwischen 18 und 30 Jahren müssen für den Wettbewerb ein einminütiges Video einreichen, kommendes Jahr zum Thema "Women Peacemakers". Drei Preisträger sollen dann im November 2017 im Rahmen des nächsten World Television Festivals ausgezeichnet werden. Sponsor ist der Produktions- und Technikdienstleister JCS International, eine Tochter der Ronald S. Lauder Group.