Jetzt arbeiten Sie mit Netflix an einer "Freud"-Serie. Wie bringt man die Interessen eines öffentlich-rechtlichen Senders aus Österreich mit denen eines internationalen Streamingdienstes zusammen?

Ehre wem Ehre gebührt: Auch hier haben die Produzenten eine starke Rolle gespielt, in diesem Fall Heinrich Ambrosch von Satel Film. In der Akquise und den Gesprächen mit Netflix war er sehr stark involviert. In diesem Fall war es eine zusätzliche Motivation, dass die Konstruktion, die wir mit Netflix gefunden haben, vorher nur einmal funktioniert hat - in Belgien. Die kleinen Märkte sind gut, da tauschen wir uns mittlerweile sehr gut aus. Es hat keinen Sinn, wenn ich mich mit der BBC vergleiche, da werde ich nur traurig. Nicht wegen der Qualität, aber wegen des Volumens.

Erklären Sie bitte die Konstruktion, die Sie mit Netflix eingegangen sind.

Netflix ist vom Stoff überzeugt gewesen und wir haben das Premierenfenster. Sowas gibt es im DACH-Markt normalerweise nicht, wir können vier bis fünf Monate lang exklusiv ausstrahlen.

Inhaltlich gab es also keine großen Probleme, um zueinander zu finden?

Inhaltliche Diskussionen gibt es natürlich immer. Aber ich sage mal so: Da hilft der Bedarf des Volumens von Netflix. Die müssen sich nicht entscheiden wie wir für einige wenige Projekte, sondern machen einfach 20 Filme und Serien im deutschsprachigen Raum. Wobei ich die Qualität gar nicht schmälern will, da muss man auch noch extrem gut sein. "Freud" ist schillernd und wahnsinnig, so wie sonst weniges zuvor. Und vergessen sie nicht, wir haben ein Top Profi Fiction Team im Haus mit Katharina Schenk und ihren Königskolleginnen und Kollegen.

"Mein Gesamtbudget, wo alles außer die Information drin steckt, deckt nicht einmal das Filmbudget des ZDF ab."

Wien ist derzeit verstärkt der Mittelpunkt von Serien, sei es bei "Vienna Blood" und "Freud" oder auch bei David Schalkos "M". Warum ist das so?

Wir gehen inzwischen auch in internationalen Produktionen selbstbewusster mit unseren Schauplätzen um als in der Vergangenheit. Der Schauplatz ist eines, aber der muss auch immer mit der Geschichte und den Charakteren zu tun haben. Einfach nur ein Krimi in den Bergen zu machen, weil die Menschen Berge mögen, ist mir zu wenig. Wien bietet außerdem sehr viele geheimnisvolle Ecken.

Hat das auch mit den Förderungen zu tun? Sind die besser geworden?

Das hat auch damit zu tun, wobei die Wien-Förderung schon immer stark war. Neben Wien ist auch die Landesförderung in Niederösterreich auffallend gut aufgestellt.

Neben den großen internationalen Serien und Mehrteilern ist der ORF auch bekannt für sehr österreichische Stoffe, die international nicht so gut funktionieren. Nehmen wir nur "Braunschlag" oder die "Landkrimis". Inwiefern muss man hier die Waage halten und was ist wichtiger?

Nichts ist wichtiger. Wir beschäftigen uns sehr mit regionalen, nationalen und internationalen Inhalten. Nehmen wir "Braunschlag": Da gab es mit "Hindafing" eine bayerische Antwort.

Die lief aber nicht im Hauptprogramm um 20:15 Uhr so wie "Braunschlag" damals.

Stimmt. Ich war zuerst auch ein bisschen enttäuscht, dass der BR nicht einfach "Braunschlag" gekauft hat, sondern eine eigene Erzählweise gewählt hat. Aber wir können doch stolz darauf sein: Wir haben eine Erzählweise gefunden, die jetzt auch in Bayern stattfindet. Etwas ähnliches ist in einem anderen Bereich passiert. Es gab doch vor fünf Jahren nichts außer Krimis im deutschsprachigen Raum. Wir hatten auch viele davon, haben den Fokus dann aber zusätzlich auf Komödien und historische Stoffe gelegt. Es kamen die "Stadtkomödien" und die "Vorstadtweiber", 2020 machen wir "Wischen ist Macht". Humor ist allerdings auch etwas sehr Spezifisches, jedes Tal hat in diesem Land eine andere Humorfarbe (lacht). Insofern ist das Genre Komödie das schwerste, das es gibt.

"Unterhaltung ist ein Grundnahrungsmittel, ergo dessen Öffentlich-Rechtlich."

Sie haben die "Vorstadtweiber" angesprochen. Die Serie war zuletzt noch immer sehr gut unterwegs, gleichzeitig war die vierte die bislang mit Abstand schwächste Staffel. Geht der Trend langsam zu Ende?

Die "Vorstadtweiber" waren von uns zunächst angelegt auf eine Staffel, das sollte etwas Besonderes sein. Jetzt lief das damals so erfolgreich, dass wir weitergemacht haben - gottseidank. Wir haben das geschafft, weil wir mit Uli Brée einen sehr genialen Komödien-Autor haben. Hinzu kommt ein Schauspielerteam der Extraklasse, das man kennt.

Und trotzdem zeigen die Quoten nach unten

Wir haben auch einen Fehler gemacht. Und zwar haben wir im Vorfeld der vierten Staffel sämtliche Folgen wiederholt. Wir waren skeptisch, ob es gut ist, den Sendeplatz mit Wiederholungen zu programmieren und dann mit der neuen Staffel zu kommen. Letztendlich hat sich das als falsche Programmierung herausgestellt. Der Effekt solch spezieller Serien ist ja der Wunsch der Zuschauer, nach mehr als einem Jahr endlich wieder neue Folgen zu sehen. Trotz eines großen Sportjahres hoffe ich, dass wir die fünfte Staffel 2020 zeigen werden. Gleichzeitig werden Bücher für eine sechste Staffel entwickelt. Die Fortsetzung hängt nicht von dem Erfolg der nächsten Staffel ab, es geht einfach darum zu schauen, ob wir noch genügend gute Geschichten finden.

Wie bewerten Sie den Erfolg der "Vorstadtweiber" in Deutschland? Die erste Staffel lief noch recht gut im Ersten, danach gingen die Quoten etwas zurück und die dritte Staffel hat der Sender dann am späten Dienstagabend gezeigt. Inzwischen verzichtet Das Erste auf eine Ausstrahlung. Wie bewerten Sie das?

Das hat mir extrem weh getan. Nicht nur, weil uns durch den Ausstieg des MDR auch ein Teil des Budgets gefehlt hat. Die "Vorstadtweiber" liefen 2016 in Deutschland auch teilweise gegen die Fußball-Weltmeisterschaft, was jetzt nicht so ideal war (lacht). Und dann ist der Sendeplatz am Dienstagabend auch einfach sehr alt gewesen. Die "Vorstadtweiber" zielen jetzt zwar nicht auf 15-Jährige ab. Aber in ihrer Provokation und Polarisierung ist die Serie für ein eher jüngeres Publikum ausgelegt. Und wenn die "Um Himmels Willen"-Zuschauer dann plötzlich sehen, wie eine Frau ihrem Mann mit dem Auto die Beine bricht, entspricht das nicht der Erwartungshaltung der dortigen Zuschauer.

Sie verantworten auch das Unterhaltungsbudget des ORF. In Sachen Shiny Floor haben Sie neben den "Dancing Stars" derzeit nicht viel. Jetzt macht Puls 4 "The Masked Singer Austria". Hätten Sie das Format auch gerne bekommen?

Ja, das hätte ich gerne gemacht, aber die Konkurrenz hat den Zuschlag bekommen, so ist es eben. Aber mir war schon klar, dass wenn das in Deutschland gut läuft, Puls 4 es auch probiert. Vergessen wir nicht, der ORF hat starke Shiny-Floor-Formate - von "Dancing Stars" bis "Die Große Chance".

Warum würde "Masked Singer" zum ORF passen? Was ist daran Öffentlich-Rechtlich?

Unterhaltung ist ein Grundnahrungsmittel, ergo dessen Öffentlich-Rechtlich. Wenn man menschenverachtend ist, ist es nicht Öffentlich-Rechtlich. Deshalb sollte man aber nicht jede Form der Unterhaltung als kommerziell ansehen. Auch die Unterhaltung gehört zu den schwierigsten Dingen, die wir machen. Unterhaltung ist der Kitt eines gruppendynamischen Zusammenlebens. Man kann Haltung zeigen, aber auch mal denken oder quizzen und einfach nur lachen.

Frau Zechner, vielen Dank für das Gespräch!