Frau Mascia, Sie sind seit dem vergangenen Jahr bei DAZN für Deutschland, Österreich und die Schweiz verantwortlich. Der Start hätte leichter sein können, oder?

Ich scherze nicht, wenn ich Ihnen sage, dass es bei DAZN niemals einen langweiligen Tag gibt. (lacht) Aber das gilt letztlich für die gesamte Branche, in der ich seit 20 Jahren tätig bin. Sie haben recht, DAZN befindet sich in einer besonderen Situation. Das Unternehmen wurde gegründet, um den Markt zu verändern, was es zweifelsohne getan hat. Gleichzeitig hat sich das Unternehmen in den zurückliegenden Jahren aber auch selbst gewandelt. Zum Beispiel haben wir wichtige Rechte, wie die UEFA Champions League und die Bundesliga, erworben und die Preise mussten dem gestiegenen Wert unseres Angebots angepasst werden. Das war keine einfache Aufgabe.

DAZN stand in den ersten Jahren für niedrige Preise. Was bedeutete die massive Preiserhöhung aus Ihrer Sicht für das Image der Plattform? 

Wie viele andere Unternehmen, die den Markt aufmischen wollen, hat auch DAZN in der Anfangsphase bewusst auf einen niedrigen Preispunkt und ein breites Angebot gesetzt, dass jedoch deutlich weniger teure Rechte umfasste. Zu dieser Zeit war DAZN als Netflix des Sports positioniert. Das war sicher die richtige Strategie, gerade in Konkurrenz zu Sky, das den Markt lange mit der Bundesliga, der Champions League oder der Premier League dominierte. Doch die Zeiten haben sich geändert; DAZN ist gewachsen und Sky ist inzwischen eben kein Monopolist im Sportbereich mehr. Den besten Premiumsport an einem Ort bietet jetzt DAZN. Das muss sich auch in unserem Preis widerspiegeln. Am Ende gilt für uns das, was für jedes Start-up gilt: Es zählt die Profitabilität. Und ganz ehrlich: Andere Unternehmen in unserer Branche haben über die Jahre hinweg ihre Preise signifikant erhöht. Auch, wenn man in andere Länder schaut, zum Beispiel nach Spanien oder Italien, müssen die Fans für Sport deutlich mehr bezahlen als in Deutschland. Aber wie immer gilt: Sport ist ein sehr emotionales Thema.

Neuerdings bieten Sie verschiedene Pakete an, sodass ein abgespecktes DAZN-Angebot teilweise wieder für zehn Euro pro Monat zu haben ist. Ein Entgegenkommen an die Fans?

Es gibt viele Sportarten, die für den deutschen Markt interessant sind, die aber längst nicht so teuer sind wie die Bundesliga und Champions League. Besonders in den vergangenen zwei Jahren hat DAZN für alle Fans kontinuierlich in seine Inhalte investiert und in der jüngeren Vergangenheit auch eine Reihe neuer internationaler Sportrechte erworben. Aus diesem Grund haben wir ein Einstiegspaket eingeführt, das unter anderem Darts, Handball, kleinere Fußball-Wettbewerbe oder eben diese internationalen Sportrechte umfasst. Es ist noch zu früh, um ein Zwischenfazit zu ziehen, aber die Entwicklung der ersten Tage hat mich positiv überrascht. Das Einstiegspaket ist nicht der einzige Schritt, um unserem Ziel näherzukommen, so vielen Deutschen, Österreichern und Schweizern wie möglich Zugang zu unserem Angebot zu gewähren. Gerade erst haben wir zwei kostenfreie FAST Channels gestartet...

… also frei-empfangbare digitale lineare Sender, die sich durch Werbung finanzieren.

FAST ist ein echter globaler und digitaler Trend, insbesondere beim jungen Publikum. Aus meiner Sicht ist es im TV-Bereich die größte Innovation seit dem Start von Netflix. Es ist daher sehr wichtig, dass wir eine führende Rolle einnehmen. Das tun wir mit DAZN FAST und DAZN FAST+, die wir zunächst über unsere Partner waipu.tv und Samsung TV+ verbreiten. Während sich DAZN FAST vor allem auf eine breite Auswahl von Non-Live-Inhalten fokussiert, zeigen wir auf DAZN FAST+ auch Live-Übertragungen, etwa aus der spanischen LaLiga oder der französischen Ligue1. Letztlich haben wir mit FAST und FAST+ das erste frei empfangbare und kostenfreie DAZN-Angebot eingeführt.

Welche Strategie steckt dahinter?

Wir nutzen die Stärke der Plattformen ebenso wie die Stärke des frei-empfangbaren Fernsehens, das in Deutschland noch immer sehr bedeutend ist. Auf diese Weise wollen wir möglichst vielen Menschen Zugang zum Sport ermöglichen, sie mit DAZN in Berührung bringen und perspektivisch neue Abonnentinnen und Abonnenten für unsere Plattform gewinnen. Das ist, wenn Sie so wollen, wie ein Appetizer – ein Aperitivo.

 

"Die Technologie von heute ermöglicht es uns, innerhalb weniger Wochen neue Sender zu starten."

 

Es gibt inzwischen unzählige FAST Channels. Wie wollen Sie auf sich aufmerksam machen?

Das Angebot ist ohne Zweifel riesig. Aber ohne arrogant klingen zu wollen: Es gibt keinen FAST-Channel, der Premium-Sport anbietet, wie unsere beiden Kanäle. Unsere Inhalte sind die besten im Markt. Ich bin überzeugt, dass die Kraft der Marke DAZN und die Kraft unserer Inhalte uns dabei helfen werden, die notwendige Aufmerksamkeit zu erhalten. Ohnehin besteht ein großes Interesse an unseren FAST Channels, sodass wir in den kommenden Monaten weitere Partnerschaften kommunizieren werden. Und ganz konkret wollen wir zum Beispiel schon bald einen FAST Channel starten, der sich ausschließlich dem Frauensport widmet.

Eine Herzensangelegenheit für Sie?

Frauensport begeistert mich sehr – und zunehmend auch das Publikum, das bereit ist für neue Heldinnen. Denken Sie nur an das Finale der Frauen-EM, das im vorigen Jahr in Deutschland mehr Menschen erreicht hat als die Spiele der Männer-Nationalmannschaft bei der WM. Wir sehen uns bei DAZN in diesem Bereich als Vorreiter und glauben an die soziale Rolle des Sports. Seit 2021 stellen wir die UEFA Women's Champions League aus genau diesem Grund weltweit kostenlos zur Verfügung. Sicher, es wird nicht über Nacht gehen, Frauen-Fußball auf Augenhöhe mit den Männern zu etablieren. Aber wir wollen da sein und helfen, dem Frauensport die Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit zu geben, die er verdient. 

… und damit Geld verdienen?

Natürlich, ich bin auch eine Geschäftsfrau und wir sind keine Non-Profit-Organisation. Die Wachstumszahlen von Frauenfußball sind beeindruckend. Aus diesem Grund haben wir nicht nur in die Women's Champions League investiert, sondern werden ab der kommenden Saison auch die Frauen-Bundesliga zeigen. Bereits jetzt zeigen wir Spiele aus weiteren Frauen-Ligen aus Frankreich oder Spanien.

Sind darüber hinaus weitere FAST Channels denkbar?

Wie heißt es so schön? The sky is the limit. (lacht) Im Bereich der FAST Channels gibt es viele Möglichkeiten, etwa thematische Sender oder Pop-Up-Channels für Sommersportarten. Und ganz sicher wird der Trend zu mehr Personalisierung gehen. Vielleicht wird irgendwann jeder Nutzer seinen eigenen Channel haben, auf dem er die für ihn passenden Inhalte zu sehen bekommt. Die Technologie von heute ermöglicht es uns, innerhalb weniger Wochen neue Sender zu starten. Früher wäre das undenkbar gewesen. Da brauchte es lange Vorlaufzeiten von ein oder zwei Jahren.

Hinsichtlich der Sportrechte müssen Sie weit im Voraus planen. Bald steht unter anderem wieder die Bundesliga-Ausschreibung an. Wollen Sie da künftig eine noch größere Rolle spielen?

Wir möchten allen Fans in Deutschland, Europa und global das beste Sportangebot machen – und natürlich möchte ich möglichst alle Rechte besitzen, wenn es wirtschaftlich sinnvoll ist. Dabei hilft uns, dass wir inzwischen auf unterschiedliche Modelle setzen können, von Pay bis Free. Gleichzeitig bin ich froh, dass es uns schon jetzt gelungen ist, mit langfristigen Verlängerungen von Live-Rechten unser Geschäft auf lange Sicht zu stabilisieren. Wir zeigen die NFL bis 2026, die Champions League bis 2027 und natürlich haben wir auch ein Interesse daran, die Bundesliga weiter zu zeigen. 

Aktuell haben Sie es mit einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld zu tun. Die Menschen geben weniger Geld aus und der Werbemarkt schwächelt. Was bedeutet das für DAZN?

Die wirtschaftlichen Unsicherheiten führen dazu, dass die Menschen, aber auch der Werbemarkt selektiver vorgehen. Wir bieten Marken aber ein Umfeld, in dem sie engagierte Kundinnen und Kunden direkt adressieren können, die sich über das klassische Fernsehen nicht oder nur noch sehr schwer erreichen lassen. 

In welchen Zielgruppen sehen Sie perspektivisch die größten Wachstumschancen? 

Ich sehe in der sportaffinen Zielgruppe bis 50 noch immer großes Potenzial, da wir bei den Jüngeren sehr stark durchdrungen sind. Klar ist auch: Veränderungen im Markt beginnen immer mit jüngeren Zielgruppen, expandieren dann aber mehr und mehr in traditionelle Gruppen. Dazu kommt, dass die Technologie immer simpler wird und DAZN schon heute auch über Kabel und Satellit verfügbar ist. Das ermöglicht einen einfacheren Einstieg als noch vor wenigen Jahren. Außerdem sind wir über verschiedene Vertriebspartnerschaften breit verfügbar, zum Beispiel mit Sky, der Deutschen Telekom, Vodafone, waipu.tv und seit letzter Woche auch mit Amazons Prime Video Channels. Wir wollen überall dort sein, wo Sportfans ihre Inhalte konsumieren, um den Zugang zu DAZN so einfach und bequem wie möglich zu gestalten. Damit sprechen wir automatisch auch verschiedene Zielgruppen an.

Frau Mascia, vielen Dank für das Gespräch.