Mit "Little Big Stars" in Sat.1 und "Mensch Gottschalk" bei RTL hat Thomas Gottschalk in den zurückliegenden Wochen gleich zwei bittere Quoten-Flops erlebt. Weniger als zwei Millionen Zuschauer schalteten ein – angesichts dessen ist ein noch viel größerer Flop inzwischen fast schon in Vergessenheit geraten: Am Dienstag ist es auf den Tag genau fünf Jahren her, dass die letzte Ausgabe von "Gottschalk Live" ausgestrahlt wurde. Kaum zu glauben, aber wahr: Nur ein halbes Jahr nach seinem Abschied von "Wetten, dass..?" vor fast 15 Millionen Zuschauern verzeichnete der Star-Moderator an manchen Tagen mit seiner Vorabendshow kaum mehr als eine halbe Million.

Ein beisspielloser Absturz, der allerdings zu großen Teilen hausgemacht war. Konzeptionelle Fehler, ein Moderator unter Zeitdruck und mangelnde Unterstützung aus dem Kreis der ARD-Verantwortlichen machten das Format innerhalb von kaum mehr als vier Monaten zum Quoten-Grab. Doch zwischen dem Start und der Einstellung ist so viel passiert, dass es sich lohnt, sich all das noch einmal vor Augen zu führen. DWDL.de hat sich ins Archiv begeben und eine Chronik des Scheiterns erstellt.

15. Juli 2011: Wenige Monate vor seiner letzten "Wetten, dass..?"-Ausgabe bestätigt die ARD, dass Thomas Gottschalk ab Januar 2012 von Montag bis Donnerstag eine Vorabendsendung präsentieren wird. Der Moderator schlug dafür ein "Rundum-Sorgenlos-Paket" das ZDF aus, das die Moderation von Galas sowie einer wöchentlichen Late-Night-Show umfasste. "Thomas Gottschalk ist eine stilprägende Persönlichkeit der deutschen Fernsehunterhaltung und eine Bereicherung für das Programm", freute sich die damalige ARD-Vorsitzende Monika Piel.

10. Dezember 2011: Schon einige Wochen vor dem Start bangt der ARD-Programmbeirat um die Quote. Eine interne Studie hatte vor dem Vorabend-Umbau gewarnt, der unter anderem eine Kürzung des erfolgreichen Boulevardmagazins "Brisant" vorsah. Thomas Gottschalk glaubt an einen Erfolg: "Ich bete für die Quote und arbeite für die Sendung." In einem Trailer zur neuen Show sagt er gar, dass seine bisherigen Sendungen "nur das Warm-Up" gewesen seien.

19. Januar 2012: Wenige Tage vor dem Start von "Gottschalk Live" gibt sich Thomas Gottschalk mit Blick auf die Quoten optimistisch. "Was auf meinem Sendeplatz läuft, dümpelt derzeit bei sechs Prozent Marktanteil rum, mit acht Prozent wäre ich offiziell aus dem Schneider", sagt er in einem "Stern"-Interview. Und: "Ich habe den Ehrgeiz, zweistellig zu werden." Das sollte ihm in 70 Ausgaben übrigens nur ein einziges Mal gelingen.

23. Januar 2012: Die erste Ausgabe läuft. Ungewohnt: Gottschalk – jahrelang in großen Hallen zu Hause – moderiert ohne Studio-Publikum, dafür aber in einer handverlesenen Einrichtung: Silberner Schreibtisch, Ledersessel, Bilder von Alice Schwarzer und Amy Winehouse. Das passt, doch schnell wird klar, dass die mit einer halben Stunde knapp bemessene Sendezeit für Stress sorgt, zumal die Werbeblöcke kurioserweise auf die Sekunde genau ausgestrahlt werden müssen. Selbst für die Abmoderation bleibt kaum Zeit, weil die letzten zehn Minuten vor der "Tagesschau" mit dem Börsenbericht und erneuter Werbung zugepflastert werden mussten. Nach der Sendung gibt Gottschalk zu, sich in das doch recht enge Zeitkorsett erst "noch reinwurschteln" zu müssen.

24. Januar 2012: Die Premieren-Quoten liegen auf dem Tisch. Mit 4,34 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 14,6 Prozent holte "Gottschalk Live" deutlich bessere Quoten als die ARD das zuletzt von ihrem Vorabendprogramm gewohnt war. DWDL.de fragt aber schon damals "Was passiert, wenn der Neugierfaktor, der nach der Werbekampagne und den vielen Artikeln im Vorfeld viele am ersten Tag zum Einschalten bewegt haben dürfte, in den nächsten Tagen wegfällt?"

28. Januar 2012: Ernüchternde Quoten-Bilanz der ersten Sendewoche: Innerhalb von nur vier Ausgaben verlor "Gottschalk Live" mehr als die Hälfte der Zuschauer, schon donnerstags waren erstmals weniger als zwei Millionen Zuschauer dabei. ARD-Chefin Monika Piel gibt sich jedoch gelassen und sagt, die Quote mache sie "absolut nicht nervös".

7. Februar 2012: Im Interview mit der "Bunten" äußert sich Thomas Gottschalk kämpferisch: "So wie es Helmut Kohl nicht gelungen ist, aus dem Osten ruck, zuck 'blühende Landschaften' zu machen, so wenig werde ich es schaffen, die 'Todeszone' des Vorabends in ein paar Wochen zu begrünen." Es tue ihm ganz gut, "wieder mal um den Erfolg kämpfen zu müssen, und ich bin weit davon entfernt aufzugeben". Die Quote an diesem Tag: 1,2 Millionen Zuschauer – neuer Tiefstwert.

9. Februar 2012: Die Quoten-Talfahrt hält an. Gerade mal noch 930.000 Zuschauer und ein Marktanteil von 3,4 Prozent machen "Gottschalk Live" zum schwächsten Glied am ARD-Vorabend.

16. Februar 2012: Als Reaktion auf die schwachen Quoten muss der ARD-Vermarkter AS&S die Werbepreise um rund 30 Prozent sinken. Ursprünglich hatte man den Werbekunden einen Marktanteil von neun Prozent in der Gruppe der 20- bis 59-jährigen Zuschauer garantiert, doch im Schnitt verzeichnete "Gottschalk Live" bis zu diesem Zeitpunkt nur etwas mehr als fünf Prozent.

22. Februar 2012: Die ARD bestätigt, dass die Redaktion Unterstützung durch Markus Peichl erhalten soll. Der hatte in den 90er Jahren die interaktive Talkshow "0137" beim Sky-Vorgänger Premiere entwickelt und war später unter anderem Redaktionsleiter bei "Beckmann". Dem "Spiegel" sagt er: "Das Problem ist: Es gibt kein klares Konzept."

24. Februar 2012: Jetzt melden sich die Dokumentarfilmer zu Wort. "Wir bieten Ihnen an, für den vermutlich bald frei werdenden Sendeplatz ein von der AG Dok gestaltetes tägliches dokumentarisches Format zu liefern", heißt es in einem Schreiben an den ARD-Programmdirektor Volker Herres. "Für Sie bedeutet das: Nicht mehr über den Inhalt dieses in der ARD ungeliebten Sendeplatzes nachdenken zu müssen." Man sei davon überzeugt, mit einem derartigen Format den derzeitigen Marktanteil von "Gottschalk Live" bequem übertreffen zu können.

4. März 2012: DWDL.de berichtet, dass die Redaktion für den 19. März einen Relaunch plant, bei dem dann auch Studio-Publikum eingeführt wird. Passend dazu wird auch an einem neuen Studio-Design gearbeitet. Dafür müssen die Redaktionstische aus dem Studio zwei Etagen tiefer wandern, wo ohnehin der Rest der Redaktion sitzt. Parallel dazu gibt es zunehmend Spekulationen über ein Aus der Show zur Sommerpause.