von Vom Suchen und Nicht-Finden...
Besonders die großen Sendergruppen stehen im Web vor einem Problem: Will man weiter vor allem auf die Sendermarken setzen und diese auch online zur ersten Anlaufstelle machen oder will man stattdessen ein neues Angebot unter neuem Namen etablieren, wie man es mit 7TV und TVNow versucht. Bei ProSiebenSat.1 begegnet man dem Dilemma mit einer Doppelstrategie: Die Video-Inhalte stehen sowohl auf den Websites und Apps der Sender als auch bei 7TV bereit, was es dem Nutzer erstmal so einfach wie möglich macht. Nur eine Sache lässt den Nutzer ratlos zurück: Wer die Website von 7TV aufruft, findet zwar alle Inhalte zum Abruf, nicht aber die Livestreams der Sender, die es dort – anders als in der 7TV-App – nicht gibt. Am Computer kann man sie offenbar lediglich über die Websites der Sender abrufen, eine zentrale Website mit den Streams aller Sender der Gruppe fehlt aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen.
Bei der Mediengruppe RTL Deutschland hat man sich entschieden, komplette Folgen ebenso wie die Livestreams ausschließlich über TVNow anzubieten, auf den Websites der Sender gibt es also nur kürzere Clips und ansonsten Verweise auf das Streaming-Angebot. Das wäre völlig ausreichend – wenn es auch konsequent durchgezogen werden würde. Doch wenn man beispielsweise die RTL-App nutzt, dann finden sich darin zwar kurze Video-Clips, der Hinweis auf "TVNow" mit den kompletten Folgen fehlt aber völlig – warum man unbedarfte Nutzer so alleine lässt, ist unverständlich.
Anders als bei 7TV gibt es bei TVNow aber nicht nur in der App, sondern auch im Online-Angebot eine zentrale Website mit den Livestreams aller Sender - die dafür aber anders als bei ProSiebenSat.1 nur zahlenden Kunden vorenthalten ist und die rein optisch eher wie ein Excel-Sheet daher kommt. Zudem bietet RTL den Livestream auch nur in überschaubarer Bildqualität an. Das Video-Fenster hat eine Breite von nur 640 Pixeln, alternativ bleibt nur ein Vollbild, was angesichts der Bildqualität je nach Größe des Bildschirms allerdings nur sehr bedingt eine Freude ist. Gerade wenn man die Nutzer ohnehin zur Kasse bittet, sollte man da im Jahr 2018 doch eigentlich mehr erwarten können. Bei den Abruf-Videos ist die Qualität im kostenfreien Angebot bei TVNow auch generell ziemlich mäßig, zahlende Kunden erhalten eine bessere Qualität, die aber trotzdem nicht HD erreicht. 7TV bietet im Vergleich der kostenfreien Angebote eine überzeugendere Bildqualität an.
Kleiner Player mit anhängendem Excel-Sheet - die Livestreams bei TVNow Plus
Das Angebot: Bei Lizenzware gibt's teils Lücken
Lässt sich das komplette Programm der Sender online nachholen? Bei Eigenproduktionen ist das generell kein Problem, hier besitzen die Sender die Rechte. Inzwischen ist auch ein großer Teil der Lizenz-Serien etwa aus den USA verfügbar, bei TVNow hat man mit Now US aus lizenzrechtlichen Gründen sogar einen reinen Online-Only-Sender gestartet, um weitere US-Serien ins Angebot aufnehmen zu können, nachdem dort die großen Sender immer weniger derartige Inhalte zeigen.
Daher fällt auch eher bei ProSiebenSat.1 auf, dass im Angebot eben doch so manche Lücke klafft. Wer etwa nach "The Big Bang Theory" sucht - also einem der erfolgreichsten ProSieben-Formate - der wird bei 7TV ebensowenig fündig wie im Fall der "Simpsons". "Derzeit nicht verfügbar" erscheint hier lediglich als Anzeige. Andere Serien wie "Grey's Anatomy" oder "Seattle Firefighters" lassen sich aber kostenfrei nachholen, sofern sie gerade in Erstausstrahlung im Fernsehen zu sehen sind. Komplett verlassen kann man sich auf die Mediatheken somit allerdings nicht.
Simpsons? Ham wa nich
Make TV great again: Die Nutzung auf dem großen Fernseher
Wer in der künftigen Medienwelt bestehen will, der sollte es dem Zuschauer so einfach wie möglich machen, die Inhalte auf jedem Bildschirm zu nutzen - und dazu gehört auch, dass man Streaming-Dienste eben nicht nur auf dem Tablet oder am Computer, sondern auch am klassischen Fernseher nutzt. ProSiebenSat.1 macht es den Zuschauern einfach: Über die 7TV-App lassen sich die Inhalte auch beispielsweise via Chromecast oder FireTV auf den Fernseher übertragen - kostenlos und mit wenigen Handgriffen. Zudem lassen sich die Mediatheken-Inhalte mit Hilfe des den roten Knopf der Fernbedienung zugänglichen HbbTV-Angebots auf Smart-TVs auch problemlos völlig ohne App auf dem großen Fernseher nutzen.
Die Mediengruppe RTL Deutschland macht es dem kuckwilligen Publikum da ein ganzes Stück schwerer - was vor allem damit zusammenhängt, dass man eine Bezahlstrategie verfolgt. Mal eben eine Sendung auf dem großen Fernseher nachholen, ist nicht möglich, wenn man nicht Kunde von TVNow Plus wird. Dann lässt sich über die App das TV-Bild über die üblichen Dienste auch auf den Fernseher übertragen. Die Bezahl-Schranke steht der RTL-Gruppe allerdings auch in Sachen HbbTV im Weg: Dort gibt's einzig und allein kurze Clips. Wenn man bedenkt, wie einfach die Konkurrenz die Nutzung der kompletten Inhalte macht, erscheint das kaum noch zeitgemäß.
Die allgegenwärtige Britt
Wie schwierig personalisierte Empfehlungssysteme in wirklich überzeugender Form zu realisieren sind, ist bekannt – es wäre aber kein allzu intelligenter Algorithmus nötig, um vorauszusagen, dass Zuschauer der ersten Folge einer Serie im Anschluss gerne die zweite Folge sehen würden. Schon an dieser simplen Logik scheitert 7TV aber völlig. Stattdessen scheint man hier eine groß angelegte Aktion zum Erhalt der Erinnerungen an den 2013 abgesetzten Daily-Talk "Britt" zu fahren. Nach der ersten "Deception"-Folge bekamen wir nämlich beispielsweise einen kurzen Clip aus dem Talk "Britt" zum Thema "Sondermüll" angezeigt, obwohl eine weitere Folge zur Verfügung gestanden hätte. Auch bei unseren anderen Tests stießen wir fast immer auf "Britt", gerne mit eskalierenden Szenen. Das ist nicht nur unsinnig, es dient nun auch nicht gerade als Ausweis für das Qualitätsprogramm der Sendergruppe. Bei TVNow funktioniert das deutlich besser.
Zum Mitnehmen? Nur bedingt geeignet
Wer häufig über längere Strecken mit dem Zug oder auch dem Flugzeug unterwegs ist, der weiß: Selten hat man mehr Zeit, sich ausgiebig auf Serien oder andere Inhalte einzulassen. Streaming ist wegen entweder gar nicht vorhandenen oder chronisch zu langsamem W-LAN und löchriger Handy-Netze aber kaum möglich - nutzbar sind Video-Angebote dann also nur, wenn sie mit Download-Funktion daher kommen. Im Ausland kommt die Problematik des Geo-Blockings hinzu, aufgrund derer viele - selbst eigenproduzierte - Inhalte gar nicht verfügbar sind, selbst innerhalb der EU, wo das eigentlich kein Problem mehr darstellen sollte. Auch hier würde eine Download-Funktion Abhilfe schaffen. Diese Chance lassen aber sowohl 7TV als auch TV Now bislang gänzlich ungenutzt.
