Wer an Fernsehen in Hürth denkt, denkt zwangsläufig nicht nur an große Abendshows wie "Wer wird Millionär?". In den Nobeo-Studios, die in diesen Tagen ihren 25. Geburtstag feiern, sind über die Jahre hinweg auch unzählige Stunden Nachmittags-TV produziert worden. Beinahe wie am Fließband entstanden hier, vor den Toren Kölns, tausende Folgen von "Richterin Barbara Salesch" oder "Zwei bei Kallwass". Doch insbesondere die Kallwass-Show, in der es vorwiegend um Psychologie und Lebensberatung ging, war anfangs weit von der Fließbandarbeit entfernt, weil sich das, was die zunächst echten Betroffenen bewegte, meist kaum in 50 Minuten pressen ließ.

Stattdessen dauerte die Produktion einer Folge oft drei oder gar vier Stunden, erinnert sich die Psychotherapeutin Angelika Kallwass im Gespräch mit DWDL.de. "Das war sehr anstrengend für mich, für den Produzenten aber war es eine Katastrophe." Die intensiven Beratungen vor laufender Kamera trieben nämlich nicht nur die Produktionskosten in die Höhe, sondern fanden zu Beginn auch kaum Zuschauer. Die kamen erst, als – analog zu den Gerichtsshows – auf Schauspieler vor der Kamera umgestellt wurde.

"Mein erster Gedanke war: Das kann ich nicht", so Kallwass. "Ich fragte mich, ob die Menschen so spielen können, dass ich deren Emotionen aufgreifen und den Konflikt nachvollziehbar lösen kann." Doch Produzentin Gisela Marx, eine gute Freundin von Kallwass, überzeugte sie davon, es zumindest zu versuchen – und erinnerte sie an ihren früheren Wunsch, selbst Schauspielerin werden zu wollen. "Also ließ ich mich darauf ein und stellte dann schnell eine Überraschung fest: Es hat erstaunlich gut funktioniert. Bis auf ganz wenige Fälle gingen die Schauspieler mit."

Und so drehte die Produktionsfirma Filmpool in Studio 1 bis zum Jahr 2013 mehr als 2.000 Folgen von "Zwei bei Kallwass", das kurz vor der Absetzung noch einmal für kurze Zeit unter dem Titel "Kallwass greift ein" umpositioniert wurde. Ein hohes Pensum, für das die Kölnerin die Arbeit in ihrer Praxis massiv einschränken musste. "Es war ein Sprung ins kalte Wasser", sagt Kallwass rückblickend über den Beginn ihrer Fernsehkarriere. Doch mit der Zeit wurde sie zunehmend sicher und schaffte es, das Publikum und die Kameramänner auszublenden, die um sie herum standen.

Dass ihre Show zum Dauerbrenner im Nachmittagsprogramm wurde, hätte Kallwass kaum für möglich gehalten. "Es war eine Herausforderung, die Quote mit psychologischen Fällen über einen so langen Zeitraum hinweg derart hoch zu halten." Ganz ohne Krawall ging das freilich nicht – doch irgendwann war das Genre ausgereizt. "Auf das Ende konnte ich mich gut einstellen, denn das ist ja nicht von heute auf morgen passiert", sagt sie. "Mir war klar, dass ich nicht nur die Menschen in der Redaktion vermissen würde, sondern auch die Räume. Ich weiß noch sehr gut, wie ich zum Schluss ins Studio gegangen bin und fürchterlich geweint habe."

Die Zeit in Sat.1 habe zu den aufregendsten in ihrem Leben gehört, so Kallwass. "Das war für mich eine ganz neue Welt und die Studios waren ein Stück weit mein Zuhause." An den Weg erinnert sich die heute 70-Jährige noch bestens. "Ich bin immer mit einem alten Auto nach Hürth gefahren und freute mich, wenn ich all die Plakate mit den Gesichtern der Sendungen sah, die dort aufgezeichnet wurden." Mit der Zeit sei auch sie selbst darauf zu sehen gewesen, erinnert sich Kallwass und schiebt lachend hinterher: "Manchmal ärgerte ich mich ein wenig darüber, wie schlecht ich geschminkt war. Aber irgendwann habe ich darüber hinweggesehen."

Einmal wäre sie um ein Haar nicht nach Hause gekommen. Nach einer Aufzeichnung saß Kallwass derart lange in der Redaktion, dass das Tor bereits geschlossen war, als sie heimfahren wollte. "Also ich bin eine geschlagene Stunde über das Gelände geirrt, in der Hoffnung, einen Hausmeister oder Nachtwächter zu finden – ohne Erfolg. Und ein Handy hatte ich nicht bei mir", erzählt Kallwass. "Gerade als ich mich auf eine Nacht im Auto einstellen wollte, kam glücklicherweise noch ein Mensch aus einem anderen Studio und erreichte die zuständige Person, sodass ich irgendwann doch noch nach Hause fahren konnte."

Rasend gerne denke sie an die Zeit zurück, schwärmt Kallwass, die noch immer in ihrer Praxis arbeitet und daneben als psychologische Expertin etwa im SWR-"Nachtcafé" gefragt ist. "Wenn ich da so sitze, macht mir die Arbeit vor der Kamera noch immer Spaß. Ich genieße das sehr, aber ich genieße auch meine Arbeit mit den Patienten."

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