Hier finden Sie den ersten Teil unserer DWDL.de-Reihe zum Thema Synchronisation

Auf eines der größten Luxusprobleme der heutigen Zeit treffen wir, wenn folgende Frage in den Raum geworfen wird: "Was schaue ich mir jetzt nur an?" - ein ewiges Finden und Verwerfen beginnt, welches nur dadurch existieren kann, dass die Auswahl an Bewegtbild so absurd groß ist. Die Zahlen machen es deutlich: Alleine im vergangenen Juni sind 49 neue Produktionen ins Kino gekommen. Hinzu kommen 48 neue Serienstaffeln. Um einen Vergleich zu ziehen: Im Juni 1999 kamen gerade einmal 16 frische Produktionen in die Lichtspielhäuser. Für das Seriensegment gibt es leider keine eindeutigen Statistiken, klar ist aber: Auch hier ist nun, 20 Jahre später, ungleich mehr auf dem Markt. Ein Großteil dieser Produktionen wird auf Deutsch synchronisiert, damit die größtmögliche Masse angesprochen werden kann. Doch wie lässt sich das noch bewältigen? Und wieso wirkt das Synchronisationsgeschäft so unscheinbar?

Mike Götze© Media-Paten
Generell kann man sagen: Durch die weiterhin starke Kinoproduktion und den zusätzlichen Serienboom, der einst durch Streamingdienste ausgelöst wurde, können sich Synchronisationsstudios über allerhand Aufträge freuen. "Wenn es zeitlich machbar wäre, könnten einzelne Studios noch viel mehr Geld verdienen", verrät Mike Götze, Geschäftsführer der Sprecheragentur "Media Paten" gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de. "Seitdem so viele Produktionen synchronisiert werden müssen, herrschen Tag- und Nachtschichten für die Sprecher." Los gehen diese um 10 Uhr, abgeklatscht wird ab 18 Uhr. Die Spätschicht endet in der Regel gegen Mitternacht.

Kreative Entfaltungsfreiheit? Fehlanzeige

Es ist eine hektische und akribische Akkordarbeit, mit der manch ein Projekt fertiggestellt werden muss. "Heute muss alles viel zügiger gehen. Wurden früher noch 15-20 Takes pro Stunde eingeplant, sind es mittlerweile über 30, manchmal sogar 50." Mike Götze meint damit die Anzahl an Sequenzen, die ein Synchronschauspieler abzuarbeiten hat. Tobias Kunze, Geschäftsführer RC Productions, gibt ein konkretes Beispiel: "Uns werden die Zielfristen vom Auftraggeber vorgegeben. Für einen Kinofilm bekommen wir im Schnitt weniger als zwei Monate, bis die Synchronisation fertiggestellt sein muss. Da wir natürlich mehrere Projekte gleichzeitig haben, wird der Zeitplan dann dementsprechend getaktet." Fließbandarbeit, könnte man meinen.

Fließbandarbeit, die je nach Auftraggeber strengstens überwacht wird: "Wenn eine Netflix-Produktion synchronisiert wird und der Synchronregisseur eine Anmerkung für das Übersetzungsdrehbuch hat, kann er sich auf einiges gefasst machen", erzählt Mike Götze. Dann beginne nämlich ein Kampf durch die Instanzen des Streaminggiganten. Einfach abgenickt wird hier nichts.

"Mehr Freiheiten wären hier zu wünschen, ganz klar. Synchronregisseuren, die seit 20, 30 Jahren in diesem Beruf tätig sind, sollte mehr Vertrauen entgegengebracht werden, damit der Produktionsablauf nicht immer wieder ins Stocken geraten muss". Ironisch: Die Lobeshymnen, die andere Filmschaffende im Gespräch über Netflix gerne mal anstimmen, werden hier alles andere als unterstützt. Engagierte Synchronregisseure lassen sich durch solche Machtspiele jedoch nur ungern von ihren Überzeugungen abbringen, wie eine Anekdote zu Marianne Groß' Einsatz beim Film "Forrest Gump" beweist.

Forrest Gump

Als Hauptverantwortliche des Übersetzungsteams wurde sie bei einem ganz bestimmten Satz stutzig, der aus Tom Hanks Mund kommt. Als Forrest Gump sitzt er in der wohl ikonischsten Szene des Films auf einer Parkbank und gibt seiner Sitznachbarin eine Lebensweisheit mit auf den Weg: "Life is like a box of chocolate. You never know what you're gonna get." Im Deutschen wollte sie dies damit übersetzen: "Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen. Du weißt nie, was du bekommst." Ihre amerikanische Supervisorin war jedoch unzufrieden und hat nicht verstanden, wieso "Chocolate" mit "Pralinen" übersetzt werden sollte. Groß musste ihr drei Tage lang erklären, warum dieser Satz mit "Schokolade" keinen Sinn ergeben würde, da man da stets wüsste, was man bekommt, im Gegensatz zu Pralinen, wo unklar sein kann, was drin steckt.