Die Vorläufer: Was es mit Freies Fernsehen und ARD2 auf sich hat

Dass es das ZDF in seiner heutigen Form gibt, geht auf das 1. Rundfunk-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1961 zurück, mit dem die Karlsruher Richter dem Plan des damaligen Kanzlers Konrad Adenauer, ein zweites, privatrechtlich organisiertes, aber unter Kontrolle des Bundes stehendes Fernsehprogramm zu starten, das nach den Vorstellungen Adenauers ein Gegengewicht zum als linkslastig empfundenen Programm des NWDR bilden sollte, einen Riegel vorschoben. Dabei hatten die Arbeiten dafür schon längst begonnen, mit der Vorbereitung des Sendebetriebs beauftragt worden war die auf Betreiben des Bundes gegründete Freie Fernsehen Gesellschaft.

Und die hatte einen alten Bauernhof in Eschborn als preisgünstigen Standort für den Aufbau des Sendezentrums gewählt. Dafür wurde eine alte Scheune in ein Studio umgebaut, in einstigen Ställen fanden Archive, Werkstätten und Schneideräume ihre Unterkunft und drumherum entstanden zahlreiche Baracken. Doch während die Vorbereitungen für den geplanten Sendestart Anfang 1961 auf Hochtouren liefen, schon Testsendungen gefahren, Fernsehspiele vorproduziert wurden, entzog zunächst eine einstweilige Verfügung im Dezember 1960 und wenig später dann das Gerichtsurteil mit der Festlegung, Rundfunk bleibe weiter Ländersache, diesen Plänen die Grundlage. Auch die Gründung einer Deutschland-Fernsehen GmbH, mit der man die Bundesländer kurzfristig noch ins Boot holen wollte, änderte daran nichts.

Die Bundesländer waren mit ihrem Ansinnen also erfolgreich - und standen 1961 dann trotzdem überraschend unvorbereitet vor der Aufgabe, sich eben selbst um ein "Zweites Deutsches Fernsehen" kümmern zu müssen. Ein Staatsvertrag zwischen allen Ländern über die Schaffung einer gemeinnützen Anstalt mit dem Namen Zweites Deutsches Fernsehen war dann zwar binnen Monaten geschlossen, ein sofortiger Sendestart aber natürlich nicht zu bewerkstelligen. Gewissermaßen als Platzhalter durfte stattdessen ab dem 1. Juni 1961 zunächst einmal "ARD 2" auf Sendung gehen. Die kuriose Geschichte davon haben wir an dieser Stelle schon einmal aufgeschrieben.

Der Start in den Baracken von Eschborn

Mit der Einigung der Länder auf die Gründung des ZDF wurde auch dessen Sitz festgeschrieben: Mainz - was nicht von ungefähr kam, denn Rheinland-Pfalz war bislang noch ohne eigene Landesrundfunkanstalt geblieben und vom SWF aus Baden-Baden mitversorgt worden. Doch die Geschichte des ZDF beginnt trotzdem in Hessen - denn die "Baracken von Eschborn", die das Freie Fernsehen aufgebaut hatte, standen ja nun noch herum und wurden mit dem Antrieb eines schnellen Sendestarts erst einmal vom neuen ZDF übernommen.

Das sah von außen natürlich ziemlich armselig aus und schnell machte für den vorläufigen ZDF-Sitz die Beschreibung "Telesibirsk" die Runde. Zumindest technisch war man dort aber auf dem aktuellen Stand - und der Rest war wohl weniger schlimm, wie es manche Bilder vermuten lassen. Harald Knapitsch, der damals als Fernsehtechniker fürs ZDF arbeitete, weiß im Zeitzeugen-Portal etwa zu berichten, dass sie "weder außen noch innen irgendwie verfallen" waren, sondern "stabil und beheizbar". Und weiter: "Von Schlamm war höchstens am Anfang die Rede. Man hat das ganze Gelände mit Eisenbahnschwellen ausgelegt, sodass man auch bei Regenwetter verhältnismäßig trockenen Fußes durchs Gelände kommen konnte." In den ersten Jahren musste also offensichtlich improvisiert werden. Die Umkleide der Ansagerinnen richtete man beispielsweise in einem Wohnwagen ein, den man auch auf obigem Bild aus Eschborn sieht - nachdem man den von der Deutschen Bundesbahn behelfsweise als Umkleideraum angebotenen Gefängniswaggon entrüstet abgeweisen hatte.

Auch wenn man also auf die Vorarbeiten des Freien Fernsehens aufbauen konnte: Der sehr ambitionierte Plan, schon am 1. Juli 1962 zu starten, konnte nicht gehalten werden. Einen Probebetrieb gab es aber natürlich auch schon vorher (mehr dazu hier). Eine erste Versuchssendung ging stattdessen unangekündigt in der Nacht vom 19. auf den 20. März 1963 über den Äther - eine Dokumentation über Hongkong. Ein paar ausgewählte Personen sollten Rückmeldung per Postkarte über die Empfangsqualität geben. Am 26. März sendete man dann testweise nachts schonmal Nachrichten, aber erst am 1. April war dann um 19:30 Uhr der tatsächliche Sendestart.

Warum "heute" auf einen Päckchen-Regen angewiesen war

Die dienstälteste Sendung des ZDF ist die Nachrichtensendung „heute“. Schon am ersten Sendetag, also am 1. April 1963, liefen die Nachrichten des ZDF unter diesem Titel. Nachdem der Sendebetrieb mit einer Ansprache des Intendanten Karl Holzamer um 19:30 Uhr gestartet war, moderierte Carl Weiss damals die erste "heute"-Ausgabe ab 19:35 Uhr, beginnend mit den Worten "Hier ist das zweite deutsche Fernsehen mit Nachrichten und Informationen zum Tage." Schon damals wollte man sich konzeptionell von der starr referierten „Tagesschau“ abheben, nahm sich mehr Zeit (anfänglich 25 Minuten), setzte auf mehr Hintergründe und Berichte.

Das allerdings war gar nicht so einfach, schließlich stand weder Satelliten-Technik geschweige denn das Internet für die Überspielung des Filmmaterials zur Verfügung, stattdessen musste das gedrehte Material per Flugzeug transportiert werden - Korrespondenten-Berichte aus dem Ausland gab's so häufig erst einen Tag später. Und auch wenn man generell recht verkehrsgünstig zum Flughafen Frankfurt lag, kostete das viel Zeit. Um aktuell berichten zu können, holte man die Bundeswehr ins Boot, die mit ihren Fliegern noch unentwickeltes Filmmaterial einsammelte und in an kleinen Fallschirmen befestigten Beuteln über der Wiese vor den Baracken von Eschborn abwarf, wie Rudolf Radke im Zeitzeigen-Portal schildert. Netter Nebeneffekt: Die Eschborner Kinder konnten sich mit dem Einsammeln der Wurfware noch ein paar Pfennige dazu verdienen.

Bis die "heute"-Nachrichten ihren heute angestammten Platz um 19 Uhr bekamen, dauerte es übrigens bis zum 1. Oktober 1973. Damals wollte man damit auf die Tatsache reagieren, dass Menschen durch kürzere Arbeitszeiten früher zuhause waren. Zunächst lief "heute" täglich um 19:30 Uhr, ab 1969 sogar erst ab 19:45 Uhr, wodurch es mehrere Jahre lang zu einer teilweisen Überschneidung mit der "Tagesschau" kam. Dafür startete ab diesem Zeitpunkt das Abendprogramm auf beiden Sendern parallel um 20:15 Uhr - was sich bis heute bei allen Sendern gehalten hat. Das "heute-journal" übrigens erblickte erst 1978 das Licht der Welt - gleichzeitig mit den "Tagesthemen" im Ersten.

Das "Aktuelle Sportstudio" und weitere Dauerbrenner

Eine weitere Sendung, die bis heute fest zum ZDF-Programm gehört, startete ebenfalls noch im ZDF-Gründungsjahr 1963: Das "Aktuelle Sportstudio". Die erste Sendung ging dabei übrigens am gleichen Tag auf Sendung, an dem auch die Fußball-Bundesliga in ihre erste Saison startete, nämlich am 24. August. Erster Moderator damals: Heribert Meisel, der allerdings nach fünf Ausgaben schon durch Wim Thoelke, Rainer Günzler und Harry Valérien ersetzt wurde, die gemeinsam die Idee zum "Sportstudio" hatten. Valérien sollte bis 1988 dabei bleiben und in der Anzahl der von ihm moderierten Ausgaben nur durch Dieter Kürten übertroffen werden.

Erst ein Jahr nach dem Start mussten die Gäste übrigens erstmals ihr Können an der legendären Torwand unter Beweis stellen und versuchen, drei Mal ins untere, drei Mal ins obere Loch zu treffen. 1971 wollte Hanns Joachim Friedrichs das etwas zeitraubende Ritual abschaffen - musste nach Protesten des Publikums aber wieder davon abrücken. Die erste Frau, die durch die Sendung führte, war 1973 Carmen Thomas - und trat mit der druckfrischen Ausgabe der "Bild am Sonntag" vom nächsten Tag vor die Kameras, in der die bereits ihren vorher geschriebenen Verriss "Charme allein genügt nicht" niedergeschrieben hatte.

Auch diese Dauerbrenner starteten schon vor Jahrzehnten:

1965: "Aspekte" - in den ersten Monaten noch unter dem ursprünglichen Namen "Kulturbericht"
1967: "Aktenzeichen XY... ungelöst"
1973: "Auslandsjournal"
1977: "Der Alte"
1981: "Löwenzahn"
1981: "Ein Fall für Zwei"
1981: "Das Traumschiff"
1981: "Wetten, dass..?"
1982: "Terra X"
1986: "ZDF Fernsehgarten"

Von Eschborn über Wiesbaden zum Lerchenberg

Die Baracken von Eschborn waren zwar noch ein paar Jahre weiter in Benutzung, das Sendezentrum des ZDF wurde aber schon nach einem Jahr, nämlich zum 1. April 1964 aufs Gelände der Taunusfilm in Wiesbaden verlegt. Ganz reibungslos lief das nicht - die "heute"-Nachrichten mussten ziemlich überstürzt umziehen, nachdem ein versehentlich aktivierte Feuerlöscher den MAZ-Raum in Eschborn lahmgelegt hatte, auch wenn dort das Studio eigentlich noch gar nicht fertig war. Gesendet werden konnte dank ein paar Sonderschichten dann trotzdem.

Noch vor dem Umzug nach Wiesbaden wurde aber 1964 der endgültige Hauptstandort festgelegt: Das ZDF kaufte ein eine Million Quadratmeter großes Gelände auf dem Mainzer Lerchenberg, wo schließlich 1966 die ersten Bauarbeiten begannen. Dass die Gebäude dort übrigens nicht wie vom Architekten geplant in sattem Schwarz erstrahlen, hat noch der damalige Intendant Karl Holzamer verfügt. Der hat einem Bericht seines damaligen persönlichen Referenten Michael Sauer zufolge gesagt: "Die Leute sagen eh das schwarze ZDF mit dem bösen Löwenthal - wenn ich da jetzt noch ein schwarzes Haus hinbaue, dann weiß ich schon, was in den Zeitungen steht."

Bis man in die nicht-schwarzen Gebäude umziehen konnte, sollte es aber noch bis 1974 dauern: Am 26. März, also knapp elf Jahre nach Sendestart, fand die Schlüsselübergabe statt und die ersten 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten umziehen. Bis die gesamte Sendetechnik auf den Lerchenberg umzog, sollte es aber nochmal zehn Jahre dauern. Erst Ende 1984 wurde dann der regelmäßige Sendebetrieb im Sendezentrum Lerchenberg aufgenommen - und das ZDF war somit endgültig in Main angekommen.